Zu den zentralen Einzelbestandteilen des BMF-Schreibens gehören insb. die Einordnung von digitalen Währungen als Wirtschaftsgut i.S.d. EStG sowie deren Verfügbarmachung für den Steuerpflichtigen z.B. durch Anschaffung bzw. Herstellung. Diesen beiden Aspekten kommt eine wesentliche Bedeutung für die Besteuerung von digitalen Währungen zu, da sie den allgemeinen Ausgangspunkt für die im BMF-Schreiben behandelten Besteuerungstatbestände bilden.
1. Wirtschaftsgut (Tz. 31)
Das BMF-Schreiben bestätigt die bereits im Entwurf aus dem Jahr 2021 vorgetragene Auffassung, dass es sich bei virtuellen Währungen und sonstigen Token um Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinne handelt. Dabei erfolgt eine Orientierung an der allgemeinen Definition eines Wirtschaftsgutes (vgl. statt aller: Reddig in Kirchhof, EStG, § 5 Rz. 75):
- Tatsächlicher Aufwand des Steuerpflichtigen zur Erlangung des Vorteil,
- Nutzbarkeit grundsätzlich für mehrere Steuerperioden,
- Einzelveräußerbarkeit bzw. Übertragbarkeit,
- Möglichkeit zur selbständigen Bewertung.
Vor diesem Hintergrund geht das BMF-Schreiben von einem Wirtschaftsgut insb. aufgrund folgender Umstände ausdrücklich aus (Tz. 31):
- Übertragbarkeit: Vermittlung der Möglichkeit, die dem eigenen öffentlichen Schlüssel zugewiesenen vermögenswerten Vorteile einem anderen öffentlichen Schlüssel zuzuweisen.
- Bewertbarkeit: Möglichkeit zur selbständigen Bewertung anhand eines regelmäßig über Börsen, Handelsplattformen und sog. Listen ermittelbaren Marktpreises.
Beraterhinweis Die Finanzverwaltung hat in jedem Einzelfall anhand der im BMF-Schreiben dargestellten Kriterien eines Wirtschaftsgutes festzustellen, ob insoweit tatsächlich die geforderten Voraussetzungen vorliegen. Insoweit darf keine automatische Gleichsetzung von digitaler Währung und Wirtschaftsgut erfolgen (vgl. FG Nürnberg v. 8.4.2020 – 3 V 1239/19, unter II.3. b), ErbStB 2020, 258 [Günther]).
Von der erstinstanzlichen Finanz-Rspr. wurde bereits der Wirtschaftsgutcharakter digitaler Währungen, insb. Bitcoin, bestätigt:
Beraterhinweis Die Wirtschaftsguteigenschaft digitaler Währungen wird auch in der Fachliteratur weitgehend bejaht (Nachweis dazu z.B. in FG Baden-Württemberg v. 11.6.2021 – 5 K 1996/19, unter 1. a), ErbStB 2022, 104 [Knittel]). Die steuerliche Eigenschaft von Digitalwährungen als Wirtschaftsgut ist allerdings derzeit noch nicht höchstrichterlich bestätigt. Insoweit bleiben die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren abzuwarten.
Bilanzsteuerrechtlich werden Kryptowährungen im Betriebsvermögensvergleich als nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter behandelt, die entweder dem Anlage- oder dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Zuordnung im Anlagevermögen unter den Finanzanlagen bzw. bei einer Zuordnung im Umlaufvermögen unter den sonstigen Vermögensgegenständen erfolgt (vgl. Tz. 41). Im Einzelfall können Krytowährungen außerplanmäßig abgeschrieben und damit ein Kursverlust steuerlich geltend gemacht werden.
2. Zurechnung zum wirtschaftlichen Eigentümer (Tz. 32)
Wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist, wer die tatsächliche Herrschaft in einer Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Gemäß BMF-Schreiben soll wirtschaftlicher Eigentümer diejenige Person sein, die Transaktionen initiieren und damit über die Zuordnung der Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token zu öffentlichen Schlüsseln "verfügen" kann. Dies soll regelmäßig der Inhaber des privaten Schlüssels ("private key") und damit der tatsächlichen Herrschaft über den key sein.
Beraterhinweis Für die steuerrechtliche Zuordnung von Einheiten einer virtuellen Währung ist eine dezidierte Analyse in persönlicher, mengenmäßiger aber auch zeitlicher Hinsicht vorzunehmen. Dies sollte auch die Identifikation des zugrunde liegenden Buchungssatzes i.R.d. Blockchain beinhalten.
3. Anschaffung als steuerlicher Ausgangspunkt von digitalen Währungen (Tz. 33)
Von steuerlich besonderer Bedeutung ist, ob digitalen Währungen in ihrem frühesten festzustellenden Ausgangspunkt einem Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgang entstammen. Das BMF-Schreiben vertritt dazu die Auffassung, dass die sog. Schöpfung der digitalen Währungen mittels Mining bzw. Forging auf Anschaffungsvorgänge zurückgeht. Damit wird die eigentlich auf den ersten Blick naheliegende Alternative der Herstellung der digitalen Währung als Wirtschaftsgut ausgeschlossen. Aufgrund der durch das BMF-Schreiben dem Anschaffungsvorgang in Zusammenhang mit digitalen Währungen zugeschriebenen Maßgeblichkeit ist die Herstellung einer digitalen Währungen steuerlich grundsätzlich ohne Bedeutung (Ausnahme: ICO, vgl. Tz. 76). Dabei ist aber zu beachten, dass dem Anschaffungsvorgang eines Wirtschaftsgutes eine Konsensualvereinbarung zweier Parteien...