Rn 24
Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 sollen Insolvenzverwalter und Betriebsrat über eine einvernehmliche Herabsetzung der die Insolvenzmasse belastenden Leistungen beraten. Dies beinhaltet auch die Befugnis, die durch Betriebsvereinbarung geregelten Leistungen vollständig aufzuheben. Eine gerichtlich erzwingbare Verpflichtung zur Beratung besteht nicht. Eine Einigungsstelle zur Durchsetzung von Beratungen wäre offensichtlich unzuständig. Dementsprechend hat weder der Betriebsrat noch der Insolvenzverwalter aus § 120 Abs. 1 Satz 1 einen Anspruch auf Verhandlungen über eine Anpassung von Betriebsvereinbarungen.
Die allgemeinen Grundsätze zur Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat gemäß § 74 BetrVG ändern daran nichts. Zwar gilt die Einlassungs- und Erörterungspflicht des § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch für den Insolvenzverwalter. Dementsprechend ist auch der Insolvenzverwalter gehalten, über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG begründet jedoch weder eine Rechtspflicht zum Kompromiss noch wird eine bestimmte Mindestgesprächsdauer statuiert. Es reicht aus, wenn der Gegenseite die Gründe für die eigene Haltung kurz erläutert werden. Keine Partei ist zum Nachgeben verpflichtet. Hält ein Betriebspartner an seiner Position fest, so ist ihm dies nicht verwehrt.
Rn 25
Adressat des Beratungsgebots aufseiten des Arbeitgebers ist der Insolvenzverwalter. Im Fall der Eigenverwaltung (§§ 270 ff.) tritt an die Stelle des Insolvenzverwalters der Insolvenzschuldner (§ 279 Satz 1). Soweit die Beratungen zu einer Änderung bzw. einer einvernehmlichen Aufhebung der Betriebsvereinbarung führen, bedarf es gemäß § 279 Satz 3 der Zustimmung des Sachwalters (§§ 270 Abs. 3, 274).
Für die Arbeitnehmer werden die Gespräche durch den jeweils zuständigen Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat geführt. Wegen des mit der Insolvenz verbundenen Wegfalls der Konzernbindung gilt dies auch für Verhandlungen über die Anpassung von Konzernbetriebsvereinbarungen. Für Beratungen über Vereinbarungen mit dem Sprecherausschuss ist hingegen der Sprecherausschuss zuständig.
Rn 26
Eine etwaige als Ergebnis der Beratung erfolgende Änderung oder Aufhebung von Betriebs- oder Sprecherausschussvereinbarungen muss gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG, § 28 Abs. 1 SprAuG schriftlich vereinbart werden. Außerdem sind die allgemeinen Anforderungen des BetrVG, d.h. insbesondere das Benachteiligungs- und Diskriminierungsverbot des § 75 BetrVG, zu beachten.
Rn 27
Eine (erfolgslose) Beratung nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung nach § 120 Abs. 1 Satz 2. Mangels planwidriger Regelungslücke kommt weder eine analoge Anwendung der Drei-Wochen-Frist des § 122 Abs. 1 Satz 1 noch eine Übertragung der Rechtsprechung des BAG zu den Anforderungen an den Versuch eines Interessenausgleichs in Betracht. Auch aus dem die Kündigung von Dauerrechtsverhältnissen bestimmenden Ultima-Ratio-Grundsatz lässt sich eine Einschränkung des Kündigungsrechts für Betriebsvereinbarungen nicht ableiten. Der Insolvenzverwalter kann Betriebsvereinbarungen, die massebelastende Leistungen enthalten, daher unmittelbar kündigen, ohne zuvor mit den zuständigen Arbeitnehmervertretern eine Anpassung versucht zu haben. Da § 120 die Entlastung der Insolvenzmasse, nicht aber den Schutz der Arbeitnehmer vor Leistungsverlusten bezweckt, ist eine unterbliebene Beratung auch nicht als Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 zu bewerten.