Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. rückwirkende Budgetierung. Gesprächs- und Untersuchungsleistungen. Verfassungswidrigkeit. Normcharakter der Bewertungsmaßstäbe. echte Rückwirkung. öffentliche Bekanntgabe. Bestandsfestigkeit. Einführung. arztgruppenbezogene Punktzahlobergrenze. Vertrauensstörung. Inkrafttreten. selbständige Einlegung der Revision durch Beigeladenen (hier: KÄBV). materielle Beschwer
Leitsatz (amtlich)
Die rückwirkende Budgetierung von Gesprächs- und Untersuchungsleistungen im EBM 1996 ist verfassungswidrig.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 82 Abs. 1; SGB V § 85 Abs. 4, § 87 Abs. 2, § 94 Abs. 2, § 87 Abs. 2a, § 85 Abs. 3a; GG Art. 82 Abs. 2; SGG § 160 Abs. 1, § 75 Abs. 4, § 69 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Februar 1997 werden zurückgewiesen.
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom Februar 1997 abgeändert, soweit die Klage gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 29. November 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1997 (Quartal II/96) abgewiesen worden ist. Diese Bescheide werden geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Leistungen nach den Ziffern 10, 11, 17, 18, 42, 60 und 851 Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen/Ersatzkassen-Gebührenordnung ohne Anwendung der Budgetierungsbestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vergüten.
Die Beklagte hat den Klägern deren außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren und für das Revisionsverfahren zur Hälfte zu erstatten. Die Beigeladene zu 1) hat den Klägern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Kläger sind als Arzt für Allgemeinmedizin bzw praktischer Arzt in Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung in Hamburg zugelassen. Mit Bescheid vom 27. August 1996 bewilligte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) den Klägern für vertragsärztliche Leistungen im Quartal I/96 ein Gesamthonorar von ca 85.000,00 DM und reduzierte dabei deren Punktzahlanforderung für Gesprächs- und Betreuungsleistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42 und 851 Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen/Ersatzkassen-Gebührenordnung (BMÄ/E-GO) um 433.540 Punkte. Dieser Entscheidung legte sie einen Beschluß des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 (Beilage zu Heft 26 des Deutschen Ärzteblatts ≪DÄ≫ vom 28. Juni 1996) zugrunde, durch den rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1996 ein Teilbudget „Gesprächsleistungen” für die Leistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42, 44 – diese Leistung haben die Kläger nicht erbracht – und 851 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) geschaffen und arztgruppenbezogene Fallpunktzahlengrenzwerte festgelegt worden waren. Der Grenzwert betrug für die Gruppe der Allgemeinärzte und praktischen Ärzte 220 Punkte je Fall. Die Budgetüberschreitung berechnete die Beklagte in der Weise, daß sie die 800 Behandlungsfälle, in denen die Kläger Leistungen nach den genannten Ziffern der Vertragsgebührenordnungen erbracht hatten, mit der maßgeblichen Fallpunktzahl von 220 multiplizierte. Das ergab ein Budget von 176.000 Punkten. Da die Kläger für die der Budgetierung unterworfenen Leistungen 609.540 Punkte angefordert hatten, gelangten 433.540 Punkte nicht zur Honorierung.
Mit Honorarbescheid vom 29. November 1996 honorierte die Beklagte die vertragsärztlichen Leistungen der Kläger im Quartal II/96 mit ca 91.000,00 DM. Hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein streitbefangenen Budgetüberschreitungen reduzierte die Beklagte die angeforderte Punktzahl für die Gesprächs- und Betreuungsleistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42 und 851 BMÄ/E-GO von 548.700 Punkten nach der im Vorquartal praktizierten Berechnungsmethode um 382.380 Punkte auf 166.320 Punkte. Hinsichtlich der Leistungen nach Nr 60 BMÄ/E-GO, für die der Bewertungsausschuß am 13. Juni 1996 ebenfalls zum 1. Januar 1996 eine Budgetierung beschlossen und den maßgeblichen arztgruppenbezogenen Punktzahlengrenzwert auf 15 festgesetzt hatte, ergab sich eine Reduzierung der angeforderten Punktzahlen von 11.520 auf 11.340.
Die mit der Unzulässigkeit einer rückwirkenden Budgetierung begründeten Widersprüche wies die Beklagte zurück. Sie ließ Bedenken dagegen anklingen, ob die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) rückwirkende Rechtsänderungen zu Lasten der Betroffenen zulässig seien, hinsichtlich der beiden Quartale I und II/96 erfüllt gewesen seien, wies aber zugleich auf die Erwägungen des Bewertungsausschusses hin, der die rückwirkende Anordnung von Teilbudgets im Hinblick auf den Schutz der Punktwerte für besonders kostenintensive Leistungen und davon besonders betroffener Arztgruppen für unerläßlich gehalten habe (Bescheide vom 25. Oktober 1996 und 10. Januar 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide hinsichtlich des Quartals I/96 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern 433.540 Punkte für die budgetierten Gesprächsleistungen zu honorieren; die Klage hinsichtlich des Quartals II/96 hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die rückwirkende Budgetierung der Gesprächs- und Betreuungsleistungen sowie der Leistungen nach Nr 60 BMÄ/E-GO stelle sich als echte Rückwirkung iS der Rechtsprechung des BVerfG dar. Im Quartal I/96 gebe es für eine rückwirkende Inkraftsetzung der Teilbudgets keine rechtfertigenden Gründe, weil das Vertrauen der Ärzte auf die zum 1. Januar 1996 neu gestalteten Vertragsgebührenordnungen schutzwürdig sei. Durch den am 19. April 1996 im DÄ bekanntgemachten Beschluß des Bewertungsausschusses vom 28. März 1996 sei jedoch für das Quartal II/96 das Vertrauen der Vertragsärzte darauf, die Gesprächs- bzw Betreuungsleistungen sowie die Ermittlung des Ganzkörperstatus ohne Budgetobergrenzen weiterhin abrechnen zu können, zerstört worden. Der Bewertungsausschuß habe angekündigt, bei Überschreitungen der im Quartal I/96 abgerechneten Punktzahlen gegenüber dem Quartal I/94 in einer bestimmten Größenordnung die besonders betroffenen Leistungen rückwirkend zu budgetieren. Auch für die Zeit vom 1. April 1996 bis zum 19. April 1996 (Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses) sei die rückwirkende Budgetierung wegen des geringfügigen Umfangs der davon betroffenen Leistungen im Verhältnis zum gesamten Quartal II/96 unbedenklich (Urteil vom 12. Februar 1997).
Mit ihren vom SG zugelassenen Sprungrevisionen greifen die Kläger, die beklagte KÄV und die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) dieses Urteil an, soweit es für sie ungünstig ist.
Die Beklagte hält an ihrem im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt, die rückwirkende Budgetierung bestimmter Gesprächsleistungen und der Erhebung des Ganzkörperstatus stelle eine echte Rückwirkung iS der Rechtsprechung des BVerfG dar, nicht fest. Unmittelbar mit der Leistungserbringung und der Abrechnung erwerbe der Vertragsarzt lediglich einen Anspruch auf Teilnahme an der Verteilung der Gesamtvergütung mit seinen nach den Bestimmungen des EBM sachlich richtiggestellten und bewerteten sowie auf Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes überprüften Leistungen. Da im Juni 1996 die Prüfung der Abrechnungen der Quartale I/96 und II/96 weder auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit noch auf die Wirtschaftlichkeit erfolgt sei, habe sich der Teilhabeanspruch der Vertragsärzte noch nicht zu einem bezifferbaren und durchsetzbaren Honoraranspruch verdichtet. Im übrigen sei die Höhe des Vergütungsanspruches von dem Ergebnis der Verteilung der Gesamtvergütung unter die Vertragsärzte abhängig, so daß aus der Anforderung einer bestimmten Punktzahl keine Rückschlüsse auf die Höhe des vertragsärztlichen Honorars gezogen werden könnten.
