Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenz. Verletzung des Fragerechts. Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen einer geltend gemachten Divergenz müssen die Rechtssätze, die miteinander verglichen werden sollen, dieselbe Rechtsfrage und im entscheidungserheblichen Kern inhaltsgleiche Rechtsvorschriften betreffen und die Fallkonstellationen, über die Bundes- und Instanzgerichte entschieden haben, gleich, vergleichbar oder zumindest gleich gelagert sein und dieselben oder jedenfalls vergleichbare Rechtsaussagen enthalten.
2. Um die Verletzung des Fragerechts ordnungsgemäß zu rügen, muss ein Beteiligter darlegen, dass er die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte des Sachverständigengutachtens dem Gericht rechtzeitig schriftlich mitgeteilt hat, dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und dass er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat; das Fragerecht nach § 116 S. 2 SGG bzw. § 411 Abs. 4 ZPO erfordert zwar nicht die Formulierung von Fragen, die erläuterungsbedürftigen Punkte, z.B. Lücken oder Widersprüche, müssen aber hinreichend konkret bezeichnet werden.
3. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist im Hinblick auf das Erfordernis „ohne hinreichende Begründung” nicht formell, sondern materiell im Sinne von „ohne hinreichenden Grund” zu verstehen; entscheidend ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind.
Normenkette
SGG §§ 62, 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, §§ 103, 106, 109, 116 S. 2, § 118 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 160a Abs. 1, 2 S. 3, Abs. 4 S. 2, §§ 163, 169 Sätze 2-3, § 177; ZPO §§ 114, 121, 397, 402, 411 Abs. 4; GG Art. 103 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H, K, beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Anträge des Klägers, ihm für die Verfahren der Revision gegen das vorbezeichnete Urteil und der Nichtzulassungsbeschwerde und Revision gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H, K, beizuordnen, werden abgelehnt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss und die Revisionen des Klägers werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger in einem erneuten Überprüfungsverfahren ua die Anerkennung eines Ereignisses vom 23.3.1999 als Arbeitsunfall. Das LSG hat den wiederholten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des SG vom 13.4.2018 in der mündlichen Verhandlung abgelehnt (Beschluss vom 23.5.2023). Sodann hat es die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 23.5.2023).
Gegen beide Entscheidungen des LSG hat der Kläger beim BSG privatschriftlich Nichtzulassungsbeschwerde und Revision eingelegt und beantragt, ihm für diese Verfahren jeweils PKH unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen (B 2 U 7/23 BH). Mit einer weiteren Beschwerde wendet sich der Bevollmächtigte des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG. Das Verfahren ist sodann insgesamt unter dem gegenständlichen Aktenzeichen B 2 U 76/23 B fortgeführt worden.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist abzulehnen (dazu 1.). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (dazu 2.). Die weiteren so verstandenen Anträge des Klägers auf Bewilligung von PKH für ein Beschwerdeverfahren sowie für ein Revisionsverfahren gegen den Beschluss des LSG vom 23.5.2023 als auch für ein Revisionsverfahren gegen das Urteil des LSG vom 23.5.2023 sind abzulehnen (dazu 3.). Diese vom Kläger privatschriftlich eingelegten Rechtsmittel sind als unzulässig zu verwerfen (dazu 4.).
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG vom 23.5.2023 unter Beiordnung von Rechtsanwalt H wird abgelehnt.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, können auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO).
