Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 07.03.2016; Aktenzeichen S 7 VE 31/13) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.03.2019; Aktenzeichen L 10 VE 19/16) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. März 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H. beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Anerkennung von weiteren Schädigungsfolgen über die bereits anerkannte "psychoreaktive Störung" hinaus sowie die Zuerkennung einer Beschädigtenrente nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes anlässlich im Alter von 14 bzw 15 Jahren in ca sieben bis zwölf Fällen erlittener sexueller Übergriffe. Diesen Anspruch hat das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG verneint, weil nach Durchsicht der Akte und den Ausführungen des zweitinstanzlich auf Antrag des Klägers gehörten Psychiaters Dr. S. nicht festgestellt werden könne, dass die bei dem Kläger unzweifelhaft vorliegenden psychiatrischen Erkrankungen auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen seien. Dr. S. habe sich vielmehr im Wesentlichen den Ausführungen der zuvor gehörten Psychiater Dr. B. und Dr. R. angeschlossen und ausgeführt, wie diese Kollegen sehe er zwar durchaus erhebliche psychiatrische Erkrankungen bei dem Kläger, diese seien aber nicht auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen (Urteil vom 28.3.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt und zugleich Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. gestellt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz sowie das Vorliegens eines Verfahrensmangels geltend.
II
1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist hier nicht der Fall. Damit entfällt zugleich der Anspruch des Klägers auf Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Rahmen von PKH (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 20.5.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht der in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (zum Ganzen BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält sinngemäß folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
Wie hat sich das Gericht zu verhalten, wenn unterschiedliche Gutachten/Stellungnahmen vorliegen, die jeweils zu anderen Ergebnissen gelangen, die jedoch für den Verfahrensausgang essentiell wichtig sind?
Damit hat der Kläger jedoch keine Rechtsfrage iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Vielmehr zielt die Fragestellung auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich Fragen der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung. Die Zulassung der Revision kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG aber nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verstoßen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG ist die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein Beschwerdeführer kann diese gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht dadurch umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - Juris RdNr 5). Der Kläger zeigt nicht auf, dass es hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.
b) Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (stRspr, zB BSG Beschluss vom 13.12.2017 - B 5 R 256/17 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 13 R 140/17 B - Juris RdNr 12 f). Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger trägt vor, die Divergenz beruhe darauf, dass im vorliegenden Fall unterschiedliche Gutachten/Stellungnahmen existierten, die jeweils zu einem anderen Ergebnis gelangten. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger jedoch keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bezeichnet. Er behauptet nicht einmal, dass das LSG von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweiche.
c) Der Kläger hat auch den geltend gemachten Verfahrensmangel wegen fehlender Sachaufklärung (§ 103 SGG) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann aber nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG nicht - wie oben bereits ausgeführt - auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden. Letzteres ist hier der Fall, soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung vorträgt, das LSG sei zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen und er deshalb mit der Auswertung und Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten durch das Berufungsgericht nicht einverstanden (vgl BSG Beschluss vom 10.1.2005 - B 1 KR 69/03 B - Juris RdNr 8). Auf den Verfahrensfehler einer unterlassenen Sachaufklärung (§ 103 SGG) kann sich der Kläger schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er keinen vor dem LSG aufrechterhaltenen Beweisantrag benannt hat, den dieses übergangen haben könnte (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG; zu den Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge siehe hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - Juris RdNr 3).
3. Schließlich war der Senat nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten des Klägers entsprechend seiner Bitte in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, "soweit weitere Ausführungen als nötig erachtet werden", vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7). Dies ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch anhand von mehreren durchgeführten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bekannt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13319214 |