Die nachträgliche Einführung von Punktzahlobergrenzen für bestimmte ärztliche Leistungen erfülle den Tatbestand einer echten Rückwirkung auch deshalb nicht, weil die Leistungsbeschreibungen und Bewertungen im EBM keinen Einfluß auf das Behandlungsverhalten des Vertragsarztes haben dürften. Was im einzelnen Behandlungsfall aus medizinischen Gründen notwendig und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar sei, werde nicht von den Leistungslegenden der Gebührenordnungen, sondern allein von ärztlich-fachlichen Gesichtspunkten beeinflußt. Das habe zur Folge, daß ein Vertragsarzt nicht mit dem Argument gehört werden könne, er hätte anders behandelt und abgerechnet, wenn er die später (rückwirkend) veränderten Abrechnungsmodalitäten des EBM gekannt hätte.
Im übrigen bewirke die Einführung von Teilbudgets für ärztliche Leistungen, wie das BSG in früheren Urteilen ausgeführt habe, allenfalls eine Absenkung der Vergütung für Leistungen, die zu einem Leistungskomplex zusammengefaßt seien, nicht aber den Ausschluß der Abrechenbarkeit bestimmter Einzelleistungen. Die rückwirkende Inkraftsetzung von Regelungen zur Begrenzung der Honorierung bestimmter Leistungen in einem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) habe das BSG bereits gebilligt. Weiterhin sei unter dem Gesichtspunkt des Schutzes getroffener Dispositionen zu beachten, daß von der Budgetierung im wesentlichen Gesprächsleistungen erfaßt würden, für deren Erbringung kein investiver bzw apparativer Aufwand erforderlich sei. Entscheidend sei schließlich, daß die rückwirkende Budgetierung aus Gründen des allgemeinen Wohls zulässig und geboten gewesen sei, so daß sie selbst dann als gerechtfertigt angesehen werden müsse, wenn ihr tatsächlich eine echte Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG innewohnen sollte. Die Punktzahlanforderungen der Vertragsärzte seien im Quartal I/96 gegenüber dem vergleichbaren Quartal I/95 so stark gestiegen, daß es im Hinblick auf die begrenzten Gesamtvergütungen zwangsläufig zu einem rapiden Punktwertverfall für alle ärztlichen Leistungen hätte kommen müssen, wenn der Bewertungsausschuß nicht steuernd eingegriffen hätte. Die Auszahlungspunktwerte in Hamburg hätten um 20 % niedriger liegen müssen, als dies nach Durchführung der Budgetierungsmaßnahmen der Fall gewesen sei. Ohne Gegensteuerung wäre die wirtschaftliche Existenz solcher Arztgruppen gefährdet gewesen, die – zB wegen der Abhängigkeit von Überweisungen – ihre Leistungen nicht hätten ausweiten können.
Die Beigeladene zu 1) rügt, das SG habe die vermögensrechtliche Bedeutung des „Honoraranspruchs” des Vertragsarztes falsch beurteilt, weiterhin die dem Bewertungsausschuß bei Erfüllung seiner Auflagen zukommende Gestaltungsfreiheit unzutreffend gewürdigt und im übrigen die gesetzliche Funktionsverteilung zwischen EBM, Gesamtvergütung und HVM sowie die besondere Verantwortung des Bewertungsausschusses für eine „Gesamt-Honorarverteilungsgerechtigkeit” verkannt. Durch die rückwirkende Einführung von Teilbudgets unter anderem für Gesprächsleistungen sei nicht in eine vermögensrechtliche Position des Vertragsarztes eingegriffen worden. Das BSG habe die Bildung von Teilbudgets in seinem Urteil vom 20. März 1996 als zulässige Bewertungsform gebilligt. Das gelte nicht nur für die damals entscheidungserheblichen Leistungen des Basislabors, sondern ebenso auch für Gesprächs- und Betreuungsleistungen. Die Begrenzung der abrechenbaren Punktzahl für einen Leistungskomplex stelle eine ergänzende, mengenbegrenzende Bewertungsform dar, die den Umfang der abrechnungsfähigen Leistungen beschränke, aber nichts an der grundsätzlichen Abrechenbarkeit von Einzelleistungen ändere. Dies führe zu dem Schluß, daß die rückwirkende Budgetierung eine von zahlreichen Verteilungsmaßnahmen sei, die jedenfalls unter Geltung einer begrenzten oder budgetierten Gesamtvergütung notwendigerweise erst nach Ablauf des jeweiligen Quartals ergriffen werden könnten und nur die Höhe des Honoraranspruchs des einzelnen Vertragsarztes beeinflußten. Da die Punktwerthöhe für den einzelnen Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bei einer begrenzten Gesamtvergütung in keinem Fall berechenbar sei, stelle sich überhaupt nicht die Frage, ob die rückwirkende Einführung von Teilbudgets die Berechenbarkeit der Honorierung ärztlicher Leistungen beeinträchtige.
Im übrigen sei die Schaffung von Teilbudgets, wenn ihr echte Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zukommen sollte, gerechtfertigt, weil sie durch zwingende Gründe des gemeinen Wohls legitimiert werde. Der Grundsatz der Gesamtverteilungsgerechtigkeit sei auf allen für die Berechnung des vertragsärztlichen Honorars maßgeblichen Ebenen – EBM, Gesamtvergütung, HVM – zu beachten; nachhaltige Verwerfungen und innere Strukturbrüche im EBM, die zu existenzgefährdenden Zuweisungen von Vergütungschancen an bestimmte Facharztgruppen führen würden, könnten eine Rechtswidrigkeit des EBM selbst bedingen. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 1996 sei es infolge des enormen Anstiegs der abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen, der in allen Fachgruppen zu beobachten gewesen sei, und wegen der begrenzten Gesamtvergütungen zu einer Existenzbedrohung für zahlreiche Praxen gekommen, weil die Auszahlungspunktwerte ohne gegensteuernde Maßnahmen einen Stand erreicht hätten, bei dem in zahlreichen Praxen nicht mehr rentabel hätte gearbeitet werden können. Für den Bewertungsausschuß, dem die Leistungsvermehrung als Folge neu geschaffener Gebührenpositionen im rechtlichen Sinne zugerechnet werden müsse, habe sich die Frage gestellt, ob er nicht die Verantwortung habe, rückwirkend steuernd einzugreifen. Der Bewertungsausschuß habe erwogen, ob das den KÄVen zu Verfügung stehende Instrumentarium, nämlich auf der einen Seite die Ausgestaltung der Honorarverteilung, auf der anderen Seite die Prüfung der Plausibilität und Wirtschaftlichkeit der abgerechneten Leistungen, ausreichend sei; doch habe sich die Auffassung durchgesetzt, daß mit den Mitteln der Honorarverteilung allein dem massiven Punktzahlenanstieg bundesweit nicht effektiv gegengesteuert werden könne. Bei seiner Einschätzung, selbst zum Gegensteuern verpflichtet und berechtigt zu sein, habe sich der Bewertungsausschuß auch davon leiten lassen, daß die Funktionsverteilung der Normebenen – EBM, Gesamtvergütung, HVM – nicht im Sinne der Subsidiarität (Vorrang des HVM), sondern im Sinne eines pragmatischen Regelungszugriffs zu deuten sei, weshalb auch ein Eingreifen des Bewertungsausschusses zulässig gewesen sei.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Februar 1997 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen 1) zurückzuweisen und im übrigen unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Honorarabrechnungsbescheid vom 19. November 1996 in der Fassung des Teilwiderspruchsbescheides vom 10. Januar 1997 für das zweite Quartal 1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für Gesprächsleistungen weitere 382.380 Punkte und für Ganzkörperstatus-Erhebungen weitere 180 Punkte abzurechnen.
