Leitsatz (amtlich)
Wird durch eine Auflage dem Betroffenen ein Verhalten „im Regelfall” aufgegeben, so ist die Auflage nicht ausreichend bestimmt.
Stand: 10. Juli 2000
Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Dezember 1998, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat, das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Oktober 1997 und der Bescheid vom 23. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1995 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin, die gewerbsmäßig Dritten Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überläßt, wendet sich im Revisionsverfahren noch gegen eine Auflage.
Die Klägerin betreibt aufgrund einer ihr erstmals mit Bescheid vom 4. November 1992 und danach jährlich erneuerten Erlaubnis gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung. Sie legte der Beklagten auf deren Anforderung ein von ihr verwendetes Arbeitsvertragsmuster (Stand: 15. Juli 1993) vor. Dieses Vertragsmuster enthält unter § 21/2 folgende Vertragsklausel:
„Die Mitarbeiterin hat Anspruch auf Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz. Sie bestätigt, falls es ein Frauenarbeitsplatz ist, daß:
- □ keine Schwangerschaft besteht
- □ die voraussichtliche Niederkunft am _____________ ist.”
Mit Bescheid vom 19. Mai 1995 gab die Beklagte der Klägerin auf, eine Urkunde oder einen Arbeitsvertrag vorzulegen, der den Mindestanforderungen des Art 1 § 11 Abs 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) entspreche. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens hob die Beklagte den Bescheid vom 19. Mai 1995 auf und ersetzte ihn durch den Bescheid vom 23. August 1995. In diesem Bescheid heißt es:
„Sie haben dem Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen in Hannover eine Urkunde bzw einen Arbeitsvertrag vorzulegen, die bzw der den Mindestanforderungen des § 11 Abs 1 und 2 AÜG entspricht und die bzw der die unter Ziffern 1) … 7) der Begründung dieses Bescheides bezeichneten Beanstandungen aufgreift und ausräumt; abzuändern sind insbesondere die §§ 3, 4, 11/2, 21/2 und 25 des zuletzt übersandten Arbeitsvertrages vom 15. Juli 1993. Die Urkunde bzw der Arbeitsvertrag gemäß § 11 Abs 1 und 2 AÜG muß bis zum Ablauf der 39. KW 1995 hier eingegangen sein.”
In der Begründung des Bescheides führte die Beklagte aus, der von der Klägerin zuletzt vorgelegte Arbeitsvertrag habe Beanstandungen ausgelöst. Unter Ziff 5 heißt es hierzu:
„Die Frage in § 21/2 nach einer Schwangerschaft verstößt in der Regel gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB und das Grundsatzurteil des BAG vom 15. Oktober 1992 - 2 AZR 227/92 -.”
Während des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin ein weiteres Arbeitsvertragsmuster (Stand: 1. September 1995) vor. Die fragliche Vertragsklausel war nun wie folgt formuliert:
„21.1 Um ein mögliches Beschäftigungsverbot prüfen zu können, bestätigt die Mitarbeiterin, falls es sich um einen Frauenarbeitsplatz handelt, daß:
- □ keine Schwangerschaft besteht
- □ die voraussichtliche Entbindung am _____________ ist.”
Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 22. September 1995 teilweise zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde verfügt, daß die Auflage zur Beseitigung der Beanstandungen ua unter Ziff 5 auch für das Arbeitsvertragsmuster vom 1. September 1995 gelte und § 21.1 des Arbeitsvertragsmusters abzuändern sei. In der Begründung heißt es hierzu, § 21.1 des Arbeitsvertragsmusters berücksichtige nicht hinreichend die einschlägige BAG-Rechtsprechung, wonach in einem Arbeitsvertrag oder in einem Personalbogen die Frage nach einer Schwangerschaft grundsätzlich nicht mehr gestellt werden dürfe, da hierdurch in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin eingegriffen werde. Eine Ausnahme sei nur dann gegeben, wenn ein zu besetzender Arbeitsplatz Gesundheitsgefährdungen für eine Schwangerschaft mit sich bringe (zB Röntgen-Arbeitsplatz).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Oktober 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG geändert und festgestellt, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich einer Reihe von Auflagen rechtswidrig gewesen sei. Hinsichtlich der Auflage Ziff 5 (Frage nach der Schwangerschaft) hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 22. Dezember 1998). Das LSG hat in seiner Entscheidung ua ausgeführt, das Begehren der Klägerin habe sich durch Zeitablauf erledigt. Denn der Erlaubnisbescheid vom 8. Oktober 1994, der gemäß Art 1 § 2 Abs 2 Satz 2 AÜG um den Auflagenbescheid ergänzt worden sei, habe sich nur Wirkung bis zum 11. November 1995 beigelegt. Die späteren Bescheide regelten die Erlaubnisbewilligung jeweils neu und müßten eigenständig von der Klägerin angegriffen werden. Das Begehren sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Auflage Ziff 5, welche die Frage nach der Schwangerschaft betreffe, sei rechtmäßig. Es handele sich insoweit um eine „echte” Auflage, mit welcher der Klägerin geboten werde, diese Frage zu unterlassen. Mit der Frage verstoße die Klägerin gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Vor dem Vertragsabschluß enthalte die Frage nach einer Schwangerschaft der Bewerberin regelmäßig eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, da sie auf die Nichteinstellung einer schwangeren Bewerberin ziele und somit spezifisch die Einstellungschancen von Frauen vermindere. Lediglich in Ausnahmefällen werde die Frage nach der Schwangerschaft zugelassen, wenn zB das beabsichtigte Vertragsverhältnis überhaupt nicht realisiert werden könne. Vor der Nichtgeeignetheit oder von einem bestimmten Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit könne nur ausgegangen werden, wenn die angestrebte Tätigkeit überhaupt nicht aufgenommen werden könne oder dürfe, zB bei einem Mannequin oder einer Tänzerin. Zu denken sei auch an Fälle, in denen Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) einer Beschäftigung der Bewerberin entgegenstünden oder in denen von vornherein eine Tätigkeit zB in einem befristeten Arbeitsvertrag wegen sogleich eintretender Mutterschutzfristen, Erziehungsurlaub usw nicht möglich sei. Durch die im Arbeitsvertragsmuster vorgesehene regelmäßige Befragung kehre die Klägerin das Regel-Ausnahmeverhältnis um.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 1 § 2 Abs 2 AÜG sowie des Art 12 Grundgesetz. Die Ausführungen des LSG zur Zulässigkeit der Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft entsprächen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und würden insoweit auch von der Klägerin nicht negiert. Unzutreffend sei jedoch die Schlußfolgerung, sie sei insoweit ihren arbeitsrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen. Sie vermittele als Personaldienstleister kaufmännische, gewerbliche Hilfs- und Fachkräfte sowie technisches Personal. Bei Vertragsabschluß orientiere sie sich, wie jeder Arbeitgeber, zulässigerweise am Bedarf und versuche, hierbei die voraussichtliche Nachfrage ihrer Einsatzfirmen zu berücksichtigen. Nur wenn sie bereits bei Vertragsabschluß Kenntnis von einer bereits bestehenden Schwangerschaft habe, sei sie in der Lage, bestehende und zukünftige Aufträge unter Beachtung evtl bestehender Beschäftigungsverbote