Rn 21
Nicht zwangsläufig erforderlich ist, dass der Verwalter den Schuldner aus dessen bisherigen Besitz (völlig) verdrängt. Vor allem bei Unternehmensfortführungen besteht nicht selten das praktische Bedürfnis, dass der Schuldner weiterhin Zugriff auf die Masse hat. Auch die Wohnung kann der Schuldner in der Regel nicht sofort verlassen. Solchermaßen fortbestehende Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners lassen sich mit dem Sinn und Zweck von § 148 Abs. 1 vereinbaren. Danach kommt es vorrangig nicht auf den Ausschluss des Schuldners, sondern darauf an, dass masseschmälernde Handlungen verhindert und der Verwalter tatsächlich auf Massegegenstände zugreifen kann. Zulässig ist daher z.B. auch die Begründung einseitig qualifizierten Mitbesitzes, bei dem der Schuldner die Sachherrschaft nur gemeinsam mit dem Verwalter ausüben kann.
Rn 22
Der Verwalter kann den Schuldner (oder auch die bisherigen Organe einer Gesellschaft) aber vor allem als Besitzdiener einsetzen; dieser übt dann weisungsabhängig die tatsächliche Sachherrschaft für den Verwalter aus. Ein irgendwie gearteter, nach außen hin erkennbarer, auch nur symbolischer Akt der Sachherrschaftsergreifung ist dafür nicht notwendig. Die Weisungsabhängigkeit des Schuldners ergibt sich schon aus der dem Verwalter allein zugewiesenen Verfügungs- und Verwaltungsmacht über alle Massegegenstände (§ 80 Abs. 1); das insofern bestehende soziale Abhängigkeitsverhältnis zwischen Schuldner und Verwalter wird bereits hinreichend deutlich durch die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses und die besondere Zustellung an alle Geschäftspartner des Schuldners (§ 30) verlautbart. Gutgläubiger Erwerb Dritter ist nicht nur wegen der absoluten Wirkung des Verfügungsverbots nach § 80 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1, sondern zugleich auch wegen § 935 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
Rn 23
Unmittelbarer Allein- oder einfacher Mitbesitz des Schuldners ist demgegenüber nicht möglich. Zwar kann auch der Schuldner als Besitzdiener faktisch Massegegenstände beiseite schaffen; allerdings würde der unmittelbare Besitz zu Besitzschutzansprüchen des Schuldners gegen den Insolvenzverwalter (§§ 859, 861 f. BGB) führen, was in besonderer Weise dessen jederzeitigen Zugriff auf alle Massegegenstände vereiteln kann. Hinzu kommt, dass die Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen der Masse durch den Verwalter nur dann möglich ist, wenn sich diese in seinem unmittelbaren Besitz befinden (§ 166 Abs. 1). Auch aus dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ergibt sich, dass der Schuldner nicht unmittelbaren Besitz an Massegegenständen innehaben kann: Handelt es sich um einen Gegenstand, der für die Befriedigung aller Gläubiger irrelevant ist, so hat ihn der Verwalter aus der Masse freizugeben, nicht aber nur auf die tatsächliche Sachherrschaft zu verzichten.
Rn 24
Welche Einwirkungsmöglichkeiten der Verwalter dem Schuldner einräumt bzw. belässt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab für die Entscheidung ist vor allem die Höhe des Risikos, dass Massegegenstände beiseite geschafft werden: Je höher das Risiko ist, desto intensiver muss die Zugriffsmöglichkeit des Verwalters ausgestaltet und der Schuldner ausgeschlossen werden. Entscheidungsmaßstab sind aber auch die der Masse entstehenden Kosten der Inbesitznahme, die zum einen mit dem Risiko des Abhandenkommens, zum anderen aber auch ganz allgemein zum Wert der Sache für die Masse ins Verhältnis zu setzen sind.