Mit ihrer Revision, deren Begründung zwei Tage nach Ablauf der verlängerten Revisionsbegründungsfrist eingegangenen ist, verteidigen sie das angefochtene Urteil hinsichtlich der Ausführungen zum Quartal I/96, treten indessen der Rechtsauffassung des SG entgegen, das Vertrauen der Vertragsärzte auf die unveränderte Weitergeltung des EBM sei für das Quartal II/96 zerstört worden. Sie sind der Auffassung, der Beschluß des Bewertungsausschusses vom 28. März 1996 sei nicht geeignet, das Vertrauen der Vertragsärzte auf den Fortbestand gültiger Normen zu erschüttern. Dieser Beschluß enthalte eine Vielzahl von Informationen und Hinweisen. Ihm lasse sich aber keine hinreichend eindeutige Absicht des Normgebers entnehmen, rückwirkend Mengenbegrenzungsregelungen auf der Ebene des EBM einzuführen. Im übrigen sei das angefochtene Urteil insoweit widersprüchlich, als es selbst davon ausgehe, daß der Ankündigungsbeschluß des Bewertungsausschusses erst am 19. April 1996 im DÄ publiziert worden sei, gleichwohl aber die Rückwirkung auch für die Zeit vom 1. bis zum 19. April 1996 für unbedenklich halte.
Die Beigeladenen zu 2), 3) 4), 7) und 8) schließen sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 1) an.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen sind zulässig.
Die zu 1) beigeladene KÄBV ist nach § 69 Nr 3 SGG Verfahrensbeteiligte und kann gemäß § 75 Abs 4, § 160 Abs 1 SGG selbständig Revision einlegen. Die für ihr Rechtsmittel erforderliche materielle Beschwer ergibt sich daraus, daß im Rahmen des anhängigen Honorarstreits über die Gültigkeit von Bestimmungen des EBM zu entscheiden ist, an deren Zustandekommen die Beigeladene zu 1) kraft gesetzlicher Aufgabenzuweisung beteiligt ist. Die nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V der KÄBV zusammen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen in bezug auf den Bewertungsmaßstab zukommende Regelungshoheit ist betroffen, wenn in einem gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit von Honorarbescheiden einer KÄV inzident eine diesem Bescheid zugrundeliegende Vorschrift des EBM verworfen und die KÄV zu einer Vergütung ohne Berücksichtigung der mittelbar angegriffenen EBM-Regelung verurteilt wird (BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 34 f).
Die Revision der Kläger ist zulässig, obwohl sie die durch Beschluß des Senatsvorsitzenden auf der Grundlage des § 164 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verlängerte Frist zur Begründung der Revision, die am Mittwoch, dem 23. Juli 1997 abgelaufen ist, nicht gewahrt haben (Eingang der Revisionsbegründung 25. Juli 1997). Ihnen ist jedoch – auf ihren rechtzeitig gestellten Antrag – Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren, weil sie an der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist ohne Verschulden gehindert waren (§ 67 Abs 1 SGG). Der Revisionsbegründungsschriftsatz trägt das Datum „17. Juli 1997”. Der Umschlag, mit dem sie zum BSG versandt worden ist und auf dem sich der Poststempel befinden müßte, der Aufschluß über die Posteinlieferung geben könnte, ist hier verlorengegangen. Der Bevollmächtigte der Kläger hat anwaltlich versichert, die Sendung sei spätestens am Tag nach der Unterschrift, also am Freitag, dem 18. Juli 1997, zur Post gegeben worden. Demnach hätte sie hier spätestens am Montag, dem 21. Juli, oder am Dienstag, dem 22. Juli 1997, eingehen müssen. Da das nicht der Fall war, kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Verzögerung der Briefbeförderung seitens der Post vorgelegen hat, die den Klägern nicht als Verschulden angerechnet werden darf (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 67 RdNr 6; zu den Rechtsfolgen bei Verlust des mit dem Poststempel versehenen Umschlags im Einflußbereich des Gerichts vgl BVerfG, Beschluß vom 26. März 1997, NJW 1997, 1770).
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sind nicht begründet. Auf die Revision der Kläger ist das angefochtene Urteil zu ändern. Die Honorarbescheide der Beklagten sind auch insoweit aufzuheben, als die Budgetierungsregelung auf die Abrechnung der Kläger im Quartal II/96 angewandt worden ist.
Mit Beschluß vom 13. Juni 1996 (Beilage zu Heft 26 des Deutschen Ärzteblattes vom 28. Juni 1996) hat der Bewertungsausschuß den EBM mit Wirkung zum 1. Januar 1996 dahin ergänzt, daß die in den Nrn 10, 11, 17, 18, 42, 44 und 851 EBM – und infolge dieser Änderung auch die in den entsprechenden Gebührennummern des BMÄ/E-GO – aufgeführten Beratungs- und Betreuungsleistungen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungsfähig sind, deren Höhe sich aus dem Produkt aus arztgruppenbezogener Fallpunktzahl (für Ärzte für Allgemeinmedizin: 220) und Fallzahl der Arztpraxis ergibt. Eine entsprechende Regelung ist für die Erhebung des Ganzkörperstatus nach Nr 60 EBM getroffen und die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl für Allgemeinärzte insoweit auf 15 festgesetzt worden (Abschn A I Ziff 5, 5.6.1., 5.6.2. sowie Abs 8 der Präambel zu Abschn B II EBM).
Diese Budgetierung von Beratungs- und Untersuchungsleistungen ist, soweit die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1996 betroffen ist, verfassungswidrig und deshalb unwirksam. Die Beklagte durfte diese Regelungen den angefochtenen Bescheiden nicht zugrunde legen. Die Kläger können beanspruchen, daß ihre in den beiden ersten Quartalen des Jahres 1996 erbrachten Leistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42, 851 und 60 BMÄ/E-GO ohne Limitierung auf eine praxisbezogene Punktzahlobergrenze honoriert werden.
Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG) setzt der Befugnis des Gesetzgebers, den Eintritt nachteiliger Rechtsfolgen auf einen Zeitraum vor Verkündung des Gesetzes zu erstrecken, enge Grenzen. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Art 103 Abs 2 GG (Rückwirkungsverbot für Strafbestimmungen) ist er nur unter strengen Voraussetzungen berechtigt, Rechtsfolgen für einen vor Verkündung der Norm liegenden Zeitpunkt eintreten zu lassen (BVerfGE 72, 200, 242, 257 – stRspr). Dabei ist nach der Rspr des BVerfG zu unterscheiden zwischen der nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässigen echten (retroaktiven) Rückwirkung eines Gesetzes, bei der das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, und der unechten (retrospektiven) Rückwirkung von Rechtsnormen, bei der die Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Unechte Rückwirkung von Normen ist unter leichteren Voraussetzungen zulässig, nämlich bereits dann, wenn das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung im Hinblick auf die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit nicht den Vorrang verdient (vgl BVerfGE 36, 73, 82; 40, 65, 75f; 75, 246, 280). Belastende Gesetze hingegen, die sich echte Rückwirkung beilegen, sind wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit, die für den Einzelnen vor allem Vertrauensschutz bedeutet, grundsätzlich nichtig (vgl zur Terminologie Papier, SGb 1994, 105, 107 sowie Fiedler, NJW 1988, 1624, 1625).
Diese Grundsätze sind im vorliegenden Fall anzuwenden; denn bei den Bewertungsmaßstäben iS des § 87 Abs 2 SGB V handelt es sich um Rechtsnormen in der Form sog Normsetzungsverträge. Sie kommen als vertragliche Vereinbarung der in § 87 Abs 1 SGB V aufgeführten Körperschaften durch die Bewertungsausschüsse (§ 87 Abs 3 SGB V) zustande und entfalten gegenüber am Vertragsabschluß nicht beteiligten Dritten (Ärzten, Zahnärzten, Krankenkassen) unmittelbar rechtliche Außenwirkung (BSGE 71, 42, 45 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 13 ff; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 22; BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 39; BSGE 78, 191, 196 = SozR 3-2200 § 368i Nr 1 S 7; ebenso Ebsen in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, 1994, § 7 RdNr 167; Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, 1994, RdNr 727 f). Für den einzelnen Vertragsarzt ergibt sich die Verbindlichkeit der Regelungen (ua) der Bewertungsmaßstäbe aus § 95 Abs 3 Satz 2 SGB V, wonach die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung für den zugelassenen Vertragsarzt verbindlich sind. Auf die in diesem Zusammenhang erörterte Frage, inwieweit grundrechtseinschränkende Regelungen durch Normsetzungsverträge wie die Bewertungsmaßstäbe und die Bundesmantelverträge (§ 82 Abs 1 SGB V) getroffen werden können (vgl dazu BSGE 78, 91, 94 ff = SozR 3-5540 § 25 Nr 2 S 6 ff und Wimmer, MedR 1996, 425 ff), kommt es hier nicht an.
Vorliegend ist ein Fall echter Rückwirkung gegeben. Denn der Beschluß des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 hat frühestens am 28. Juni 1996 gegenüber den Normunterworfenen wirksam werden können und er ordnet ausdrücklich die Begrenzung der Abrechenbarkeit bestimmter ärztlicher Leistungen ab dem 1. Januar 1996 und damit für einen Zeitpunkt vor seiner Bekanntgabe an. Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, ob von echter Rückwirkung iS der Rechtsprechung des 2. Senats des BVerfG erst dann gesprochen wird, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festlegt wird, der vor ihrem förmlichen Inkrafttreten liegt (vgl BVerfGE 63, 343, 353; 72, 200, 242, 250) oder ob von der weitergehenden Rechtsauffassung ausgegangen wird, wonach echte Rückwirkung bereits gegeben ist, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände zum Nachteil der Betroffenen eingreift (vgl BVerfGE 72, 175, 196 sowie Papier, aaO, 107 und Fiedler, aaO, 1625). Auch bei Zugrundelegung des engeren, auf rein formale Gesichtspunkte abstellenden Rückwirkungsbegriffs sind wegen der Inkraftsetzung der Rechtsnorm für einen vor ihrer Bekanntgabe liegenden Zeitraum die Voraussetzungen einer echten Rückwirkung erfüllt.
Maßgeblicher Schnittpunkt für die Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft ist nach der Rspr des BVerfG der Tag der Verkündung einer Norm. Erst zu diesem Zeitpunkt wird die Rechtsnorm rechtlich existent (vgl BVerfGE 63, 343, 353; 72, 200, 241). Für Gesetze und Rechtsverordnungen des Bundes regelt Art 82 GG das Inkrafttreten und die dazu erforderliche Form der Verkündung im Bundesgesetzblatt ausdrücklich. Doch auch die von Art 82 GG nicht erfaßten Normen des geschriebenen Rechts entfalten regelmäßig erst mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung Wirkung, weil sie nämlich „nach deutschem Staatsrecht” erst mit der ordnungsgemäßen Verkündung existent werden (so BVerfGE 63, 343, 353). Demgemäß erweist sich die hinlängliche Publikation von allgemeinverbindlichen, mit Außenwirkung ausgestatteten Rechtsregeln als ein für alle Normsetzungsakte geltendes „rechtsstaatliches Erfordernis” (BVerfGE 44, 322, 350 zu für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen; BVerfGE 65, 283, 291 zu Bebauungsplänen). Im wissenschaftlichen Schrifttum wird dieser Auffassung – soweit ersichtlich – nicht widersprochen (vgl nur Schmidt-Aßmann, in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art 19 IV RdNr 250; Lücke, in Sachs, GG, 1996, Art 82 RdNr 1 sowie Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, 1991, S 156 ff). Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Rechtsauffassung zur Wirkung der Publikation autonomen Satzungsrechts für Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit in Auslegung des § 191 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vertreten und entschieden, daß Anordnungen des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit in dem von der Satzung der Anstalt bestimmten Veröffentlichungsorgan zu publizieren sind und erst mit der Veröffentlichung existent werden (BSGE 71, 202, 207 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3).
Bei dem EBM gilt, jedenfalls soweit ihm Außenwirkung gegenüber solchen Personen und Institutionen zukommt, die an der Normsetzung nicht unmittelbar beteiligt sind, nichts anderes. Für die Gültigkeit des EBM ist seine Publikation erforderlich. Allerdings enthält weder § 87 SGB V selbst noch die Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses eine ausdrückliche Regelung über die Veröffentlichung des EBM oder seiner Änderungen, während etwa § 94 Abs 2 SGB V für die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ausdrücklich bestimmt, daß diese im Bundesanzeiger bekannt zu machen sind (zur Publikationspflicht s auch § 99 Abs 1 Satz 3 SGB V für den Bedarfsplan, § 16 Abs 7, § 16b Abs 4 Ärzte-ZV für die Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen). Aus zwingenden Gründen der Rechtssicherheit setzt die Wirksamkeit von Regelungen des EBM gegenüber den von ihnen Betroffenen, also in erster Linie den Vertragsärzten, voraus, daß die Normadressaten von ihnen haben Kenntnis nehmen können. Deshalb kann auch bei den Bewertungsmaßstäben nicht auf die öffentliche Bekanntgabe als Voraussetzung ihrer rechtlichen Existenz im Verhältnis zu denjenigen, die am Normsetzungsverfahren nicht beteiligt sind, verzichtet werden. Dem entspricht es, daß alle Änderungen des EBM sowie der auf ihm beruhenden Vertragsgebührenordnungen BMÄ und E-GO im Deutschen Ärzteblatt, dem offiziellen Organ der Bundesärztekammer und der KÄBV, oder in Beilagen zu dieser Zeitschrift veröffentlicht worden sind und veröffentlicht werden. Das ist hinsichtlich der rückwirkenden Budgetierung der Beratungs- und Untersuchungsleistungen in einer Beilage zu Heft 26 des DÄ, ausgegeben am 28. Juni 1996, geschehen. Da dieser Tag ein Freitag war und das 2. Quartal 1996 am darauf folgenden Sonntag beendet war, sind die hier entscheidungserheblichen Rechtsänderungen erst rechtlich existent geworden, als das 2. Quartal 1996 von den Möglichkeiten der Leistungserbringung her faktisch abgeschlossen war.
