Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 02.12.2021, Az. 52 VI 589/21, aufgehoben.
2. Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen: außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Erblasserin verstarb am 30.01.2021. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie verwitwet. Aus der einzigen Ehe mit A... Z... gingen vier gemeinschaftliche Kinder hervor, die Beteiligten zu 1. bis 3., sowie der Sohn K... Z..., der am 08.03.2021 nachverstorben ist. Im vorliegenden Verfahren beantragt der Beteiligte zu 1 einen Erbschein, der die vier Kinder der Erblasserin zu je 1/4 als gesetzliche Erben ausweist.
Die Erblasserin übertrug mit notariellem Überlassungsvertrag vom 17.06.1993 das in ihrem Eigentum stehende, im Grundbuch von ..., Blatt 21 eingetragene Grundstück in einer Größe von insgesamt 3450 qm, eingetragene Nutzungsart Hof- und Gebäudefläche sowie Gartenland, gelegen in der ... in ... unentgeltlich auf den Beteiligten zu 1.
In Ziffer IX. der Urkunde heißt es:
"Die Überlassung erfolgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil des Erwerbers am künftigen Nachlaß des Veräußerers.
Die Erschienenen zu 3. bis 6. [Anmerkung: richtig 3. bis 5., die weiteren Kinder der Erblasserin] verzichten für sich und ihre Nachkommen hiermit gegenständlich beschränkt auf die vorstehende Überlassung auf ihr Pflichtteilsrecht am künftigen Nachlaß der Erschienenen zu 1. Die Erschienene zu 1. nimmt den Verzicht jeweils entgegen und an."
Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, mit Beschluss vom 02.12.2021 für festgestellt erachtet und hierbei ausgeführt, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten, da eine Verfügung von Todes wegen nicht vorhanden sei.
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner Beschwerde, mit der er einwendet, Ziffer IX des Überlassungsvertrages stelle eine Verfügung von Todes wegen dar, mit der der Antragsteller von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden sei.
Die Rechtspflegerin hat daraufhin die Sache unter Hinweis darauf, dass es sich bei der Regelung in Ziffer IX. des Überlassungsvertrages um eine Verfügung von Todes wegen handeln könnte, der Nachlassrichterin vorgelegt. Nachdem diese mit Verfügung vom 05.04.2022 unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 RPflG und dem Hinweis, dass es sich nicht um eine letztwillige Verfügung handeln dürfe, die Sache der Rechtspflegerin zur weiteren Bearbeitung wieder vorgelegt hat, hat diese mit Beschluss vom 06.04.2022 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Der angefochtene Beschluss leidet nicht bereits an einem zu seiner Unwirksamkeit führenden Verfahrensfehler. Die Rechtspflegerin war, obwohl der Senat davon ausgeht, dass eine letztwillige Verfügung vorliegt (dazu unter Ziffer 2.) berechtigt, den Feststellungsbeschluss zu treffen. Zwar ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflg die Erteilung von Erbscheinen - soweit eine Verfügung von Todes wegen vorliegt - dem Richter vorbehalten. Auch in diesem Fall kann der Richter die Erteilung des Erbscheins dem Rechtspfleger übertragen, wenn deutsches Erbrecht anzuwenden ist und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen ist (§ 16 Abs. 3 Satz 1 RPflg). Die Nachlassrichterin hat die Sache nach Vorlage durch die Rechtspflegerin dieser durch Verfügung vom 05.04.2022 ausdrücklich zugeschrieben und damit von ihrer Befugnis nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 RPflG Gebrauch gemacht. Daran war die Rechtspflegerin nach §16 Abs. 3 S.2 RPflG gebunden (vgl. Senatsbeschluss vom 14.05.2013, 3 W 20/13; OLG Hamm, Beschluss vom 15. September 2011 - I-15 Wx 332/10 -, juris).
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Der beantragte Erbschein kann so nicht erteilt werden, da der Beteiligte zu 1 nicht (Mit)erbe der Erblasserin geworden ist.
Er wurde durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1938 BGB).
Ziffer IX. 9 Abs. 1 des Überlassungsvertrages ist dahingehend auszulegen (§ 133 BGB), dass der Beteiligte zu 1 nichts mehr aus dem Nachlass erhalten sollte, also nach § 1938 BGB enterbt werden sollte.
a) Der notarielle Überlassungsvertrag genügt den Anforderungen, die an ein ordentliches Testament nach §§ 2231 Nr. 1, 2231 BGB zu stellen sind. Dass der Überlassungsvertrag nicht auch als Testament bezeichnet worden ist, steht dem nicht entgegen.
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann in der unentgeltlichen Zuwendung eines Vermögenswertes in einem notariellen Überlassungsvertrag, die "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich" erfolgt, zugleich eine Enterbung mit bloßer Pflichtteilsberechtigung liegen (BGH, Urteil vom 27.01.2010, IV ZR 91/09). Entscheidend ist der im Auslegungsweg zu ermittelnde Erblasserwille, ob mit der Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers gewünscht war und im Übergabevertrag fest...