Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS des § 15 Abs. 3 EStG ist auch für die Beurteilung, ob Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV erzielt worden ist, maßgebend.
2. Auch der Teil des Entgelts oder des Arbeitseinkommens, der steuerrechtlich wegen eines „verbleibenden Verlustabzugs” nach § 10 d EStG wie Sonderausgaben abziehbar ist, ist nach § 1248 Abs. 4 RVO anzurechnen.
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 1, § 4; SGB IV § 15; SGB X § 45 Abs. 1-2; EStG §§ 9, 10d, 14, 14a, 15-18
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 14.08.1992; Aktenzeichen L 5 J 44/91) |
SG Kiel (Entscheidung vom 12.12.1990; Aktenzeichen S 9 J 336/88) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. August 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger Altersruhegeld für das Jahr 1985 zusteht.
Der am 15. November 1921 geborene Kläger war im Jahre 1985 an Handelsgesellschaften beteiligt, darunter einer Kommanditgesellschaft (KG). 1985 gab er gegenüber der Beklagten an, keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr auszuüben. Sein Betrieb sei noch angemeldet, einen Einkommenssteuerbescheid habe er noch nicht erhalten. In den nächsten Jahren sei aufgrund von Verlustvorträgen kein Gewinn zu erwarten. Er lebe zur Zeit von Privatentnahmen aus der KG. Mit Bescheid vom 19. Juli 1985 bewilligte die Beklagte dem Kläger flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ab 1. Januar 1985 bei Annahme eines Versicherungsfalles am 31. Dezember 1984. Der Bescheid enthielt ua den Vorbehalt:
„Das Altersruhegeld fällt mit dem Beginn des Monats weg, in dem eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit aufgenommen oder ausgeübt wird, die die in den beigefügten Erläuterungen zum Rentenbescheid genannte Zeitdauer oder die Entgelts- bzw Arbeitseinkommensgrenze überschreitet.”
Nach weiterem Hinweis auf die Verpflichtung des Klägers, entsprechende Veränderungen unverzüglich anzuzeigen, heißt es:
„Wir behalten uns vor, überzahlte Beträge zurückzufordern, wenn der Mitteilungspflicht nicht genügt werden sollte. … Ohne Rechtsgrund gewährte Leistungen können zurückgefordert werden.”
Im Februar 1988 überreichte der Kläger der Beklagten eine Ablichtung des im Oktober 1987 ergangenen Einkommenssteuerbescheides für 1985. Aus ihm ergab sich, daß der Kläger 1985 steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 416.909,00 DM gehabt hatte, des weiteren Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung. Der Kläger legte auch ein Begleitschreiben seines Steuerberaters vor, in dem es hieß, daß sich die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb ohne einen in diesen Einkünften schon berücksichtigten Veräußerungsgewinn lediglich auf 65.149,00 DM beliefen. Ferner sei ein Verlustabzug von 108.892,00 DM aus gewerblichen Verlusten der Vorjahre zu berücksichtigen, so daß sich insgesamt steuerrechtlich ein negatives Einkommen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 43.473,00 DM ergebe.
Nach Anhörung des Klägers entzog die Beklagte dem Kläger das im Jahre 1985 gewährte flexible Altersruhegeld und forderte die Rentenleistungen in Höhe von 29.424,17 DM zurück (Bescheid vom 30. März 1988; Widerspruchsbescheid vom 28. September 1988). Die Beklagte erließ am 12. März 1990 einen weiteren Bescheid, mit dem der im Bescheid vom 19. Juli 1985 festgelegte Versicherungsfall vom 31. Dezember 1984 auf den 31. Dezember 1985 umdatiert wurde, weil die Rente für 1985 entzogen worden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten vom 30. März 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1988 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. März 1990 aufgehoben (Urteil vom 12. Dezember 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. August 1992). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Das Steuerrecht gehe von anderen Zielvorstellungen als das Sozialrecht aus. Soweit ein Versicherter Rente vor dem 65. Lebensjahr erhalte, setze das Gesetz eine besondere Bedürftigkeit voraus. Sie durch einen Verlustvortrag zu errechnen, der die zum Verbrauch zur Verfügung stehende Geldsumme nicht wirklich mindere, sei ein im Rahmen des § 1248 RVO nicht passendes Fremdelement. Die Überzahlung sei auch zurückforderbar, da der Kläger bei Empfang des Geldes grob fahrlässig gehandelt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1248 RVO, 15 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV), 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) durch das Berufungsgericht.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Kiel vom 12. Dezember 1990 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz begründet. Ob der Kläger verpflichtet ist, die für 1985 empfangenen Rentenbeträge zurückzuerstatten, hängt von Umständen ab, die noch zu ermitteln sind.