Der Auffassung vor allem der Beigeladenen zu 1), daß der Anwendung der verfassungsrechtlichen Grundsätze über die grundsätzliche Unzulässigkeit der echten Rückwirkung auf die Änderung von Normen des EBM die Besonderheiten der vertragsärztlichen Honorierung entgegenstünden, kann nicht gefolgt werden. Zutreffend ist allerdings, daß der Vertragsarzt mit der Erbringung seiner Leistungen noch keinen betragsmäßig feststehenden Vergütungsanspruch gegenüber seiner KÄV erwirbt. Er hat lediglich einen Anspruch auf Berücksichtigung der von ihm erbrachten Leistungen bei der Verteilung der Gesamtvergütung (vgl BSG, Urteil vom 19. Dezember 1984 – 6 RKa 8/93 – USK 84269, 1365 f). Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, alle Änderungen der für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen maßgeblichen Vorschriften zeitlich vor Erlaß des Honorarbescheides der KÄV könnten allenfalls den Tatbestand der sog unechten (retrospektiven) Rückwirkung erfüllen, weil Gegenstand dieser Regelungen nicht die von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen, vielmehr allein die von den KÄVen zu erbringenden Gegenleistungen seien (so aber auch Schleswig-Holsteinisches LSG – Beschluß vom 22. Mai 1997 – L 6 Sb/Ka 32/97 –). Rechtsgrundlage des Honoraranspruchs, den der Vertragsarzt für die von ihm gegenüber den Versicherten der Krankenkassen erbrachten Leistungen gegen seine KÄV erwirbt, sind einerseits die Regelungen des EBM bzw der darauf beruhenden Vertragsgebührenordnungen BMÄ und E-GO, andererseits die Vereinbarungen in den Gesamtverträgen insbesondere über die Höhe der Gesamtvergütungen (§ 85 Abs 2 SGB V) sowie schließlich die Vorschriften über die Honorarverteilung, insbesondere der auf § 85 Abs 4 SGB V beruhende HVM der KÄV. Die Höhe des Honoraranspruchs des Vertragsarztes sowohl für die einzelne abgerechnete Leistung wie für die Gesamtheit aller von ihm in einem Kalendervierteljahr abgerechneten Leistungen steht zwar erst fest, wenn alle Leistungen aller Mitglieder einer KÄV aus einem Quartal gegenüber der KÄV abgerechnet worden sind, die Gesamtvergütung für alle Kassenarten verbindlich vereinbart ist und somit der für die Honorarhöhe entscheidende Auszahlungspunktwert errechnet werden kann. Gleichwohl vermögen jedenfalls die Vorschriften, die die vertragsärztliche Leistungserbringung steuern, für den Betroffenen Vertrauensschutz zu begründen, was diese Bestimmungen damit grundsätzlich der Anwendung der Grundsätze über die echte Rückwirkung zugänglich macht. Rechtsnormen, die nach Abschluß des für die Leistungserbringung maßgeblichen Zeitraums nachträglich die punktzahlmäßige Bewertung von Leistungen reduzieren, greifen deshalb in abgeschlossene Lebenssachverhalte ein und verringern im nachhinein den Wert der von dem Vertragsarzt erbrachten Leistungen. Solche Normen sind an den Voraussetzungen der Zulässigkeit echter Rückwirkung zu messen. Die dem entgegenstehende Auffassung, Änderungen des EBM könnten immer allenfalls unechte Rückwirkung entfalten, würde letztlich zur weitgehenden Aufhebung der normativen Wirkung des EBM führen und ihn in erheblichem Maße der – nachträglichen – Disponibilität des Normgebers überantworten. Dies würde nicht nur dem schützenswerten Vertrauen der Normunterworfenen auf die Wirkung und Rechtsbeständigkeit der Norm strikt zuwiderlaufen. Auf der Grundlage dieser – konsequent zu Ende gedachten – Auffassung bedurfte es an sich der vorherigen Festlegung von Leistungsbewertungen generell nicht mehr. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Notwendigkeit, den Vorschriften des EBM Bestandsfestigkeit zuzuerkennen, ergibt sich vor allem daraus, daß sie steuernd auf die Leistungserbringung, also auf das Leistungsverhalten des Arztes, einwirken sollen. Die Leistungserbringung im vertragsärztlichen System kann sich grundsätzlich nur nach den Normen vollziehen, die zu dem Zeitpunkt gelten, in dem der Arzt die einzelne Leistung ausführt. Wegen der vielgestaltigen Rechtsfolgen, die daran anknüpfen, muß sowohl für den Versicherten als auch für den Vertragsarzt vor dem Beginn einer Untersuchung/Behandlung insbesondere feststehen, ob eine bestimmte Maßnahme eine im vertragsärztlichen System erbringbare und abrechenbare Leistung darstellt oder nicht. Welche Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden können und wie diese bewertet werden, legt im Regelfall – von hier nicht zu beachtenden Ausnahmen abgesehen – der EBM fest (vgl Urteil des Senats vom 13. November 1996 – 6 RKa 31/95 – BSGE 79, 239, 241 = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 48). Vertragsärzte dürfen deshalb Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erst dann erbringen und können sie erst dann abrechnen, wenn diese durch Beschluß des Bewertungsausschusses zu den „abrechnungsfähigen” ärztlichen Leistungen iS des § 87 Abs 2 SGB V erklärt worden sind.
Die Funktion des EBM erschöpft sich indessen nicht darin, daß in ihm einzelne ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung medizinischer, betriebswirtschaftlicher und sonstiger Gesichtspunkte bewertet werden. Der den EBM erlassende Bewertungsausschuß ist darüber hinaus berechtigt und verpflichtet, über die Definition und Bewertung ärztlicher Leistungen das Leistungsverhalten der Ärzte steuernd zu beeinflussen (vgl bereits Senatsurteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 = BSGE 78, 98, 105 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12). Die dem Bewertungsmaßstab von Gesetzes wegen zukommende Steuerungsfunktion gestattet und erfordert die Einführung ergänzender Bewertungsformen wie Komplexgebühren und Budgetierung bestimmter Leistungen, um die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu fördern oder Verteilungseffekte mit dem Ziel einer angemessenen Vergütung zu erzielen (BSGE 78, 98, 106 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 41). Allen steuernden Regelungen ist gemeinsam, daß die mit ihnen intendierten Zielsetzungen nur erreicht werden können, wenn sie zu dem Zeitpunkt, in dem der einzelne Leistungserbringer über das Ob und das Wie der Leistungserbringung entscheidet, in Kraft sind. Der Senat hat demgemäß bereits in anderem Zusammenhang, nämlich bei der rechtlichen Überprüfung von Vorschriften eines HVM, die eine übermäßige Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit verhüten sollten (§ 85 Abs 3 Satz 4 SGB V), ausgeführt, daß derartige Regelungen nach dem Zweck des Gesetzes steuernd auf das Leistungsverhalten des Arztes einwirken wollen und nicht das Ziel haben, eine eingetretene übermäßige Ausdehnung im nachhinein zu sanktionieren. Verhaltenssteuernde Normen können ihren Zweck jedoch nur erfüllen, wenn sich der Arzt von vornherein darauf einstellen kann, von welchen Grenzbeträgen ab eine übermäßige Ausdehnung seiner kassenärztlichen Tätigkeit vorliegen würde. Das setzt voraus, daß der für den einzelnen Arzt maßgebende Grenzbetrag schon zu Beginn seiner Arbeit – und nicht erst danach – hinreichend bestimmt oder zumindest hinreichend bestimmbar ist (BSG SozR 3-2500 § 368f Nr 3 S 5).
