Verfahrensgang
SG Trier (Entscheidung vom 17.06.2021; Aktenzeichen S 2 BA 15/19) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.02.2022; Aktenzeichen L 6 BA 24/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1., 2. und 3.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 51 220,10 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 51 220,10 Euro anlässlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Gesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH in der Zeit von 2013 bis 2016.
Nach der Übertragung von Geschäftsanteilen durch notariellen Vertrag vom 10.8.2010 war der Beigeladene zu 1. Gesellschafter der klagenden GmbH mit einem Geschäftsanteil von 48,69 vH. Weiterer Gesellschafter war sein Vater. Gemeinsam mit ihm war der Beigeladene zu 1. auch ab 1.10.2010 Geschäftsführer der Klägerin. Hierfür erhielt er ein festes monatliches Gehalt in Höhe von 3850 Euro zzgl Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie gewinnabhängiger Tantieme. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege und forderte für die Jahre 2013 bis 2016 Beiträge in Höhe von 51 220,10 Euro nach (Bescheid vom 9.4.2018; Widerspruchsbescheid vom 17.6.2019). Das SG Trier hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.6.2021). Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1. habe aufgrund seines Geschäftsanteils von 48,69 vH nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verfügt, die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen. Der Geschäftsführervertrag weise typische Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auf (Urteil vom 16.2.2022). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Die Beschwerdebegründung vom 21.3.2022 stützt sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Klägerin formuliert auf Seite 14 ff der Beschwerdebegründung die Fragen,
"inwieweit im Rahmen der Berücksichtigung der Gegebenheit des Einzelfalls und der Frage der Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig im Sinne von sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen tatsächlich ganz wesentlich auf den Inhalt eines Geschäftsführervertrages abgestellt werden kann, wenn dieser steuerlichen Vorgaben entsprechend, inhaltlich dezidierte Regelungen bezüglich des Dienstverhältnisses enthalten muss",
"ob allein auf den Inhalt eines ‘steuerlich erzwungenen‘ Geschäftsführervertrages in Verbindung mit der Frage einer Mehrheitsgesellschaftserstellung und der Frage, ob eine qualifizierte Sperrminorität abgestellt werden kann, wenn de facto der Mitgesellschaftergeschäftsführer krankheitsbedingt seine Pflichten nicht wahrnehmen kann und damit auch seine Rechte nicht",
"inwieweit auch ein Minderheitengesellschafter, welcher nicht über eine qualifizierte Sperrminorität verfügt, bei tatsächlich vom Mitgesellschafter nicht wahrgenommener Gesellschaftsrechte und -pflichten quasi zum Alleingesellschaftergeschäftsführer im Hinblick auf die Gesellschafterversammlung und die damit einhergehenden Befugnisse rotiert und infolge dessen als Selbständiger zu qualifizieren ist", und
"ob tatsächlich nach Auffassung des Bundessozialgerichts es einzig und allein für die Einordnung einer abhängigen im Verhältnis zu einer unabhängigen Beschäftigung maßgeblich auf die Frage des Beteiligungsverhältnis an der Gesellschaft oder das Vorliegen einer qualifizierten Sperrminorität ankommt".
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig hiervon legt die Klägerin auch die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur Versicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern, auf die das LSG auf Seite 19 f des Urteils ausdrücklich hingewiesen hat, setzt sie sich nur dergestalt auseinander, dass sie vermeintliche Besonderheiten ihres konkreten Einzelfalls, insbesondere eine Erkrankung des weiteren Gesellschafter-Geschäftsführers, geltend macht. Auf die auch hinsichtlich vermeintlicher Besonderheiten ergangene Rechtsprechung des Senats (vgl ua BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32: Ausschluss einer Schönwetterselbstständigkeit; BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 22 f: keine Anerkennung von Kopf-und-Seele) geht sie allerdings nicht hinreichend ein. Soweit die Klägerin bemängelt, steuerrechtliche Gegebenheiten würden zu bestimmten (arbeits-)vertraglichen Regelungen zwingen, legt sie nicht dar, ob und welche Regelungen einen solchen Zwang bewirken oder ob bestimmte Vertragsgestaltungen lediglich dem Wunsch nach einer geringen Steuerbelastung geschuldet sind. Auch befasst sie sich nicht mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung: Selbst wenn eine gesellschaftsrechtliche Gestaltung aus Gründen der Steuerersparnis gewählt wurde, ändert dies nichts an ihrer Maßgeblichkeit auch für die sozialversicherungsrechtliche Versicherungspflicht. An eine gewählte rechtswirksame Vertragsgestaltung muss sich der Betroffene festhalten lassen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 18).
c) Schließlich legt die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dar. Insbesondere hinsichtlich der von ihr geschilderten Möglichkeit des Beigeladenen zu 1., wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit des Mitgesellschafters in einer Gesellschafterversammlung allein zu beschließen und zu bestimmen, zeigt sie - unabhängig davon, dass es sich hierbei allenfalls um eine rein faktische Möglichkeit und nicht um eine gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht handelt - nicht auf, inwieweit der Gesellschaftsvertrag Regelungen über die Beschlussfähigkeit trifft. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil die Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig ist, wenn mindestens 3/4 des Stammkapitals vertreten sind.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht, darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Klägerin formuliert auf Seite 16 der Beschwerdebegründung:
"Die sozialgerichtliche Rechtsprechung ist nach Auffassung der Klägerin und Beschwerdeführerin mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht vereinbart, insofern liegt eine Divergenz vor, als dass jeder Einzelfall separat zu betrachten ist und sämtliche Einzelfallumstände maßgeblich sind zur Beurteilung der Frage, ob eine Selbständigkeit oder unselbständige Tätigkeit vorliegt."
Eine entscheidungserhebliche Divergenz legt die Klägerin hierdurch schon deshalb nicht dar, weil sie allenfalls eine vermeintliche Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des BSG behauptet. Sich widersprechende Rechtssätze werden nicht aufgezeigt.
3. Soweit die Klägerin wiederholt die inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils rügt, ist darauf hinzuweisen, dass die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15403612 |