Leitsatz (amtlich)
Wenn der Drittschuldner in Unkenntnis der Pfändung die zur Erfüllung notwendige Leistungshandlung vorgenommen hat, ist er nach Kenntniserlangung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Eintritt des Leistungserfolges durch aktives Handeln zu verhindern.
Normenkette
ZPO § 829; BGB § 407
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. Dezember 1987 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 26 des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 1987 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge fallen der Klägerin zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte nach einer Forderungspfändung als Drittschuldnerin in Anspruch.
Anfang November 1984 stand der Klägerin gegen ihren Schuldner eine vollstreckbare Forderung in Höhe von 44.495,65 DM nebst Zinsen zu. Die Beklagte schuldete B. aus Warenlieferungen für die Einrichtung ihrer Zahnarztpraxis 90.049,40 DM. Am 5. November 1984 erteilte der Ehemann der Beklagten einer Bank über diese Summe einen Überweisungsauftrag, der auf Bitten B. durch sogenanntes „Blitzgiro” ausgeführt werden sollte, sobald eine weitere, finanzierende Bank die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung gestellt hatte. Am 13. November 1984 ließ die Klägerin der Beklagten ein vorläufiges Zahlungsverbot (Vorpfändung) zustellen. Die Überweisung der 90.049,40 DM wurde am 15. November 1984 telefonisch durch Blitzgiro ausgeführt und dem Konto B. gutgeschrieben. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde der Beklagten am 30. November 1984 zugestellt.
Mit der Klage verlangt die Klägerin Zahlung von 44.495,65 DM nebst Zinsen. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte habe diesen Betrag ihr gegenüber nicht mit befreiender Wirkung gezahlt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte könne sich der Klägerin gegenüber nur dann auf die erst am 15. November 1984 ausgeführte Überweisung an B. berufen, wenn sie nach der Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots am 13. November 1984 alles Zumutbare unternommen hätte, um die Überweisung noch zu verhindern. Das sei jedoch nicht der Fall. Der Überweisungsauftrag hätte noch am 14. November 1984 telefonisch widerrufen werden können. Der für die Beklagte handelnde Ehemann habe zwar noch versucht, den Sachbearbeiter der von ihm beauftragten Bank zu sprechen. Als er ihn nicht habe erreichen können, habe er es jedoch schuldhaft unterlassen, sich an dessen Vertreter zu wenden. Ein Widerruf des Überweisungsauftrags sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil der Schuldner B. dem Ehemann der Beklagten fälschlicherweise versichert habe, er habe das Geld bereits erhalten. Auf diese Mitteilung hätte der Zeuge T. sich nicht verlassen dürfen.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
II.
Die von der Klägerin ausgebrachte Vorpfändung hatte gemäß § 845 Abs. 2 ZPO die Wirkung eines Arrestes, weil die Pfändung der Forderung innerhalb von drei Wochen bewirkt worden war. Damit ist die Forderung B. gegen die Beklagte mit Wirkung vom 13. November 1984 in Höhe der Klageforderung wirksam gepfändet worden. Das hat zur Folge, daß die Beklagte nach dem 13. November 1984 nicht mehr mit befreiender Wirkung an B. zahlen konnte, weil eine entgegen dem Veräußerungsverbot bewirkte Leistung an den Schuldner dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam ist (§§ 136, 135 BGB).
1. In entsprechender Anwendung von § 407 BGB wird der Drittschuldner aber durch eine Zahlung an den Schuldner auch von seiner Verpflichtung gegenüber dem Pfändungsgläubiger frei, wenn er das dem Schuldner auferlegte Verfügungsverbot und das ihm obliegende Zahlungsverbot bei Vornahme der Leistung nicht kennt (RGZ 87, 412, 418; BGHZ 86, 337, 338 f.). Der für die Kenntnis des Schuldners bzw. Drittschuldners maßgebliche Zeitpunkt ist dabei nicht der Eintritt des Leistungserfolgs beim Gläubiger, sondern die Vornahme der Leistungshandlung durch den Schuldner (MünchKomm/Roth, BGB 2. Aufl. § 407 Rdnr. 16; BGB RGRK/Weber, 12. Aufl. § 407 Rdnr. 27; Staudinger/Kaduk, BGB 10./11. Aufl. § 407 Rdnr. 42, Soergel/Zeiss, BGB 11. Aufl. § 407 Rdnr. 5). Das folgt aus dem Schutzzweck des § 407 BGB. Die Vorschrift soll den Schuldner vor den Rechtsnachteilen schützen, die ihm dadurch entstehen könnten, daß die Forderung ohne sein Wissen abgetreten werden kann. Der Schuldner, der in Unkenntnis der Abtretung gegenüber dem alten Gläubiger eine Rechtshandlung vorgenommen hat, soll davon bewahrt werden, daß der neue Gläubiger diese Rechtshandlung nicht gegen sich gelten lassen will. Dieser Schutz muß im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung einsetzen, nicht dagegen im Zeitpunkt des Leistungserfolgs, der vielfach ohne Zutun des Schuldners eintritt.