Der nach alldem regelmäßig ausgeschlossenen rückwirkenden Herausnahme ärztlicher Leistungen aus dem EBM steht die rückwirkende Reduzierung der Punktzahl, mit der die einzelne Leistung bewertet ist, gleich. Auch der Punktzahl kommt – jedenfalls in gewissem Unfang – legitimerweise verhaltenssteuernde Tendenz zu; denn die wertmäßige Relation der einzelnen im EBM aufgeführten Leistungen zu anderen Leistungen hat für die Entscheidung des Vertragsarztes, ob er eine bestimmte Leistung erbringen will oder nicht, durchaus Gewicht. Allerdings ist der Umfang der ärztlichen Diagnostik und Therapie in jedem einzelnen Behandlungsfall an den objektiven Maßstäben der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auszurichten (§ 12 Abs 1, § 72 Abs 2 SGB V; vgl auch BSGE 78, 98, 104 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 39 f). Deshalb wird etwa der Einwand eines Arztes, er hätte einen Patienten nicht untersucht, wenn er gewußt hätte, daß eine Untersuchung nur mit einer geringeren Punktzahl als ursprünglich von ihm erwartet honoriert wird, regelmäßig unbeachtlich sein. Daraus folgt indessen nicht, daß jeder Arzt gehalten ist, alle im Rahmen seines Fachgebietes zulässigerweise erbringbaren, im EBM als abrechnungsfähig bezeichneten Leistungen im Rahmen von Diagnostik und Therapie in seiner Praxis vorzuhalten, um sie im Einzelfall bei entsprechender medizinischer Indikation einsetzen zu können. Bei seiner Entscheidung, welche diagnostischen und therapeutischen Verfahren er in seiner Praxis anbieten oder ob er die Patienten insoweit an andere Ärzte verweisen (überweisen) will, darf sich der Arzt vielmehr auch daran orientieren, ob bestimmte Leistungen im Hinblick auf die vorhandene bzw erreichbare Zusammensetzung der Patientenschaft sowie unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten und der erzielbaren Einnahmen wirtschaftlich erbracht werden können. Dabei kann auch die punktzahlmäßige Bewertung einer Leistung von Bedeutung sein, selbst wenn diese Bewertung allein noch nicht die Garantie für einen Honoraranspruch in einer bestimmten Höhe ist. Diese steht vielmehr erst fest, wenn der von Quartal zu Quartal schwankende Auszahlungspunktwert im Rahmen der Honorarverteilung bekannt ist. Die punktzahlmäßige Bewertung einer Leistung im EBM in Relation zu anderen ärztlichen Leistungen ist jedoch von der Höhe des Punktwertes unabhängig. Sie stellt somit den einzigen verläßlichen Parameter dar, auf den der einzelne Arzt seine Entscheidung über die wirtschaftliche Erbringbarkeit einer ärztlichen Leistung stützen kann.
Daß von den Leistungsbewertungen des EBM Anreize einerseits zur vermehrten Leistungserbringung und andererseits zur Einschränkung von bislang als ungerechtfertigt häufig erbracht beurteilten Leistungen ausgehen können und sollen, ist im Gesetz selbst und nachfolgend auch in den Leistungsbewertungen angelegt. So bestimmt § 87 Abs 2a Satz 6 SGB V idF des 4. SGB V-ÄndG vom 4. Dezember 1995 (BGBl I 1558), daß der Betrag, um den die Gesamtvergütung nach § 85 Abs 3a Satz 8 SGB V (ebenfalls idF des 4. SGB V-ÄndG) zu erhöhen waren, für eine Erhöhung der Punktzahl für die hausärztliche Grundvergütung im Rahmen des EBM verwendet wird. Damit sollte die Honorierung der typischen hausärztlichen Leistungen verbessert und auch ein Anreiz für einen verstärkten Einsatz der Vertragsärzte in diesem Bereich gegeben werden, dem nach der Einschätzung des Gesetzgebers eine Schlüsselrolle im System der ambulanten ärztlichen Versorgung zukommt (hierzu BSG-Urteil vom 18. Juni 1997 – 6 RKa 58/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Der ökonomische Anreiz ist noch dadurch verstärkt worden, daß das Gesetz in § 85 Abs 4a Satz 1 SGB V bestimmt hat, daß die KÄVen im HVM sicherstellen müssen, daß die Ausweitung der Zahl der abgerechneten Leistungen keine Auswirkung auf den Punktwert der hausärztlichen Grundvergütung nach § 87 Abs 2a SGB V hat (vgl dazu auch BSGE 77, 279, 287 = SozR 3-2500 § 85 Nr 12). Der Hausarzt sollte durch diese Regelung in den Stand gesetzt werden, relativ genau und ohne das Risiko eines durch die Mengenausweitung induzierten Punktwertverfalls die ihm zufließenden Einnahmen aus der hausärztlichen Grundvergütung kalkulieren zu können. Diese Regelungen verdeutlichen, daß das Gesetz selbst ungeachtet der in jedem Einzelfall vorrangigen medizinisch-fachlichen Gesichtspunkte für die einzelne ärztliche Maßnahme einen engen Zusammenhang zwischen Honorarerwartung des Arztes und seiner Entscheidung für eine bestimmte Leistungserbringung sieht, diesen Zusammenhang akzeptiert und ihn sich zu Steuerungszwecken zunutze macht.
Den gegenläufigen Effekt iS des Setzens von ökonomischen Anreizen zur Reduzierung der Leistungserbringung hat der Bewertungsausschuß auf der Grundlage des § 87 Abs 2 SGB V durch die zum 1. April 1994 erfolgte Einführung eines sog Praxisbudgets für Basislaborleistungen (vgl BSGE 78, 98 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 12) erreichen wollen, die zu Einsparungen bei den Ausgaben für Laborleistungen und zur Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven in diesem Leistungsbereich beitragen sollte (BSG aaO, S 108 = SozR aaO S 44). Diese in Kapitel O I EBM normierte Begrenzung der für Basislaborleistungen abrechenbaren Punkte entspricht in ihrer Ausgestaltung und Wirkungsweise weitgehend der hier zu beurteilenden Einführung von Punktzahlobergrenzen für bestimmte Beratungs-, Betreuungs- und Untersuchungsleistungen, die ihre Rechtsgrundlage in § 87 Abs 2a SGB V findet. Die Zielsetzung beider Budgetierungsregelungen besteht übereinstimmend nicht in erster Linie in der Beschränkung des ärztlichen Honorarvolumens, sondern in der Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens, indem durch Punktzahlobergrenzen wirtschaftlich der Anreiz zur vermehrten Leistungserbringung im jeweiligen Leistungsbereich reduziert bzw vollständig aufgehoben werden soll.
