Leitsatz
Weder die Einführung des Blockwahlrechts in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 i.d.F. des Korb II-Gesetzes noch die entsprechende Wahlrechtsausübung stellen ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2a i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Normenkette
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 233a Abs. 2a AO, § 8b Abs. 8, § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 i.d.F. des Korb II-Gesetzes
Sachverhalt
Die klagende AG war 2001 (Streitjahr) Organträgerin der A (einem Versicherungsunternehmen). Das FA veranlagte erklärungsgemäß unter Ansatz negativer Einkünfte der A (Körperschaftsteuer: 0 EUR). Mit Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb II-Gesetz) vom 22.12.2003 wurde in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG ein sog. Blockwahlrecht mit Wirkung zum 1.1.2004 eingeführt. Der Gesetzgeber räumte insoweit in Satz 1 der Vorschrift den Lebens- und Krankenversicherungen die Möglichkeit ein, zeitlich befristet bis zum 30.6.2004 auf Antrag unwiderruflich und einheitlich für die VZ 2001 bis 2003 den § 8b Abs. 8 KStG in der in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. aufgeführten Fassung (s. oben zu 1.) anzuwenden. A nahm das sog. Blockwahlrecht in Anspruch (Antrag vom 22.6.2004).
Es kam auf dieser Grundlage zu einer Steuerfestsetzung bei der Klägerin; gegen den Bescheid über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen wandte sie ein, in der Ausübung des Blockwahlrechts liege ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Klage blieb ohne Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2015, 6 K 3368/13 AO, Haufe-Index 9165127, EFG 2016, 532).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück.
Hinweis
1. Es geht um die Zinsfestsetzung 2001 bei der A AG als Organträgerin; Organgesellschaft (A) war eine Versicherung im personalen Anwendungsbereich von § 8b Abs. 8 KStG. Zugrunde lag ein Körperschaftsteuer-Nachzahlungsbetrag. Dieser ergab sich daraus, dass die grundsätzlich ab VZ 2004 geltende Regelung des § 8b Abs. 8 KStG infolge einer Ende 2003 installierten Übergangsregelung auf unwiderruflichen und einheitlichen Antrag hin in einer besonderen Fassung auf die VZ 2001 bis 2003 (!) anzuwenden war: Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen waren zu 80 % anzusetzen und – dies war für den Streitfall erheblich – negative Einkünfte der Organgesellschaft aus dem Rückwirkungszeitraum waren nicht dem Organträger zuzurechnen. A hatte diesen Antrag Mitte 2004 ordnungsgemäß gestellt. War der Zinslauf auf dieser Grundlage zugunsten der A AG "abweichend von § 233a Abs. 2 Satz 1 AO" (dies wäre der 1.4.2003) – nämlich erst beginnend 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem "das rückwirkende Ereignis" eingetreten ist (§ 233a Abs. 2a AO) – zu berechnen?
2. Der BFH urteilt, dass weder die Einführung des Blockwahlrechts noch die entsprechende Wahlrechtsausübung ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 233a Abs. 2a i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt. Denn entscheidend sei das materielle Recht (hier: die körperschaftsteuerliche Rechtslage).
Ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung müsse zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten rechtlichen Beurteilung des nämlichen Sachverhalts. Eine rückwirkende Änderung steuerrechtlicher Vorschriften gestalte aber nicht den bereits bestandskräftig geregelten Einzelfall, sondern wirke lediglich auf die rechtlichen Grundlagen eines Steuerverwaltungsakts ein.
Auch die Ausübung des Wahlrechts stelle kein rückwirkendes Ereignis dar. So führe die Antragstellung nicht zu einer rückwirkenden Sachverhaltsänderung, sondern ziele nur auf eine Veränderung der dem bereits verwirklichten Sachverhalt zuzuordnenden Rechtsfolgen. Dem Gesetzestext (§ 34 KStG) sei weder eine spezielle Korrekturregelung noch eine ausdrückliche Aussage zur Durchbrechung der Bestandskraft zu entnehmen. Auch die "einheitliche" Ausübung des Blockwahlrechts könne nicht als Anordnung zur Bestandskraftdurchbrechung bereits veranlagter Jahre verstanden werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.7.2017 – I R 86/15