Trotz Inkrafttretens des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) am 1. Januar 1992 ist auf den vorliegenden Fall noch das Recht der RVO anzuwenden. Denn der Anspruch des Klägers ist vor diesem Zeitpunkt geltend gemacht worden (§ 300 Abs. 2 SGB VI).
Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein rechtswidriger Verwaltungsakt aufgehoben wird. Insoweit ist das LSG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß der zugunsten des Klägers ergangene Altersruhegeldbescheid vom 19. Juli 1985 von Anfang an rechtswidrig war.
Die Beklagte hat dem Kläger flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 RVO bewilligt. § 1248 Abs. 4 RVO läßt die Zahlung dieser Rente ua nur dann zu, wenn das Entgelt oder das Arbeitseinkommen des Versicherten durchschnittlich im Monat 1.000,00 DM nicht überschreitet. Das Einkommen des Klägers im Jahr 1984 lag über diesem Betrag. § 1248 Abs. 4 RVO spricht einerseits von einer „Beschäftigung gegen Entgelt” und zum anderen von einer „Erwerbstätigkeit”. Mit dem ersteren Begriff ist die abhängige Arbeit gemeint, die zu Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV führt. Der zweite Begriff betrifft die selbständige Erwerbstätigkeit, die Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV nach sich zieht. § 1248 Abs. 4 Satz 1 RVO erklärt damit nicht etwa das Gesamteinkommen (vgl. § 16 SGB IV) für rentenschädlich, sondern nur Einkommen aus den genannten Quellen. Das bedeutet, daß neben den Einkünften aus einer Beschäftigung (Arbeitsentgelt) nur Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieben und aus selbständiger Arbeit iS des Einkommenssteuerrechts, dh Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV, rentenschädlich sind (vgl. hierzu bereits Urteil des erkennenden Senats vom 11. Februar 1993 in SozR 3-2200 § 1248 Nr. 8). Als Arbeitseinkommen in diesem Sinne hat das LSG zu Recht die Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung als Kommanditist an einer GmbH & Co KG angesehen. Dem steht auch nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 2200 § 180 Nr. 30 entgegen. Das BSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß Gewinnanteile eines Kommanditisten als Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV nur dann zuzurechnen sind, wenn der Kommanditist nach dem Gesellschaftsvertrag und nach der tatsächlichen Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses ein nennenswertes Unternehmerrisiko trägt und wenn er eine gewisse, den – normalen – handelsrechtlich vorgesehenen Mitwirkungsrechten im wesentlichen entsprechende Unternehmerinitiative entfalten kann. Wenn der an der Gesellschaft Beteiligte wirtschaftlich nur Darlehnsgeber einer Handelsgesellschaft gewesen ist, so liegen bei ihm keine Einkünfte aus Gewerbebetrieben vor. Hierbei ist die steuerrechtliche Abgrenzung der Einkunftsarten zu berücksichtigen. Wenn die Einkünfte des Kommanditisten vom Finanzamt steuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Einkommenssteuergesetz ≪EStG≫) angesehen worden sind, so kann der Versicherungsträger und können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit von der Richtigkeit der Beurteilung der Kommanditistenstellung ausgehen, es sei denn, vom Versicherten werden wegen dieser Beurteilung Einwendungen erhoben (vgl. BSG aaO). Diese Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung der Einkünfte eines Kommanditisten als Einkünfte aus Gewerbebetrieben setzt voraus, daß die KG ihrerseits Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS von § 15 EStG hat. Dies ist immer der Fall, wenn die KG iS von § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG gewerblich tätig ist. Ist eine KG nicht oder nur teilweise iS von § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig, so können die Einkünfte gleichwohl über § 15 Abs. 3 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechnet werden.