Die Einführung einer arztgruppenbezogenen Punktzahlobergrenze für bestimmte Leistungen gehört deshalb zu den für die Leistungserbringung maßgeblichen Umständen. Sie muß grundsätzlich vor dem jeweiligen Behandlungsquartal normiert worden sein, für das sie gelten soll. Die rückwirkende Normierung von Punktzahlobergrenzen verringert nachträglich die vom betroffenen Vertragsarzt abrechenbare Punktmenge und bewertet damit seine Leistungen neu. Sie greift damit in einen abgeschlossenen Sachverhalt ein, dem für den Honoraranspruch des Arztes in erheblichem Umfang Bedeutung zukommt. Ihr kann deshalb eine echte Rückwirkung nicht abgesprochen werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß durch die Budgetierung der in den Nrn 10, 11, 17, 18, 41, 44 und 851 EBM erfaßten Beratungs- und Betreuungsleistungen das Leistungsverhalten des Arztes nicht hätte beeinflußt werden können, weil gerade diese Leistungen bei ordnungsgemäßer Handhabung nicht durch andere Leistungen zu ersetzen seien. Diese Betrachtungsweise läßt außer acht, daß der Normgeber des EBM vom Gegenteil ausgegangen ist. Eines der Hauptanliegen des EBM 96 war es, an Stelle der bisherigen Überbetonung und -bewertung apparativer (technischer) medizinischer Leistungen die der sog „sprechenden Medizin” in den Vordergrund zu rücken. Dem EBM selbst liegt mithin die Prämisse zugrunde, daß das ärztliche Behandlungsverhalten in nicht unerheblichem Umfang zu stark auf technische Leistungen und zu wenig auf Beratungs- und Betreuungsleistungen ausgerichtet war, letztere also in Zukunft verstärkt an die Stelle von – zulässigerweise erbrachten – technischen Leistungen treten sollen.
So wie für Punktzahlenobergrenzen dargelegt, hat auch die vom Bewertungsausschuß in Kapitel A I, Ziff 5.6.1. und 5.6.2. EBM 1996 geregelte Budgetierung nicht zur Folge, daß tatsächlich erbrachte Leistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42, 44, 60, 851 BMÄ/E-GO nicht mehr vergütet werden. Sie bewirkt lediglich, daß bei einer Überschreitung des fallzahlabhängigen Grenzwertes die Höhe der Vergütung für die einzelne Leistung sinkt (vgl BSGE 78, 98, 108 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 44). Die mit der nachträglichen Einführung einer Obergrenze der abrechenbaren Punktzahlen für bestimmte Beratungs- und Betreuungsleistungen verbundene Entwertung der erbrachten Einzelleistungen stellt einen Eingriff in einen vom Vertragsarzt mit der Leistungserbringung erworbenen Rechtsanspruch dar. Der Senat hat zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt bereits entschieden, daß die Übergangsvereinbarung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZÄBV) und der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Neufassung der Gebührennummern 119, 120 des Bewertungsmaßstabs für die kassenzahnärztlichen Leistungen (Bema) in der ab 1. Januar 1981 geltenden Fassung unwirksam war, soweit sie zum Inhalt hatte, daß rückwirkend das dem behandelnden Kieferorthopäden für zwölf Behandlungsquartale zustehende Honorar als für 16 Quartale gezahlt gelten sollte. Der Senat hat in dieser Ausweitung der mit dem Honorar abgegoltenen Behandlungsdauer eine (unzulässige) nachträgliche Änderung des Rechtsgrundes für den Zahlungsanspruch des Zahnarztes gesehen (BSG SozR 5535 Allg Nr 1 S 5 f). In der Wirkung für den betroffenen Arzt macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob sein Anspruch auf Honorar für erbrachte Leistungen rechnerisch unangetastet bleibt, aber nachträglich als Gegenleistung für mehr Leistungen als ursprünglich vorgesehen behandelt wird, oder ob das Punktzahlenkontingent für erbrachte Einzelleistungen, mit dem der Arzt an der Honorarverteilung teilnimmt, nachträglich durch die Einführung von Punktzahlobergrenzen für bestimmte Leistungskomplexe reduziert wird.
Die demnach vorliegende echte (retroaktive) Rückwirkung ist rechtswidrig. Normen dürfen nur in Ausnahmefällen echte Rückwirkung entfalten. Als ein solcher Ausnahmetatbestand ist in der Rechtsprechung des BVerfG insbesondere der Umstand anerkannt, daß die Rechtsunterworfenen mit einer Neuregelung bezogen auf einen vor Inkrafttreten des Gesetzes liegenden Zeitpunkt rechnen mußten, weil die gesetzliche Neuregelung eine unklare oder verworrene bzw lückenhafte Regelung ersetzt hat oder die ersetzte Regelung in einem Maße systemwidrig oder unbillig war, daß ernsthafte Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit bestehen mußten. Gleiches gilt, wenn durch die Rückwirkung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht worden ist, und schließlich dann, wenn zwingende Gründe des allgemeinen Wohls, die dem Vertrauensschutz der Rechtsunterworfenen vorgehen, die rückwirkende Inkraftsetzung der Regelung im Einzelfall legitimieren können (vgl BVerfGE 30, 367, 387 ff; 88, 384, 404). Keiner dieser Sachverhalte liegt hier vor.
Die Regelungen im EBM hinsichtlich der von der Budgetierung betroffenen Beratungs-, Untersuchungs- und Betreuungsleistungen waren in dem Maße eindeutig und klar, wie Leistungslegenden der vertragsärztlichen Gebührenordnungen klar sein können, und boten jedenfalls keine über das zulässige Maß hinausgehenden Auslegungs- und Anwendungsprobleme. Daß über die richtige Anwendung von einzelnen Leistungspositionen der Gebührenordnungen stets Meinungsverschiedenheiten bestehen können und daß von Leistungslegenden der Gebührenordnungen in unterschiedlichem Maße wegen der sehr begrenzten Möglichkeiten der Kontrolle Anreize zu Fehlabrechnungen ausgehen können, stellt keine „Unklarheit und Verworrenheit” des geltenden Rechts iS der Rückwirkungsrechtsprechung des BVerfG dar.
Im übrigen ist der mit der rückwirkenden Budgetierung verbundene Eingriff in die durch die Leistungserbringung erworbenen Ansprüche der Vertragsärzte als besonders gravierend zu beurteilen, weil er – ohne seinerseits noch Steuerungseffekte erzielen zu können – genau die Lenkungsabsichten des Normgebers bei der Neugestaltung des EBM zum 1. Januar 1996 weitgehend eingeschränkt hat und so als Sanktion gerade gegenüber denjenigen Ärzten wirkt, die die mit der EBM-Reform zum 1. Januar 1996 gesetzten Anreize zur Leistungserbringung in bestimmten Bereichen aufgenommen haben. Zum 1. Januar 1996 sind die Kapitel B I und B II des EBM weitgehend umgestaltet und – wie bereits angesprochen – vor allem neue Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen für die hausärztliche und – in reduziertem Umfang – auch für die fachärztliche Betreuung geschaffen worden (vgl die ergänzende Vereinbarung der Partner der Bundesmantelverträge zur Reform des EBM vom 14. September 1995, DÄ 1995 A-2585). Sämtliche von der rückwirkenden Budgetierung betroffenen Beratungs-, Gesprächs- oder Betreuungsleistungen sind zum 1. Januar 1996 neu eingeführt oder völlig umgestaltet (Nrn 11, 17, 18, 42, 44) bzw wesentlich aufgewertet worden (Nr 851), auch um gerade Leistungen der „sprechenden Medizin” in Abgrenzung zur „Apparatemedizin” für den Arzt wirtschaftlich attraktiver zu gestalten. Aus diesen Maßnahmen hätte sich nach den dem Senat vorgelegten Unterlagen auch ohne die Ausweitung von Leistungsmengen eine – gewollte – Erhöhung der abgerechneten Gesamtpunktzahl pro Quartal um 7 bis 8 % ergeben. Demgegenüber hat sich die Steigerung der für die maßgeblichen Beratungs- und Betreuungsleistungen abgerechneten Punktzahl gegenüber dem Vergleichsquartal tatsächlich auf 15 bis 17 % belaufen. Sie ist mithin nur zu einem Teil für die Ausweitung des Gesamtpunktzahlbetrags auf über 30 % verantwortlich.
