Entscheidungsstichwort (Thema)
Irrtümliche Bezahlung einer Konkursforderung als Masseschuld
Leitsatz (redaktionell)
1. Zahlt der Konkursverwalter aufgrund einer Rechnung bzw. eines Gebührenbescheids Wasser- und Abwassergebühren des Gemeinschuldners irrtümlich als Masseschulden statt sie zur Tabelle anzumelden, hat er gegen den Dienstleister einen Rückzahlungsanspruch gem § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, weil der Irrtum des Konkursverwalters zu Lasten dessen gehen muss, der auf das aus der Masse Erlangte grundsätzlich keinen Anspruch hat, jedenfalls nicht im Wege der Vorwegbefriedigung. Dies dient dem Schutz der Masse und damit der Massegläubiger.
2. Begründet ist ein Anspruch nicht erst mit dessen Fälligkeit; es genügt, wenn vor Konkurseröffnung die Grundlagen des Schuldverhältnisses gelegt worden sind, aus denen sich während des Konkurses später der eigentliche Anspruch ergibt. In einem Fall, in dem der Vertragspartner des Gemeinschuldners vor Konkurseröffnung ihm obliegende teilbare Leistungen zum Teil erbracht hat, muss die Masse für die entsprechenden Gegenleistungen nicht aufkommen.
Normenkette
BGB § 812; KO §§ 57ff, 3 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 82
Verfahrensgang
LG Cottbus (Aktenzeichen 3 O 270/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.1.2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter – des LG Cottbus, Az.: 3 O 270/00, abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.461,96 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14.8.2000 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer für den Beklagten: 22.461,96 DM.
Tatbestand
Mit einer an die Gemeinschuldnerin übermittelten Rechnung bzw. einem Gebührenbescheid vom 10.2.1999 machte der Beklagte ggü. der Gemeinschuldnerin, über deren Vermögen unter dem 9.2.1999 das Konkursverfahren eröffnet worden war, für das Jahr 1998 ca. 8.000 DM für die Lieferung von Wasser und ca. 15.000 DM an Abwassergebühren geltend. Als Fälligkeitstermin der Forderungen wurde der 12.3.1999 angegeben. Mit Schreiben vom 30.3.1999 mahnte der Beklagte die Gemeinschuldnerin unter Hinweis auf den Fälligkeitstermin unter Festsetzung zum 16.4.1999. Am 30.4.1999 zahlte der Kläger einen Betrag i.H.v. 22.461,96 DM und forderte nach der Zahlung eine Kopie der Rechnung des Beklagten an, die ihm am 27.7.1999 per Fax übermittelt wurde. Nachdem er den Beklagten mit Schreiben vom 28.7.1999 vergeblich zur Rückzahlung aufgefordert hat, hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, die aus dem Jahre 1998 stammenden Forderungen seien Konkursforderungen, die er unter Hinweis auf das in der Mahnung angegebene Fälligkeitsdatum irrtümlich als Masseschuld gezahlt habe. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers führte zur Abänderung des Urteils und zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch ist begründet aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.
Durch die vom Kläger vorgenommene Zahlung der Rechnung des Beklagten betreffend die Lieferung von Wasser bzw. des Gebührenbescheides betreffend die Abwasserentsorgung vom 10.2.1999 hat der Beklagte etwas durch Leistung des Klägers erlangt. Dies erfolgte auch ohne Rechtsgrund.
1. Nach herrschender Ansicht kann die irrtümliche Bezahlung einer Konkursforderung als Masseschuld zu einem Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung führen (RGZ 23, 54 [61]; BAG DB 1979, 847; Hess, KO, 6. Aufl., § 57 Rz. 5; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 57 Rz. 4; Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., § 812 Rz. 82). Soweit das LG den Rechtsgrund für die Zahlung aus dem Grundverhältnis hergeleitet hat (vgl. dazu auch LG Stuttgart v. 25.1.1985 – 9 O 286/84, ZIP 1985, 1518 [1519]), hier also aus dem an die Gemeinschuldnerin gerichteten Gebührenbescheid bzw. dem zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten bestehenden Vertragsverhältnis, so vermag sich der Senat dieser Betrachtungsweise i.E. nicht anzuschließen. Das LG Stuttgart hat seine Auffassung damit begründet, dass die Bestimmungen der Konkursordnung Verfahrensvorschriften darstellen würden, bei deren Verletzung sich der Konkursverwalter nach § 82 KO schadensersatzpflichtig mache. Gerade der Umstand, dass sich der Konkursverwalter bei falscher Anwendung der Konkursordnung ggü. den Gläubigern der Gemeinschuldnerin schadensersatzpflichtig mache, weise darauf hin, dass trotz Verstoßes gegen §§ 57 ff. KO dennoch eine mit Rechtsgrund bewirkte Leistung vorliegen könne. Diese Auffassung wird dem Umstand nicht hinreichend gerecht, dass die §§ 57 ff. KO dem Schutz der Massegläubiger dienen. Dieser Schutz gebietet es, dass Irrtümer des Konkursverwalters, die diesen Vorschriften zuwiderlaufen, korrigierbar sein müssen, und zwar zu Lasten dessen, der auf das aus der Masse Erlangte grundsätzlich keinen Anspruch hat...