Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) in der Zeit vom 1.9.1973 bis zum 30.6.1985 aufgrund Beschäftigung.
Der 1967 geborene Kläger bezieht seit dem 1.6.2009 von der beigeladenen Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ua auf der Grundlage von Pflichtbeitragszeiten ab dem 1.7.1985. Bei der beklagten Krankenkasse beantragte er die Feststellung, dass in der Zeit vom 1.9.1973 bis zum 30.6.1985 Sozialversicherungs- und Beitragspflicht vorgelegen habe, weil er in den Betrieben seines Vaters "Kinderzwangsarbeit" verrichtet habe, für die weder Lohn noch Beiträge gezahlt worden seien. Die Beklagte stellte fest, dass im genannten Zeitraum kein die Sozialversicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Der damals 6- bis 17-jährige Kläger sei im Rahmen der familienhaften Mitarbeit tätig geworden, für die keine Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten gewesen seien (Bescheid vom 8.8.2013). Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 8.11.2013).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.10.2018). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 18.11.2021). Die Beklagte habe als zuständige Einzugsstelle zu Recht ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers im genannten Zeitraum abgelehnt. Bei dieser Beurteilung komme der - hier fehlenden - Entgeltlichkeit der Tätigkeit eine herausragende Bedeutung zu. Wegen des regelmäßig einer Beschäftigung zugrunde liegenden Erwerbszwecks sei die Entgeltlichkeit Typus bildend. Zudem seien die von dem Kläger angegebenen Tätigkeiten nicht über eine familienhafte Mithilfe hinausgegangen. Seine Ausführungen zu Art, Umfang und einzelnen Umständen der Tätigkeiten im elterlichen Betrieb seien weitgehend spekulativ geblieben und - auch unter Berücksichtigung der vorliegenden schriftlichen Erklärungen von im Betrieb anwesenden Personen - nicht objektiv belegbar.
Der Kläger beantragt mit einem (auch) von ihm unterzeichneten Schreiben vom 8.3.2022 Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil des LSG unter Beiordnung eines vom Gericht auszuwählenden Rechtsanwalts.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 und § 121 Abs 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Nach § 160 Abs 2 SGG darf das BSG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des Klägers haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes ergeben, den ein Rechtsanwalt im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde darlegen oder bezeichnen könnte.
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten ist - Klärungsfähigkeit (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 6 mwN). Dass die angefochtene Entscheidung des LSG eine abstrakt-generelle klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) mit Breitenwirkung aufwerfen würde, ist nicht zu erkennen. Wie der Kläger selbst ausführt, hängt die Frage, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder familiäre Mithilfe vorgelegen hat, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl hierzu ausführlich Schlegel, Familiäre Mitarbeit und beitragspflichtige Beschäftigung, in: Arbeit, Recht, Politik und Geschichte, Festschrift für Kittner, Frankfurt am Main 2021, S 314 ff mwN).
Soweit der Kläger auf seinen Vortrag zu den Vereinbarungen mit seinem Vater und die Annahme falscher Voraussetzungen und unrichtig gezogener Konsequenzen durch das LSG verweist, geht es gerade nicht um abstrakte Rechtsfragen, sondern um die Überzeugungsbildung des Gerichts aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) und die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel könnte hierauf nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind dazu nicht erkennbar. Auch verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit innerfamiliärer Verträge aufgrund von Missbrauchsmöglichkeiten strenge Anforderungen zu stellen (vgl hierzu BVerfG Kammerbeschluss vom 7.11.1995 - 2 BvR 802/90 - juris RdNr 21).
Soweit der Kläger meint, in einer den "Pflichtrahmen des Üblichen" der familienhaften Mithilfe nach § 1619 BGB übersteigenden Tätigkeit liege eine für vertragliches Tätigwerden streitende Vermutung, könnte auch daraus ein Rechtsanwalt keine abstrakte Rechtsfrage ableiten, die für die Entscheidung im Falle des Klägers erheblich werden könnte. Es ist höchstrichterlich bereits hinreichend geklärt, dass die Entgeltlichkeit der Tätigkeit "zwar kein absolut zwingendes Kriterium abhängiger Beschäftigung" ist, "jedoch ist sie Typus bildend für die abhängige Beschäftigung, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde" (BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31, RdNr 31; vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 7.11.1995 - 2 BvR 802/90 - juris RdNr 23). Darüber hinaus führt abhängige Beschäftigung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung, nach § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung, nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III in der Arbeitslosenversicherung und nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der GRV nur dann zur Versicherungspflicht, wenn sie gegen Arbeitsentgelt ausgeübt wird. Ob und unter welchen Voraussetzungen daher dem Umfang der Tätigkeit überhaupt noch ausschlaggebendes Gewicht zukommen könnte, wenn es - wie hier - bereits an der Entgeltlichkeit der Tätigkeit mangelt, kann dahinstehen. Jedenfalls ließe sich selbst dann, wenn sich ein "Pflichtrahmen des Üblichen" für die familienhafte Mithilfe definieren ließe, daraus wegen der erforderlichen Gesamtabwägung der Einzelfallumstände keine über den Einzelfall hinausgehende abstrakte Rechtsfrage formulieren, die im vorliegenden Fall entscheidungserheblich werden könnte.