2. Wenn – wie vorliegend – der Schuldner die Leistungshandlung in Unkenntnis des Rechtsübergangs vornimmt, ihm diese Kenntnis aber vor dem Eintritt des Leistungserfolgs vermittelt wird, dann ist er entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich nicht verpflichtet, den Eintritt des Leistungserfolgs noch zu verhindern (OLG Düsseldorf WM 1975, 397, 399; MünchKomm/Roth a.a.O.; offengelassen in BGH, Urt. v. 21. Juni 1976 – II ZR 85/75, NJW 1976, 1842, 1843). § 407 BGB enthält keine derartige Verpflichtung des Schuldners zum Tätigwerden. Eine solche Verpflichtung läßt sich auch nicht aus der Gesamtheit der Vorschriften über die Forderungsabtretung herleiten. Diesen Vorschriften liegt insbesondere in §§ 404 ff. BGB der Gedanke zugrunde, daß der Schuldner, ohne dessen Zutun, ja vielfach ohne dessen Wissen die Abtretung erfolgt ist, in seiner Rechtsstellung möglichst nicht beeinträchtigt werden soll. Er soll vor den Nachteilen der Abtretung geschützt werden; ihm sollen aber keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegt werden. Diesem Gesamtcharakter der gesetzlichen Regelung würde es widersprechen, wenn man den Schuldner im Falle der Kenntniserlangung von der Abtretung für verpflichtet halten wollte, aktiv tätig zu werden, um die Rechtsstellung des neuen Gläubigers zu sichern.
3. Bei der entsprechenden Anwendung des § 407 BGB auf die Forderungspfändung wird allerdings in der Literatur, insbesondere für die Pfändung von Arbeitseinkommen, die Auffassung vertreten, daß der Drittschuldner sich nicht auf eine guten Glaubens vorgenommene Geldüberweisung berufen könne, die er nach Kenntnis der Pfändung noch rechtzeitig vor der Abbuchung hätte widerrufen können (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 829 Rdnr. 101; Stöber, Forderungspfändung 8. Aufl. Rdnr. 566 Fußn. 20, Rdnr. 936; Rothe BB 1966, 291; Seibert WM 1984, 521, 523 f.). Dem vermag der erkennende Senat jedoch für den Fall einer lediglich einmal vorzunehmenden Überweisung nicht zu folgen. Das Gesetz kennt eine solche Verpflichtung des Drittschuldners zum Tätigwerden nicht. Ihm wird gemäß § 829 Abs. 1 ZPO lediglich verboten, „an den Schuldner zu zahlen”. Damit wird er zu einem Unterlassen, nämlich zum Unterlassen einer Zahlung an den Schuldner verpflichtet. Der Pfändungsbeschluß erlegt dem Drittschuldner keine Hahdlungspflichten auf. Nach § 840 ZPO hat er lediglich auf Verlangen des Gläubigers bestimmte Erklärungen abzugeben. Eine weitere Tätigkeit wird vom Drittschuldner nicht verlangt. Wie der Senat in anderem Zusammenhang dargelegt hat (BGHZ 91, 126, 131), wollte der Gesetzgeber den Drittschuldner, dem durch die Pfändung ein anderer Gläubiger aufgezwungen wird, möglichst wenig belasten. Dem würde es widersprechen, wenn man dem Drittschuldner über die klare gesetzliche Regelung hinaus die Verpflichtung auferlegen wollte, nicht nur jede Zahlung an den Schuldner zu unterlassen, sondern eine bereits in die Wege geleitete Zahlung nach Möglichkeit wieder rückgängig zu machen. Ob dies auch für Daueraufträge gilt, kann hier offen bleiben.
Eine solche Auslegung des in § 829 Abs. 1 ZPO normierten Zahlungsverbots würde auch den durchschnittlichen Adressaten eines Pfändungsbeschlusses überfordern. Ein juristischer Laie versteht das Verbot einer Zahlung dahin, daß er keine Erfüllungshandlungen mehr vornehmen darf. Er wird das Zahlungsverbot aber nicht dahin auffassen, daß er auch versuchen muß, eine bereits in die Wege geleitete Zahlung wieder rückgängig zu machen. Dies zeigt das Verhalten des Ehemannes der Beklagten im vorliegenden Fall sehr deutlich. Er wollte sich zunächst bei dem ihm bekannten Vertreter seiner Bank Rat holen. Als das nicht gelang, hat er den Schuldner angerufen und dann dessen falsche Behauptung geglaubt, daß er das Geld bereits habe.
Die Pflichten des Drittschuldners müssen klar und für jedermann eindeutig normiert sein. Wenn der Drittschuldner verpflichtet sein sollte, eine im Zeitpunkt der Pfändung bereits in die Wege geleitete Zahlung wieder rückgängig zu machen, dann müßte ihm das im Pfändungsbeschluß unzweideutig mitgeteilt werden. Dazu bedürfte es einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung. Solange dies nicht im Gesetz steht, muß der Drittschuldner einen bereits erteilten Überweisungsauftrag grundsätzlich nicht widerrufen, wenn ihm ein Pfändungsbeschluß zugestellt wird.
4. Damit ist die Beklagte durch die erst am 15. November 1984 ausgeführte Überweisung der 90.049,40 DM auch gegenüber der Klägerin frei geworden, weil der Überweisungsauftrag bereits vor Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots erteilt war.
III.
Aus den dargelegten Gründen kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da die Sache keiner weiteren Aufklärung bedarf, wird das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 609787 |
BGHZ, 358 |
NJW 1989, 905 |
ZIP 1988, 1610 |
JZ 1989, 299 |