Daran fehlt es. Die durch den beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und hat daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (dazu 2).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt auch die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
a) Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Um eine Abweichung aufzuzeigen, muss dargelegt werden, dass das LSG im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat. Eine Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Schließlich bedarf es der Darlegung, weshalb die aufgezeigten Rechtssätze nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht. Hierfür muss auch aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird. Indes genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG in seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hat. Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; vgl BSG Beschlüsse vom 31.5.2023 - B 2 U 136/22 B - juris RdNr 9, vom 24.5.2023 - B 2 U 77/22 B - juris RdNr 18 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Rechtssätze, die miteinander verglichen werden sollen, müssen dieselbe Rechtsfrage und im entscheidungserheblichen Kern inhaltsgleiche Rechtsvorschriften betreffen. Zudem müssen die Fallkonstellationen, über die Bundes- und Instanzgerichte entschieden haben, gleich, vergleichbar oder zumindest gleich gelagert sein und dieselben oder jedenfalls vergleichbare Rechtsaussagen enthalten (BSG Beschlüsse vom 25.9.2023 - B 2 U 167/22 B - juris RdNr 9 mwN, vom 12.4.2023 - B 2 U 50/22 B - juris RdNr 14 und vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 15, jeweils mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160a RdNr 87 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger rügt, das LSG sei mit der Ablehnung einer Anhörung der vom Kläger benannten erstinstanzlichen Sachverständigen (§ 109 SGG) in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG von einer Entscheidung des BSG abgewichen, wonach das Fragerecht der Beteiligten (§ 116 Satz 2 SGG) unabhängig davon bestehe, ob es sich um ein Gutachten nach § 109 SGG handele (BSG Beschluss vom 20.7.2005 - B 13 RJ 58/05 B). Das BSG differenziere nach einem Antragsrecht nach § 109 SGG einerseits und einem Fragerecht gemäß § 116 Satz 2 SGG andererseits. Nach der Rechtsprechung des BSG könne das Antragsrecht nach § 109 SGG durch einen in erster Instanz gestellten Antrag gemäß § 109 SGG verbraucht sein. Bezüglich eines Fragerechts gemäß § 116 Satz 2 SGG könne ein derartiger Verbrauch hingegen nicht eintreten. Offenkundig in Widerspruch dazu gehe das LSG vorliegend davon aus, dass dem Kläger kein Fragerecht gemäß § 116 Satz 2 SGG zustehen könne, weil auch dieses verbraucht sei.
Mit diesem Vortrag bezeichnet die Beschwerdebegründung indes bereits keinen abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG, mit dem dieses ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sein und diese dadurch infrage gestellt haben soll. Die zitierte Rechtsprechung des BSG hatte die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) auch für das Fragerecht (§ 116 Satz 2 SGG) bei Gutachten nach § 109 SGG zum Gegenstand. Die wiedergegebene Passage des Urteils des LSG stellt dies auch nach dem Vortrag des Klägers nicht in Frage. Vielmehr verneint sie im konkreten Fall des Klägers ein Fragerecht in der Berufungsinstanz, weil das Gutachten nach § 109 SGG bereits in der ersten Instanz eingeholt worden ist und eine instanzübergreifende Ausnahme nicht gegeben sei. Mit den formulierten Passagen der Beschlüsse des BSG und des Urteils des LSG ist insoweit mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte eine Abweichung im Grundsätzlichen nicht schlüssig aufgezeigt. Der Kläger hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das BSG - wie vom LSG angenommen - das Fragerecht grundsätzlich auf Gutachten (§ 106, § 109 SGG) beschränkt, die im selben Rechtszug eingeholt wurden und ob es von diesem Grundsatz Ausnahmen zulässt. Zu dieser gefestigten Rechtsprechung, wonach der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen erst im Berufungsverfahren nur in Ausnahmen nicht als verspätet gilt (vgl § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411 Abs 4 ZPO: "innerhalb eines angemessenen Zeitraums"), enthält die Beschwerdebegründung indes keinen Vortrag (zB BSG Beschlüsse vom 6.9.2023 - B 2 U 90/22 B - juris RdNr 20 mwN, vom 24.5.2023 - B 2 U 77/22 B - juris RdNr 7 und vom 5.5.1998 - B 2 U 305/97 B - juris RdNr 3, jeweils mwN). Sofern im Kern der Vorwurf einer fehlerhaften Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anhörung eines erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen im Berufungsverfahren erhoben wird, begründet dieser Vorwurf eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) keine Divergenzrüge.
b) Einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) in Gestalt des Fragerechts (§ 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO), zeigt der Kläger mit seinem Vorbringen indes nicht auf.