Darüber hinaus liegen nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat im Falle der Zulassung der Revision nach § 163 SGG gebunden wäre, keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Tätigkeit in einem solchen Umfang vor. Vielmehr hat das LSG hierzu ausdrücklich ausgeführt, dass insbesondere die Ausführungen des Klägers zum Umfang seiner Tätigkeiten im elterlichen Betrieb weitgehend spekulativ und objektiv nicht belegbar geblieben seien.
Soweit der Kläger ausführt, die unterschiedlichen Bezeichnungen seiner Tätigkeit einerseits als "Zwangsarbeit" andererseits als freiwillige Tätigkeit seien allein seiner Emotionalität und seinem subjektiven Empfinden geschuldet, betrifft auch dies die allein den Tatsachengerichten vorbehaltene Würdigung der vorgetragenen Tatsachen (§ 128 Abs 1 Satz 1 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ohne dass sich daraus eine abstrakte Rechtsfrage herleiten ließe.
Schließlich kann auch aus seinem Vorbringen zur Vertretungsbefugnis eines Vorsorgebevollmächtigten keine entscheidungserhebliche und in einem Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage hergeleitet werden. Inwieweit sich in diesem Zusammenhang im Revisionsverfahren eine für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage stellen sollte, ist nicht zu erkennen.
2. Hinweise darauf, dass das Berufungsurteil iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG oder des GmSOGB oder des BVerfG abweichen würde, sind ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere hat das LSG seine Entscheidung unter Würdigung der tatsächlichen Gesamtumstände des Einzelfalls begründet. Eine mögliche Divergenz zur Rechtsprechung des BGH oder eines LSG könnte die Zulassung der Revision von vornherein nicht begründen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Auch im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit der Beklagten ist eine Divergenz zur Rechtsprechung eines der in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bezeichneten Bundesgerichte nicht erkennbar.
3. Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, nicht zu erkennen. Insbesondere kann ein Verfahrensmangel auf die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG nur gestützt werden, wenn das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Auch bei einem nicht anwaltlich vertretenen Kläger ist das aber nur anzunehmen, wenn sich das LSG zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18d mwN). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil nicht erkennbar war, zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen im Einzelnen die vom Kläger benannten Zeugen hätten aussagen sollen. Die Ablehnung von Beweisermittlungsanträgen stellt keinen Verfahrensfehler dar. Das Gericht ist nicht zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" verpflichtet, sondern nur zu solchen, die nach Lage der Sache erforderlich sind (vgl zB BSG Beschluss vom 17.10.2018 - B 9 V 20/18 B - juris RdNr 19). Auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen (BVerfG Kammerbeschluss vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 - juris RdNr 19; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 279/16 B - juris RdNr 21) besteht keine Verpflichtung, jeder Behauptung nachzugehen.
Vor dem Hintergrund der eigenen Angaben des Klägers sowie der von ihm vorgelegten schriftlichen Erklärungen im Betrieb seines Vaters anwesender Personen erscheinen die von ihm darüber hinausgehend noch begehrten Zeugenvernehmungen als Ermittlungen "ins Blaue hinein", für die es vom hier allein maßgeblichen Rechtsstandpunkt des LSG aus keinen Anlass gab. Eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung liegt darin nicht (vgl hierzu BSG Beschluss vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - juris RdNr 11 mwN). Insbesondere ist auch nicht zu beanstanden, dass das LSG sich bereits aufgrund der Entgeltlosigkeit der Tätigkeit, der vom Kläger regulär beendeten Schullaufbahn und der gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung des Kindes zu familiärer Mithilfe entsprechend seinen Kräften und seiner Lebensstellung (§ 1619 BGB) zu weiteren Ermittlungen zum Umfang der Tätigkeiten des Klägers im elterlichen Betrieb nicht veranlasst sah.
Auch für einen Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens ergeben sich - auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags - keine Anhaltspunkte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
Fundstellen
Dokument-Index HI15414143 |