abzuwickeln. Für sie, die Klägerin, sei es auch unbedingt erforderlich zu wissen, ob eine Bewerberin wegen einer bestehenden Schwangerschaft überhaupt eingesetzt werden und somit ihre Tätigkeit für die Klägerin aufnehmen könne, da bei den in Frage kommenden Einsatzfirmen wegen bestehender Beschäftigungsverbote die Aufnahme der Tätigkeit möglicherweise von vornherein nicht in Betracht komme. Im Hinblick auf die Vielzahl der Beschäftigungsverbote, insbesondere auf das Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit des § 8 MuSchG, bestehe für die Klägerin immer die Gefahr, daß die Bewerberin unter Berücksichtigung der Art der möglichen Einsatzfirmen nicht iS der Rechtsprechung des BAG geeignet sei. Sie, die Klägerin, benötige die Information ferner, um einen dem Schutz von Mutter und Kind nicht zuwiderlaufenden Arbeitsplatz zu finden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Dezember 1998, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat, das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Oktober 1997 und den Bescheid vom 23. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, mit der Auflage werde nicht lediglich auf eine bestehende gesetzliche Verpflichtung hingewiesen, sondern eine in bezug auf eine bestimmte Sachverhaltsgestaltung bestehende, zwischen den Beteiligten streitige rechtliche Verpflichtung, nämlich das Unterlassen einer nach Ansicht der Beklagten gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB verstoßende Klausel im Arbeitsvertrag, konkretisiert. Zu Unrecht gehe die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung davon aus, daß die Frage nach der Schwangerschaft schon deshalb zulässig sei, weil im Hinblick auf die Vielzahl der Beschäftigungsverbote des MuSchG die Möglichkeit bestehe, daß die Bewerberin unter Berücksichtigung der Art der möglichen Einsatzfirmen nicht geeignet sei. Die Klägerin könne ihren Schutzpflichten gegenüber weiblichen Beschäftigten bei Tätigkeiten, bei denen einer Beschäftigung von Schwangeren Beschäftigungsverbote entgegenstünden, auch dadurch nachkommen, daß sie die Frage nach einer Schwangerschaft erst im Hinblick auf die konkret in Aussicht genommene Tätigkeit sach- und zeitgerecht stelle. Die weitere Begründung, die Frage nach der Schwangerschaft diene dazu, den Bedarf zu disponieren, betreffe nicht die Eignung der Bewerberin bzw ihren Schutz im Falle einer Schwangerschaft. Es handele sich insoweit um betriebliche Gesichtspunkte, die nach der Rechtsprechung des BAG gerade nicht geeignet seien, die Frage nach der Schwangerschaft zu rechtfertigen.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Der Übergang von der Fortsetzungsfeststellungsklage zur Anfechtungsklage ist nicht zu beanstanden. Für ihr auf Beseitigung des fraglichen Auflagenbescheides gerichtetes Begehren ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart. Denn die Klägerin wendet sich nicht gegen eine sog modifizierende Auflage, die die erteilte Erlaubnis in ihrem Inhalt abändert, sondern die noch streitige Auflage soll lediglich bewirken, daß die Klägerin im Rahmen der unveränderten Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung bestimmte arbeitsvertragliche Maßgaben einhält. Damit ist die Anfechtungs- und nicht die Verpflichtungsklage die gegebene Klageart. Im übrigen wäre, selbst wenn die Auflage die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis modifiziert hätte, die Anfechtungsklage allein deshalb zulässig, weil dann das Landesarbeitsamt nachträglich eine bereits erteilte auflagenfreie Erlaubnis eingeschränkt hätte (vgl BSG SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1).
