Rn 66
Wie auch in Bezug auf die handelsrechtlichen Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten gilt, dass die steuerrechtlichen Pflichten erst ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und zu erfüllen sind. Namentlich hat der Insolvenzverwalter nicht auch solche steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, die sich auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume vor Verfahrenseröffnung beziehen und vom Schuldner selbst hätten erfüllt werden müssen. Der Insolvenzverwalter hat ebenso wenig Hinweise zu erteilen oder gar Berichtigungen vorzunehmen, wenn sich während des Verfahrens herausstellt, dass der Schuldner vor Verfahrenseröffnung unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen usw. abgegeben hat. Die diesbezüglichen Pflichten (§ 153 Abs. 1 AO) treffen nicht ihn, sondern den Schuldner, den er aber – bei positiver Kenntnis von der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit – zu informieren hat.
Rn 67
Der Insolvenzverwalter soll auch dann zur Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten verpflichtet bleiben, wenn die hierbei entstehenden Kosten – namentlich aus der Beauftragung eines Steuerberaters, aber auch in Form von Auslagen (Rn. 94 ff.) – nicht aus der Insolvenzmasse gedeckt werden können. Der BFH begründet das mit dem übergeordneten öffentlich-rechtlichen Charakter der diesbezüglichen Pflichten, die der ordnungsgemäßen Abwicklung des Besteuerungsverfahrens und nicht nur dem fiskalischen Interesse der Finanzverwaltung als Insolvenzgläubiger dienen und auch in der Person des Steuerpflichtigen nicht von hinreichenden finanziellen Mitteln abhängen. Der Insolvenzverwalter muss dementsprechend diesbezügliche Kosten u. U. selbst tragen. Der BFH hat offengelassen, ob dies auch dann gilt, wenn der Insolvenzverwalter besonders umfangreiche Buchhaltungs- und Abschlussarbeiten für den Schuldner vornehmen (nachholen) muss, was nicht selten der Fall ist, da exakte Buchführung und Rechnungslegung in Krisenzeiten zumeist vernachlässig werden.
Rn 68
Die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten kann für den Insolvenzverwalter bei Masseunzulänglichkeit aber unzumutbar sein, was im Einzelfall von Art und Umfang der erforderlichen Tätigkeiten sowie den besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten des Verwalters abhängt. Darüber hinaus kann dem Insolvenzverwalter ein Anspruch auf (Vorschuss und) Erstattung der den Umständen nach angemessenen Kosten aus der Staatskasse erwachsen, wenn der Fiskus trotz eines Hinweises des Insolvenzverwalters auf die bestehende Masseunzulänglichkeit an der Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten festhält. Ggf. muss die Finanzverwaltung hinnehmen, dass eine Rechnungslegung für zurückliegende Zeiträume nicht möglich ist und Steuern schätzen (§ 162 AO).