Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. August 2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Kosten der Unterkunft und Heizung bezogen auf einen Zeitraum, in dem der Beklagte diese wegen einer Sanktion gegen den mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden Sohn gekürzt hat (Bescheid vom 22.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 12.11.2014). Während sie mit ihrer Klage vor dem SG erfolgreich war (Urteil vom 8.3.2017), hat das LSG die Klage unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen (Urteil vom 27.8.2019). Gegen das ihr am 9.10.2019 zugestellte Urteil des LSG hat die Klägerin am 14.10.2019 Revision eingelegt; sie hat diese jedoch erst mit einem am 6.1.2020 beim BSG eingegangenen Schriftsatz begründet und beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung des Antrags zur Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
Zu ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand trägt die Klägerin vor, ihrem Bevollmächtigten sei die Akte am 9.12.2019 vorgelegt worden. Er habe einen Antrag zur Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gefertigt und unterschrieben. Die Akte mit seiner schriftlichen Verfügung habe er an seine Mitarbeiterin, Frau K., mit der Bitte gegeben, den Fristablauf, der sich aus dem Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ergebe (9.1.2020), in den elektronischen Fristenkalender einzutragen, den Schriftsatz zur Fristverlängerung per Fax zu versenden und das Original mit der übrigen Gerichtspost in den Briefkasten einzuwerfen. Diese habe es unterlassen, den Schriftsatz zu faxen und versandbereit zu machen. Tatsächlich sei die Akte dann in den Aktenschrank gelangt. Frau K. habe die elektronisch ursprünglich notierte Frist verändert, sodass die Akte bei der regelmäßigen Fristenkontrolle durch den Bevollmächtigten abends nicht mehr auffindbar gewesen sei. Dieses Versehen sei erst durch ein am 23.12.2019 bei dem Bevollmächtigten eingegangenen Schreiben des BSG vom 16.12.2019 entdeckt worden.
II
Die nicht in der gesetzlichen Frist begründete Revision ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 und 3 SGG). Nach § 164 Abs 2 Satz 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 164 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Klägerin hätte ihre Revision, die sie rechtzeitig gegen das ihr am 9.10.2019 mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung zugestellte LSG-Urteil eingelegt hat, bis zum Ablauf des 9.12.2019 begründen müssen. Dem genügt die erst am 6.1.2020 beim BSG eingegangene Revisionsbegründung nicht.
Der Klägerin ist auch nicht antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 und 2 SGG).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat schuldhaft die Revisionsbegründungsfrist versäumt, weil sie sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO). Ein Wiedereinsetzungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt an Ausführungen dazu, aus welchen Gründen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin davon ausgehen konnte, dass der am letzten Tag einer ablaufenden Revisionsbegründungsfrist gestellte Antrag automatisch zu einer Verlängerung dieser Frist führen konnte. Die in der Praxis regelmäßig erfolgende Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist um einen Monat nach § 164 Abs 2 Satz 2 SGG, über die von dem bzw der Vorsitzenden des Senats nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden wird, erfordert das Vorbringen eines plausiblen Grundes hierfür (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 164 RdNr 8). Schon ein solcher Grund ist hier nicht bezeichnet. Auch hätte durch organisatorische Vorkehrungen sichergestellt werden müssen, dass der Bevollmächtigte eine Kontrolle über den maßgebenden Vorgang einer Verlängerung der Frist des § 164 Abs 2 Satz 2 SGG behält und die Löschung bzw der Neueintrag einer Frist zur Begründung der Revision in den elektronischen Fristenkalender erst erfolgt, wenn eine solche Fristverlängerung gerichtlich bestätigt ist (vgl BSG vom 28.6.2018 - B 1 KR 59/17 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 15 = juris RdNr 9 zur geforderten Überprüfungssicherheit auch bei einer elektronischen Kalenderführung). Die Überwachung von Fristen im Revisionsverfahren gehört regelmäßig nicht zu den delegierbaren Routineangelegenheiten, sodass gesteigerte Anforderungen bestehen (vgl etwa BSG vom 1.11.2017 - B 14 AS 26/17 R - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 5.12.2017 - B 12 P 2/16 R - juris RdNr 11). Insgesamt kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden iS des § 67 Abs 1 SGG verhindert war, die Frist zur Revisionsbegründung einzuhalten, wenn er die Löschung des ursprünglichen Fristablaufs veranlasste, ohne die Antwort des Gerichts auf seinen Antrag abzuwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14048113 |