Um die Verletzung des Fragerechts ordnungsgemäß zu rügen, muss ein Beteiligter darlegen, dass er die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte des Sachverständigengutachtens dem Gericht rechtzeitig (§ 411 Abs 4 ZPO) schriftlich mitgeteilt hat, dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und dass er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat. Das Fragerecht nach § 116 Satz 2 SGG bzw § 411 Abs 4 ZPO erfordert zwar nicht die Formulierung von Fragen. Die erläuterungsbedürftigen Punkte, zB Lücken oder Widersprüche, müssen aber hinreichend konkret bezeichnet werden (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 6.9.2023 - B 2 U 90/22 B - juris RdNr 16, vom 24.5.2023 - B 2 U 77/22 B - juris RdNr 17 und vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7; jeweils mwN). Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung enthält über die bloße Rüge der unterbliebenen Ladung der erstinstanzlichen Sachverständigen hinaus keinen Vortrag zu den dargelegten Voraussetzungen. Zwar sind an einen Beteiligten, der im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten ist, hinsichtlich der Geltendmachung eines Begehrens weniger strenge Anforderungen zu stellen (vgl allgemein zB BSG Beschluss vom 6.11.2023 - B 2 U 170/22 B - juris RdNr 17 mwN). Indes muss aus dem anwaltlichen Vorbringen in einer Nichtzulassungsbeschwerde hinreichend schlüssig hervorgehen, dass es sich um ein objektiv sachdienliches Begehren gehandelt hat. Sachdienlich iS von § 116 Satz 2 SGG sind Fragen, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind. Die Beschwerdebegründung hätte daher aufzeigen müssen, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn eine Anhörung der erstinstanzlichen Sachverständigen hätte bringen können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der vom Kläger wiedergegebenen Ausführungen des LSG dazu, dass und aus welchen Gründen es das Gutachten dieser Sachverständigen für nicht überzeugend hält. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung indes keinen Vortrag. Allein die vom Kläger benannte Möglichkeit zur Verteidigung oder bloßen Erläuterung der sachverständigen Ansicht in der mündlichen Verhandlung genügt für eine Sachdienlichkeit nicht. Dies zielt auf die Beeinflussung der nicht rügefähigen Beweiswürdigung durch das LSG ab (§ 128 Abs 1 Satz 1, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG), nicht jedoch auf die vom Fragerecht erfasste Klärung des geltend gemachten Anspruchs (zB BSG Beschlüsse vom 6.9.2023 - B 2 U 90/22 B - juris RdNr 21, vom 24.5.2023 - B 2 U 117/22 B - juris RdNr 7 und vom 14.12.2022 - B 2 U 1/22 B - juris RdNr 11, jeweils mwN).
Fehlen insoweit bereits ausreichende Angaben, bedarf es keiner weiteren Darlegung, ob und unter welchen Voraussetzungen vorliegend ausnahmsweise ein Anspruch auf (weitere) Befragung der in der Vorinstanz beauftragten Sachverständigen bestanden hätte.