Das LSG konnte im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgehen, daß sowohl die KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb hatte, als auch der Kläger wegen seiner Stellung als Kommanditist aus der KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hatte. Der Kläger hat allerdings bei der Beklagten und auch noch beim LSG vorgetragen, die KG ihrerseits habe allein Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen. Mit diesem Einwand macht der Kläger geltend, daß die KG wegen der Art ihrer Betätigung keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS von § 15 EStG erzielt habe. Allein der Umstand, daß eine GmbH & Co KG – an einer solchen war der Kläger beteiligt – Einkünfte allein aus Vermietung und Verpachtung erzielt, schließt es aber nicht aus, daß diese KG insgesamt und damit auch die einzelnen Kommanditisten Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS von § 15 EStG erzielen. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG bestimmt, daß die Tätigkeit einer GmbH & Co KG unter bestimmten Voraussetzungen immer als Gewerbebetrieb gilt. Auch insoweit ist das Steuerrecht maßgebend dafür, ob Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als – rentenunschädliche – Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung gelten. Wenn der Gesetzgeber in § 15 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht nur die Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) rechnet, sondern in § 15 Abs. 3 Nrn 1 und 2 EStG für bestimmte Fallgruppen ausdrücklich anordnet, daß die Tätigkeit als Gewerbebetrieb gilt, so ist dies eine gesetzgeberische Anordnung, die auch erfolgt, um Abgrenzungs- und Beurteilungsschwierigkeiten zu umgehen. Wenn man die vom Gesetzgeber getroffene Abgrenzung der Einkünfte im Sozialversicherungsrecht nicht für maßgebend hielte, wäre es Aufgabe der Versicherungsträger und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, festzustellen ob die Einkünfte einer KG allein aufgrund des § 15 Abs. 3 Nrn 1 und 2 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesehen wurden oder ob die KG aufgrund der tatsächlich ausgeübten Betätigung Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen iS von § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG iVm der Definition in Abs. 2 dieser Vorschrift erzielt hat. Wenn danach die Bestimmung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wie sie in § 15 EStG vorgesehen ist, für die Beurteilung, ob Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV erzielt wird, maßgebend ist, so besteht doch nicht ohne weiteres eine rechtliche Bindung an die Feststellung des Finanzamtes, daß die KG gewerblich tätig geworden ist. Im vorliegenden Fall konnte das LSG aber davon ausgehen, daß das Tatbestandsmerkmal der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfüllt war. Das LSG hat auf den Einwand des Klägers, daß die KG nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe, bei der Finanzbehörde nachgefragt, ob die Beurteilung der Einkünfte im Steuerbescheid steuerrechtlich zutreffend sei. Dies ist von der Finanzbehörde ausdrücklich bestätigt worden, ohne daß der Kläger danach im Berufungsverfahren noch Einwendungen erhoben hat. Der Kläger hat auch gegen die vom Finanzamt mit der Steuerfestsetzung verbundene Beurteilung seiner Stellung als Mitunternehmer weder vor dem LSG noch im Revisionsverfahren Einwendungen erhoben.
Zu Recht hat das LSG auch das Einkommen des Klägers aus Gewerbebetrieb, das sich auf 65.149,00 DM belief, nicht wegen des von ihm steuerrechtlich geltend gemachten „verbleibenden Verlustabzugs” (§ 10 d Abs. 2 EStG) gemindert. Nach § 15 SGB IV ist zwar Arbeitseinkommen und damit auch Erwerbseinkommen iS des § 1248 Abs. 4 RVO der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechtes ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Die Ermittlung des Gewinns nach steuerrechtlichen Vorschriften ist indessen sozialrechtlich von vornherein eingeschränkt. Veräußerungsgewinne sind von vornherein nicht dem Gewinn zuzurechnen (§ 15 Satz 2 SGB IV). Daneben sind andererseits sog „steuerliche” Vergünstigungen nicht zu beachten. Der Begriff der steuerlichen Vergünstigung ist nicht eindeutig. Er kann vom bloßen Vorverständnis her völlig verschiedene Regelungen umschreiben, sogar in einem so weiten Verständnis gebraucht werden, daß er auch Normen umfaßt, welche nur in irreführender Weise unter den Begriff „Vergünstigung” gebracht werden können. In der Rechtsprechung sind bisher als „steuerrechtliche Vergünstigungen” iS des § 15 SGB IV im allgemeinen nur besondere Abschreibungen, Absetzungen und Abzüge mit Subventionscharakter angesehen worden (BSG SozR 2100 § 15 Nr. 10 S 19). Angesichts seiner begrifflichen Unschärfe einerseits und dem erkennbaren Sinn des § 1248 Abs. 4 RVO andererseits kann der Begriff der „steuerlichen Vergünstigung” in § 15 SGB IV in seiner Anwendung auf § 1248 Abs. 4 RVO aber auch nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen dem Steuerpflichtigen bzw dem auf eine Sozialleistung Anspruch Erhebenden im Steuerrecht ein nicht durch die Begrenzung seiner Leistungsfähigkeit gerechtfertigter Vorteil zugestanden wird. Erkennbar ist in § 15 SGB IV durch die Verwendung des Begriffs steuerliche Vergünstigung jedenfalls schon einmal die Absicht des Gesetzgebers, den Besonderheiten des Sozialrechts Rechnung zu tragen und insoweit vom Steuerrecht abzuweichen, ohne daß der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift schon in der Lage war, diese Besonderheiten für jeden Fall im voraus im einzelnen zu bestimmen und zu beschreiben. Der Sinn der einzelnen sozialrechtlichen Vorschrift, die in irgendeiner Form an das Einkommen anknüpft, soll gegenüber der steuerrechtlichen Regelung berücksichtigt werden. Wenn in § 1248 Abs. 4 RVO Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen von einer bestimmten Höhe an rentenschädlich ist, so kommt es auf den tatsächlichen Verdienst aus der Tätigkeit bzw der Beschäftigung an. Unerheblich muß danach sein, ob die erzielten Einkünfte aus der Beschäftigung oder Tätigkeit aufgrund früher eingetretener Verluste gemindert werden können. Ebensowenig wie der Arbeitnehmer, der aufgrund einer abhängigen Beschäftigung Arbeitsentgelt erzielt, Verluste abziehen kann, die er aufgrund früherer Tätigkeit noch steuerrechtlich geltend machen kann, kann Arbeitseinkommen dadurch gemindert werden, daß ein Verlustvortrag nach § 10 d EStG steuerrechtlich das Einkommen mindert.