Entgegen der Auffassung des LSG hat sich die Auflage, die hier noch angefochten ist, nicht deshalb erledigt, weil die Erlaubnis, mit der die Auflage verbunden ist, abgelaufen ist, so daß nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) die zulässige Klageart ist. Denn es ist Art 1 § 2 Abs 2 des AÜG vom 7. August 1972 (BGBl I 1393), der im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides in der zuletzt durch Art 2 des Gesetzes zur Anpassung arbeitsrechtlicher Bestimmungen an das EG-Recht vom 20. Juli 1995 (BGBl I 946) geänderten Fassung gegolten hat, entgegen der Auffassung des LSG nicht zu entnehmen, daß eine Auflage regelmäßig auf die Geltungsdauer der befristeten Erlaubnis beschränkt ist und mit dieser wirkungslos wird. Nach Art 1 § 2 Abs 2 Satz 1 AÜG kann die Erlaubnis unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, daß keine Tatsachen eintreten, die nach § 3 die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Auch nach Erteilung der Erlaubnis ist die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zulässig (Satz 2 der Vorschrift). Diese Regelungen bringen zwar eine Abhängigkeit der Auflage vom „Hauptverwaltungsakt” in der Weise zum Ausdruck, daß durch die Auflage ein gerade auf die erteilte Erlaubnis bezogenes Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Die Auflage entfaltet deshalb, wenn die Erlaubnis unwirksam oder nicht ausgeübt wird, keine Rechtswirkung. Dies bedeutet jedoch andererseits nicht, daß die Auflage bei einer Aufeinanderfolge befristeter Erlaubnisse, wie sie nach Art 1 § 2 Abs 4 AÜG vorgesehen ist, jeweils zwangsläufig wiederholt werden müßte. Dies wäre mit der selbständigen Anfechtbarkeit und Durchsetzbarkeit der Auflage schwer zu vereinbaren. Soll durch die Auflage das durch die Erlaubnis begründete Rechtsverhältnis dauerhaft gestaltet werden, so reicht die Geltung der Auflage über den Zeitraum der Befristung der Erlaubnis hinaus. Eine Verbindung besteht dann auch mit dem nachfolgenden „Hauptverwaltungsakt”. So liegt es, wovon auch die Beteiligten ausgegangen sind, hinsichtlich der hier fraglichen Konkretisierung der arbeitsrechtlichen Pflichten der Klägerin. Denn es ist nicht ersichtlich, daß die im Bescheid vom 23. August 1995 neu formulierte und im Widerspruchsbescheid vom 22. September 1995 bestätigte Auflage nur für die am 11. November 1995 ablaufende Erlaubnis und nicht auch darüber hinaus für den Fall der Verlängerung der Erlaubnis gelten sollte. Durch die Auflage sollte der Klägerin unabhängig von der Geltungsdauer der jeweiligen Erlaubnis untersagt werden, Bewerberinnen für Frauenarbeitsplätze in der Regel nach einer Schwangerschaft zu fragen. Die Auflage ist folglich mit der Erlaubnis verbunden, nicht mit der Befristung der Erlaubnis. Da aber die Erlaubnis immer noch Bestand hat, hat sich die Auflage nicht durch Zeitablauf erledigt.
Dem Übergang zum ursprünglichen Anfechtungsantrag, der erforderlich ist, um eine Abweisung des Fortsetzungsfeststellungsantrags als unzulässig zu vermeiden, steht auch § 168 Satz 1 SGG nicht entgegen, wonach Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig sind. Denn nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG ist es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Der Klagegrund ist hier unverändert. Denn bei der Fortsetzungsfeststellungsklage geht es darum, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzt hat, bei der Anfechtungsklage darum, ob er rechtswidrig ist und den Kläger gegenwärtig in seinen Rechten verletzt. Angesichts dieser im wesentlichen übereinstimmenden Zielrichtung bestehen gegen den Übergang von der Anfechtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage ebensowenig Bedenken, wie für den umgekehrten Fall (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 99 RdNr 4 mwN).
Die Anfechtungsklage ist in der Sache begründet.
Auflagen sind Bestimmungen, durch die dem zB durch eine Erlaubnis Begünstigten ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (vgl § 36 Abs 2 Nr 4 Verwaltungsverfahrensgesetz ≪VwVfG≫; § 32 Abs 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫). Wesentliches Kennzeichen der Auflage ist, daß sie grundsätzlich selbständig mit Mitteln des Verwaltungszwanges durchsetzbar ist (BSG SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1; SozR 3-7815 § 3 Nr 4). Ferner kann die Nichterfüllung von Auflagen dazu führen, daß der begünstigende Verwaltungsakt auch nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit widerrufen wird (§ 49 Abs 2 Nr 2 VwVfG; § 47 Abs 1 Nr 2 SGB X). Schließlich handelt nach Art 1 § 16 Abs 1 Nr 3 AÜG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Auflage nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt.
