Rn 5

Ist der Verwalter als Rechtsanwalt zugelassen, kann er neben seiner Verwaltervergütung nach der InsVV auch nach den Regelungen des RVG vergütet werden. Dem steht auch § 1 Abs. 2 RVG nicht entgegen, wonach die dortigen Gebührenvorschriften nicht zur Anwendung kommen, wenn der Rechtsanwalt unter anderem als Insolvenzverwalter tätig wird. Diese Regelung beruht auf der gesetzgeberischen Erwägung, dass es sich bei den dort genannten Tätigkeiten entweder um ehrenamtliche handelt oder um solche, die in erheblichem Umfang auch Nichtanwälten übertragen werden, so dass diesen Tätigkeiten die typischen Merkmale anwaltlicher Berufsausübung fehlen. Dennoch kann der Anwalt auch bei solchen Tätigkeiten für die Erfüllung bestimmter Einzelaufgaben Gebühren nach dem RVG verdienen, da gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 RVG die Vorschrift des § 1835 Abs. 3 BGB unberührt bleibt. Nach dieser Norm kann der Vormund zunächst grundsätzlich vom Mündel Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen verlangen. Nach § 1835 Abs. 3 BGB gelten als solche Aufwendungen auch die Dienste des Vormunds, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, unter anderem also auch eine Tätigkeit als Rechtsanwalt im Interesse des Mündels. Der in dieser Bestimmung enthaltene Rechtsgedanke ist auf die übrigen in § 1 Abs. 2 Satz 1 RVG genannten Tätigkeiten sinngemäß zu übertragen. Dementsprechend stellt § 5 Abs. 1 als Voraussetzung für den Anspruch des Insolvenzverwalters auf eine zusätzliche Vergütung nach dem RVG darauf ab, dass die konkret ausgeübte Tätigkeit von einem nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen worden wäre. Erforderlich ist also eine hypothetische Betrachtung, wie sich ein Nichtanwalt in der konkreten Situation des Verwalters verhalten hätte.

 

Rn 6

Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, das Anforderungsprofil eines modernen berufsmäßigen Insolvenzverwalters zu bestimmen. Beim heutigen Insolvenzrecht handelt es sich um eine in den letzten Jahren immer komplexer gewordene Rechtsmaterie, die kein eigenes abgegrenztes Rechtsgebiet bildet, sondern bei ihrer Umsetzung in der Praxis Berührungen mit fast allen anderen Rechtsgebieten aufweist. Dies liegt an der Komplexität der Gesamtrechtsordnung sowie an der Regelungstiefe einzelner Rechtsgebiete, so dass im Rahmen der Insolvenzabwicklung einerseits durch das Verwalterhandeln und andererseits durch den Zwang, Entscheidungen zu treffen, fast ständig Rechtsfragen aufgeworfen werden. Die Schwerpunkte liegen dabei im schuld- und sachenrechtlichen Teil des Allgemeinen Zivilrechts, im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im Steuer- und Arbeitsrecht. Dabei sind die öffentlich-rechtlichen Bezüge des Insolvenzrechts, insbesondere im Bereich des Umweltrechts, noch gar nicht berücksichtigt.

 

Rn 7

Demgegenüber wird als Auswahlkriterium für den Verwalter in § 56 Abs. 1 InsO keine spezielle juristische Qualifikation oder etwa die Befähigung zum Richteramt bzw. Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vorausgesetzt. Zum Verwalter kann vielmehr jede für den Einzelfall geeignete und unabhängige Person bestellt werden, die lediglich ausreichend geschäftskundig ist. Erforderlich sind daher bei jedem durchschnittlichen Verwalter sowohl juristische als auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse, die der fortlaufenden Entwicklung in den betreffenden Bereichen entsprechen müssen. Um dies zu gewährleisten, hat sich der berufsmäßig tätige Insolvenzverwalter ständig in dem erforderlichen Umfang fortzubilden. Daneben muss der Verwalter mit der von ihm vorgehaltenen Organisation in der Lage sein, durchschnittlichen Verfahrensanforderungen bei der Bewältigung der Korrespondenz, der Tabellenführung und Aufarbeitung der Geschäftsunterlagen zu entsprechen. Da aus den dargelegten Gründen jede Insolvenzverwaltung naturgemäß mit zahlreichen Rechtsverhältnissen bzw. Rechtshandlungen verbunden ist, muss auch ein Verwalter ohne rechtswissenschaftliche Ausbildung entsprechende Aufgaben ohne besondere rechtliche Schwierigkeiten erfüllen können, ohne jeweils sofort einen Rechtsanwalt einzuschalten. Wenngleich die zu beurteilenden Rechtsbeziehungen verfahrensspezifisch naturgemäß höchst unterschiedlich sein können, so muss ein Insolvenzverwalter heutiger Prägung dennoch in der Lage sein, die in einem durchschnittlichen Insolvenzverfahren üblicherweise zu behandelnden Rechtsfragen selbst zu beantworten. Dies gilt für das gesamte Insolvenzrecht ebenso wie für den so genannten wirtschaftsrechtlichen Bereich und arbeitsrechtliche Fragen. Die Einbringung dieser Kenntnisse und die damit verbundenen Tätigkeiten sind durch die nicht nach dem RVG, sondern nach der InsVV geschuldete Verwaltervergütung abgegolten.

 

Rn 8

Sind dagegen bei der Verfahrensabwicklung besondere juristische Qualifikationen erforderlich, dann kann ein Nichtjurist bzw. nicht als Anwalt zugelassener Verwalter diese Tätigkeiten einem Rechtsanwalt übertragen. Erforderlich ist also eine Ex-ante-Beurteilung aus der Sicht eines durchschnitt...

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