c) Soweit der Kläger am Rande anführt, Beweisanträge zum Zwecke weiterer Sachaufklärung - ua in Form von Zeugenbefragungen, Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG und Beiziehung von Befunden - gestellt zu haben, bezeichnet er auch damit keine rügefähigen Verfahrensmängel. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist im Hinblick auf das Erfordernis "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen (zB BSG Beschlüsse vom 6.9.2023 - B 2 U 90/22 B - juris RdNr 14, vom 21.3.2023 - B 2 U 148/22 B - juris RdNr 8 und vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6 = juris RdNr 2). Entscheidend ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind. Zu den Anträgen jenseits der nicht rügefähigen Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG enthält die Beschwerdebegründung indes diesbezüglich keinen weiteren Vortrag. Sie zeigt insbesondere nicht den maßgeblichen sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG auf. Erforderlich wäre die Darstellung des vom LSG festgestellten (§ 163 SGG) entscheidungserheblichen Sachverhaltes einschließlich der Verfahrensgeschichte gewesen, um das Beschwerdegericht in die Lage zu versetzen, den Standpunkt des LSG nachzuvollziehen und das Vorliegen eines Aufklärungsmangels zu bewerten (zB BSG Beschlüsse vom 1.12.2022 - B 2 U 67/22 B - juris RdNr 13 und vom 17.5.2022 - B 2 U 91/21 B - juris RdNr 8 mwN). Dies wäre insbesondere im Hinblick auf die wiedergegebene Begründung des LSG dazu erforderlich gewesen, dass es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat, zB weil die Beweisanträge bereits aufgeklärte und erwiesene bzw als wahr unterstellte Tatsachen betroffen hätten oder untaugliche Beweismittel benannt worden seien (vgl dazu zB BSG Beschlüsse vom 26.5.2020 - B 2 U 214/19 - juris RdNr 7, vom 26.11.2019 - B 2 U 122/19 B - juris RdNr 6, vom 7.6.2023 - B 1 KR 11/22 B - juris RdNr 17 und vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10, jeweils mwN). Nicht maßgeblich sind dagegen Ausführungen dazu, dass der Kläger aus seiner Sicht weiteren Aufklärungsbedarf angenommen hat. Soweit er sich damit auch gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz wendet, vermag dies die Zulassung der Revision ohnehin nicht zu begründen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG).
d) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
e) Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
3. Die weiteren Anträge des Klägers auf Bewilligung von PKH für ein Beschwerdeverfahren sowie für ein Revisionsverfahren gegen den Beschluss des LSG vom 23.5.2023 als auch für ein Revisionsverfahren gegen das Urteil des LSG vom 23.5.2023 sind abzulehnen. Der Senat legt das Vorbringen des Klägers dahin aus, dass er an diesen Anträgen festhält und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.
Die Anträge sind abzulehnen, weil die vom Kläger begehrten Rechtsmittel einer Beschwerde und der Revisionen gegen den Beschluss des LSG vom 23.5.2023 sowie gegen das Urteil vom 23.5.2023 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO) (dazu 4.). Mit der Ablehnung der Anträge auf Bewilligung von PKH entfällt auch die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
4. Die vom Kläger privatschriftlich eingelegten Rechtsmittel der Beschwerde und der Revision gegen den Beschluss des LSG vom 23.5.2023 (dazu a) sowie der Revision gegen das Urteil des LSG vom 23.5.2023 (dazu b) sind unzulässig.
a) Die Beschwerde und die Revision gegen den Beschluss des LSG vom 23.5.2023 über die Ablehnung von PKH für das Berufungsverfahren sind nicht statthaft. Gemäß § 177 SGG können Entscheidungen des LSG - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Sonderregelungen in § 160a Abs 1 SGG (Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision) und § 17a Abs 4 Satz 4 GVG (Rechtswegbeschwerde) - nicht mit einem Rechtsmittel an das BSG angefochten werden. Darauf ist der Kläger zutreffend in dem Beschluss des LSG hingewiesen worden.
b) Die Revision gegen das Urteil des LSG vom 23.5.2023 ist ebenfalls nicht statthaft. Nach § 160 Abs 1 SGG steht den Beteiligten die Revision gegen ein Urteil des LSG an das BSG nur zu, wenn sie zugelassen worden ist, und zwar entweder schon durch das LSG oder nachträglich durch Beschluss des BSG im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a SGG. Da das LSG die Revision in seinem Urteil nicht zugelassen hat und ein die Revision zulassender Beschluss des BSG (§ 160a Abs 4 Satz 1 SGG) nicht vorliegt (dazu 2.), ist die Revision des Klägers nicht statthaft und allein deswegen schon unzulässig. Überdies entspricht die Revision nicht der gesetzlichen Form, weil sie durch den Kläger selbst und nicht durch einen zur Vertretung vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) eingelegt worden ist.
Die Beschwerde und die Revisionen sind daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16233920 |