Der Sinn der Auflage besteht darin, dem Begünstigten eine Verpflichtung aufzuerlegen, die sich nicht von selbst versteht. Die Auflage darf daher nicht lediglich eine allgemeine Pflicht wiederholen, deren Erfüllung durch den Begünstigten unmittelbar vom Gesetz vorausgesetzt oder erwartet wird (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 1; SozR 7815 Art 1 § 2 Nr 2). Eine gesetzliche Verpflichtung, deren Umfang umstritten ist, kann in Form einer Auflage mit potentieller Verbindlichkeit konkretisiert werden, um die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung ggf mit Zwangsmitteln durchsetzen zu können, wenn dies fall- oder fallgruppenbezogen geschieht (BSG SozR 7815 Art 1 § 2 Nr 2; SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1; SozR 3-7815 Art 1 § 3 Nr 4). Da die Nichteinhaltung der arbeitsrechtlichen Pflichten nach Art 1 § 3 Abs 1 Nr 1 AÜG zu den Versagungsgründen für eine Erlaubnis gehört, bestehen gegen eine Auflage, die die aus dem Benachteiligungsverbot des § 611a BGB erwachsenden Arbeitgeberverpflichtungen konkretisiert, von denen Arbeitnehmer-Überlasser nicht ausgenommen sind, mit Blick auf den Regelungsgegenstand keine durchgreifenden Bedenken.
Das dem Begünstigten auferlegte Tun, Dulden oder Unterlassen muß ferner, um rechtmäßig zu sein, hinreichend bestimmt sein. Ob das jeden Verwaltungsakt treffende Bestimmtheitserfordernis (vgl § 37 Abs 1 VwVfG; § 33 Abs 1 SGB X) erfüllt ist, orientiert sich an den Rechtswirkungen der Auflage. Auflagen sind nur dann hinreichend bestimmt, wenn ihr Entscheidungsgehalt für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar und verständlich ist (BVerwG Buchholz 448.0 § 40 WPflG Nr 1) und eine für die Vollziehbarkeit ausreichende Eindeutigkeit aufweist (BVerwG Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr 6; BSG SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 1 mwN). Die streitbefangene Auflage weist die hiernach erforderliche Bestimmtheit nicht auf. Dabei geht der Senat zugunsten der Beklagten davon aus, daß mit der Auflage nicht auf eine bestimmte Gestaltung der von der Klägerin vorgehaltenen Vertragsformulare eingewirkt werden soll, sondern daß der Klägerin ein bestimmtes Verhalten vor bzw beim Abschluß von Arbeitsverträgen aufgegeben wird. Würde die Beklagte nämlich insoweit am Wortlaut der Auflage festgehalten, so ergäbe sich schon hieraus deren Rechtswidrigkeit, weil die Gestaltung von Vertragsformularen ohne konkreten Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten die Versagung einer Erlaubnis nicht rechtfertigte.
Ferner müßte zugunsten der Beklagten angenommen werden, daß mit der Auflage ein konkretes Verbot, nicht jedoch ein bloßer Hinweis bzw eine Belehrung über Rechtsprechung des BAG ausgesprochen werden sollte, weil die Erfüllung eines Hinweises nicht durch Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen erzwingbar wäre. Für das Vorliegen eines bloßen Hinweises auf die Rechtsprechung des BAG spricht allerdings die äußere Form (Leitsatz) der Aussage in den angefochtenen Bescheiden.
Selbst wenn den angefochtenen Bescheiden das an die Klägerin gerichtete Verbot entnommen werden könnte, Arbeitnehmerinnen in der Regel nicht vor Abschluß des Arbeitsvertrages nach dem Bestehen einer Schwangerschaft zu befragen, so ergäbe sich für die Klägerin nicht eindeutig, welches Verhalten im Einzelfall ihr abverlangt werden soll. Denn den angefochtenen Bescheiden ist nicht zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte eine entsprechende Frage für zulässig hält. Eine weitere Konkretisierung läßt sich auch nicht dadurch gewinnen, daß zur Auslegung des Verfügungssatzes des Bescheides dessen Begründung bzw die Begründung des Widerspruchsbescheides herangezogen wird. Der dort jeweils enthaltene Hinweis auf „Rechtsprechung des BAG” läßt es zudem fraglich erscheinen, ob der Bescheid „aus sich heraus verständlich” ist.