Die Einkommensgrenze von 1.000,00 DM hat den Sinn, das Ausmaß der eigenen Erwerbsarbeit zu begrenzen. Wer aber, wie der Kläger, im fraglichen Jahr (1985) ohne einen Veräußerungsgewinn mehr als 5.000,00 DM pro Monat Gewinn aus Gewerbebetrieb erzielt hat, hat typischerweise soviel selbst geleistet, daß es mit dieser erbrachten Arbeitsleistung nicht mehr zu vereinbaren ist, ihm eine Rente zu zahlen, weil er nicht mehr leistungsfähig sei. Die erbrachte eigene Arbeitsleistung widerlegt das Fehlen der Leistungsfähigkeit oder steht jedenfalls im Widerspruch zum Bestreben des Gesetzgebers, dem Versicherten ein Leben ohne Arbeit zu ermöglichen. Daß er bei dieser Arbeitsleistung, die bei einem Selbständigen auch in dem Tragen der Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen liegen kann, nur die Verluste früherer Jahre ganz oder teilweise hereingeholt hat, ändert nichts daran, daß es sich auch dabei um eine Art der eigenen Arbeit handelt, die in das Jahr der Rentenzahlung fällt.
Der somit von Anfang an rechtswidrige Rentenbewilligungsbescheid darf indes nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 und 4 SGB X rückwirkend aufgehoben werden. Von ihrem Ermessen, diesen Bescheid zurückzunehmen, hat die Beklagte zwar im Widerspruchsbescheid sinngemäß Gebrauch gemacht. Zurücknehmen durfte die Beklagte den Verwaltungsakt aber nur dann, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 4 SGB X vorlagen. Das LSG ist davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorliegen, dh der Kläger die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Hierfür reichen die bisherigen Feststellungen des LSG nicht aus. Der Kläger hat der Beklagten gegenüber angegeben, daß er wegen eines Verlustvortrages voraussichtlich keine Einkünfte erzielen werde. Die Beklagte wußte bei der Rentenbewilligung somit, daß der Kläger nur deshalb kein Arbeitseinkommen zu haben behauptete, weil er Verluste der Vorjahre geltend machte. Im Zeitpunkt der Rentenbewilligung sind demnach offensichtlich sowohl der Kläger als auch die Beklagte selbst noch von der – unrichtigen – Vorstellung ausgegangen, der Verlustvortrag mindere das Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV in seiner Ausgestaltung für § 1248 Abs. 4 RVO. Insoweit kann man dem Kläger keine grobe Fahrlässigkeit vorwerfen. Wenn das LSG gleichwohl eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers annimmt, weil der Bescheid mit einem Widerrufsvorbehalt versehen gewesen sei, so ist dies unberechtigt. Der Vorbehalt des Widerrufs rechtfertigt eine Rücknahme für die Vergangenheit ohnehin nicht (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X einerseits und Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 dieser Vorschrift andererseits). Fraglich kann aber sein, ob der Kläger nicht den Erlaß des Rentenbewilligungsbescheides durch Angaben, die jedenfalls grob fahrlässig unrichtig gemacht worden sind, veranlaßt hat. Dies ergibt sich daraus, daß die KG und damit der Kläger im Jahr 1985 einen Veräußerungsgewinn erzielt hat, den er uU vorausgesehen hat oder voraussehen konnte und der steuerrechtlich zu positiven Einkünften aus Gewerbebetrieb führte. Insoweit waren die Angaben des Klägers, er werde aus seiner Stellung als Kommanditist keine Einkünfte haben, steuerrechtlich unrichtig und für die Beklagte irreführend. Wenn die Beklagte gewußt hätte, daß das Einkommen des Klägers aufgrund des Veräußerungsgewinns nicht negativ war, so hätte sie den Verwaltungsakt in der geschehenen Form wohl kaum so erlassen, sondern auch die Frage der Zulässigkeit des Verlustausgleichs einer näheren Prüfung unterzogen. Dh nur dann, wenn der Kläger gegenüber der Beklagten auch angegeben hätte, daß ein Veräußerungsgewinn voraussichtlich erzielt werde, dieser aber nicht zu berücksichtigen sei, könnte ihm auch insoweit keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Ob dies der Fall gewesen ist, wird das LSG noch festzustellen haben.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 927601 |
BSGE, 77 |
Breith. 1994, 837 |