Im übrigen weist die Auflage auch unter Einbeziehung der zum Fragerecht des Arbeitgebers ergangenen neueren Rechtsprechung des BAG die erforderliche Bestimmtheit nicht auf. Denn das BAG hat zwar im Urteil vom 15. Oktober 1992 - 2 AZR 227/92 - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BAG AP Nr 31 zu § 123 BGB) und im Anschluß an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Rs Dekker, EuGHE 1990, 3941 - 3977) dargelegt, daß – gleichgültig ob sich nur Frauen oder auch Männer um den Arbeitsplatz bewürben – die Frage nach der Schwangerschaft vor Einstellung einer Arbeitnehmerin in der Regel eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts enthalte und damit gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB verstoße (BAGE 71, 252, 255 = AP Nr 8 zu § 611a BGB). Dieser Grundsatz gilt jedoch nach den weiteren Ausführungen der vorgenannten Entscheidung nicht ausnahmslos, sondern das BAG hält Ausnahmen für geboten, wenn das Vertragsverhältnis überhaupt nicht realisiert werden kann (BAGE 71, 252, 258; vgl auch BAG AP Nr 36 zu § 123 BGB). Hierfür werden in der Entscheidung Beispiele erörtert (Tätigkeit kann oder darf nicht aufgenommen werden; Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG; befristeter Arbeitsvertrag), die jedoch ausdrücklich als nicht abschließend (…„Zu denken wäre auch an Fälle”…) gekennzeichnet sind (vgl zu möglichen Ausnahmen etwa Schlachter in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 5 MuSchG RdNr 6; Sowka, NZA 1994, S 967 ff). Mit dem Verweis auf den Leitsatz oder das Urteil des BAG hat die Beklagte mithin nicht für die Klägerin verbindlich angegeben, unter welchen Voraussetzungen sie ihr ein Fragerecht zubilligt. Daher ist die Auflage nicht ausreichend bestimmt. Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob und welche beabsichtigten Einsätze in den ersten neun Monaten den Arbeitnehmer-Überlasser abweichend vom Regelfall berechtigen, vor bzw bei Einstellung eine Arbeitnehmerin nach einer Schwangerschaft zu fragen.
Es kann auch dahinstehen, ob ein Verbot, das sich nicht auf ein bestimmtes Verhalten der Klägerin im Einzelfall bezöge, sondern es der Klägerin in allgemeiner Weise untersagen würde, alle in Aussicht genommenen Arbeitnehmerinnen ohne Ausnahmen nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft zu befragen, dem Bestimmtheitserfordernis genügen würde und als Auflage mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbar wäre. Denn eine fehlende Berechtigung der Klägerin zu einer ausnahmslosen Befragung der Arbeitnehmerinnen war, wie sich bereits aus der Beschränkung der Fragestellung auf sog „Frauenarbeitsplätze” in den vorgelegten Arbeitsvertragsmustern ergibt, nicht streitig.
Gegen die hiernach geltenden Anforderungen an die Bestimmtheit der Auflage läßt sich nicht einwenden, die Landesarbeitsämter seien bei Verstößen gegen arbeitsrechtliche Verpflichtungen des Verleihers auf Auflagen dieser Art angewiesen. Denn den Landesarbeitsämtern bleibt es, wenn ausreichend bestimmte Auflagen wegen der Schwierigkeit der Rechtsmaterie nicht erlassen werden können, unbenommen, den Arbeitgebern entsprechende Hinweise zu geben, besonders, wenn Betriebsprüfungen konkrete Verletzungen arbeitsrechtlicher Pflichten dieser Art ergeben haben. Solche Hinweise mögen vielfach schon ausreichen, um den Verleiher zu veranlassen, künftig seinen arbeitsrechtlichen Pflichten als Arbeitgeber bei der Einstellung zu genügen. Stellt sich heraus, daß dies nicht der Fall ist, so ist ggf die Verlängerung der Erlaubnis zu versagen bzw eine erteilte Erlaubnis zu widerrufen, soweit sich der Verleiher deswegen als unzuverlässig erweist.
Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Auflage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 513967 |
NWB 2000, 1474 |
NZA 2000, 1226 |
AP, 0 |
AuA 2000, 282 |
NZS 2001, 162 |
RDV 2000, 222 |