Die Einführung der Punktzahlobergrenzen für die genannten Leistungen nimmt die ursprüngliche Intention des EBM 96 weitgehend zurück, wie exemplarisch an der Leistung nach Nr 10 BMÄ/E-GO deutlich wird. Das mindestens zehn Minuten dauernde hausärztliche Gespräch ist mit 300 Punkten bewertet worden. Die Punktzahlobergrenze für alle Leistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42, 44, 851 BMÄ/E-GO beträgt für Allgemeinmediziner 220 Punkte je Behandlungsfall. Daraus ist abzuleiten, daß ein ausschließlich hausärztlich tätiger Arzt das therapeutische hausärztliche Gespräch rechnerisch pro Quartal nicht bei jedem seiner Patienten vergütet bekommen kann. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Budgetierung sind – jedenfalls bezogen auf die Kläger – erheblich. Das wird bereits dadurch belegt, daß ihre Honorarforderungen nach Anwendung der Budgetierungsregelung um 433.000 bzw 382.000 Punkte vermindert worden sind, und dies zu einer Reduzierung des den Klägern insgesamt zustehenden Honorars um mehr als 20 % geführt hat. Daß eine solche Verminderung bei einem durchschnittlichen Quartalshonorar von brutto 90.000,00 DM (für zwei Vertragsärzte) wesentliche Auswirkungen auf die Möglichkeit der Praxisführung hat, bedarf keiner näheren Darlegungen.
Der Gesichtspunkt, daß die betroffenen Vertragsärzte mit einer rückwirkenden Rechtsänderung zum 1. Januar 1996 hätten rechnen müssen, legitimiert hier die rückwirkende Inkraftsetzung der Budgetierungsregelungen nicht. Von einer solchen Rechtsänderung mußten die Ärzte nämlich frühestens zum Ende des 2. Quartals 1996 ausgehen. Im Zusammenhang mit der Reform des EBM zum 1. Januar 1996 waren als Zielvorgaben ua die Verbesserung der hausärztlichen Vergütung angegeben worden. Zugleich hatten die KÄBV und die Spitzenverbände der Krankenkassen in der bereits erwähnten Vereinbarung zur EBM-Reform vom 14. September 1995 (DÄ 1995 A-2585) den Vertragsärzten ihre Einschätzung mitgeteilt, daß sich die Auswirkungen der Neugestaltung des EBM nicht sicher kalkulieren ließen, weshalb Korrekturen und strukturelle Änderungen bereits zum 1. Juli 1996 nicht ausgeschlossen werden könnten. Das bedeutet, daß die im Bewertungsausschuß zusammenarbeitenden Vertragspartner Kenntnis davon hatten, daß die Neuregelungen mit Risiken hinsichtlich der Kalkulierbarkeit des Leistungsgeschehens verbunden waren, und daß sie selbst kein Vertrauen der betroffenen Vertragsärzte begründen wollten, es werde bei den zunächst eröffneten Abrechnungsmöglichkeiten für eine längere Zeit bleiben. Umgekehrt ist daraus der Schluß zu ziehen, daß der Normgeber sich selbst und vor allem den betroffenen Ärzten eine Zeitspanne von (nur) zwei Quartalen gesetzt hat, innerhalb derer die Ärzte nach dem neu geschaffenen Bewertungsmaßstab arbeiten und abrechnen können sollten, und nach deren Abschluß entschieden werden sollte, ob Änderungsbedarf besteht und ggf in welcher Hinsicht. Gerade wenn Regelungen von vornherein nur für eine kurze Zeitspanne gelten sollen bzw ihr Inkraftsetzen mit der Erklärung des Normgebers verbunden wird, nach Ablauf einer kurzen Experimentier- und Erprobungszeit sei ggf mit Änderungen zu rechnen, können sich die Normunterworfenen darauf einstellen, zumindest in der kurzen, ihnen zugebilligten Zeit mit den erlassenen Vorschriften arbeiten und diese auch nutzen zu können.
Das Vertrauen der Vertragsärzte auf den Fortbestand der Abrechnungsmöglichkeiten des EBM in der zum 1. Januar 1996 in Kraft gesetzten Fassung ist nicht durch den im DÄ vom 19. April 1996 veröffentlichten Beschluß des Bewertungsausschusses vom 28. März 1996 zerstört worden. Darin wird auf die sich abzeichnende Steigerung des Punktzahlvolumens im 1. Quartal 1996 hingewiesen, eine Budgetierung von Gesprächsleistungen und Ganzkörperuntersuchungen nach den Nrn 60 und 801 BMÄ/E-GO als möglich angekündigt und schließlich in Aussicht gestellt, diese Budgetierung bereits rückwirkend zum 1. Januar 1996 in Kraft zu setzen, wenn die Punktzahlsteigerung im Quartal I/96 in Relation zum Quartal I/94 die Grenze von 20 % übersteige. Der Auffassung des SG, daß durch diese Ankündigung das Vertrauen der Vertragsärzte auf den Fortbestand des EBM zumindest bis zum 30. Juni 1996 zerstört worden sei, folgt der Senat nicht. In der Rechtsprechung des BVerfG ist als frühester Zeitpunkt der Zerstörung des Vertrauens auf den Bestand einer gesetzlichen Regelung der Zeitpunkt der endgültigen Beschlußfassung des Deutschen Bundestages über die jeweilige gesetzliche Regelung angenommen worden (vgl BVerfGE 72, 200, 260, 262; s auch Fiedler, NJW 1988, 1624, 1628). Die Verlautbarung von Regelungsabsichten bzw die Behauptung im politischen Raum, es bestehe Regelungs- bzw Neuregelungsbedarf, reichen zur Störung des Vertrauens der Rechtsunterworfenen auf den Fortbestand der Rechtsnorm regelmäßig nicht aus. Eine andere Bewertung ist auch im vertragsärztlichen Bereich nicht angezeigt. Der Beschluß des Bewertungsausschusses vom 28. März 1996 hat den betroffenen Vertragsärzten aufgezeigt, daß es – auch infolge der Neugestaltung des EBM – zu erheblichen Zuwächsen bei den abgerechneten Punktzahlen gekommen ist, die vor allem im Zusammenwirken mit den begrenzten Gesamtvergütungen zum Absinken der Punktwerte und damit zu Einschränkungen bei der Honorierung der ärztlichen Leistungen würden führen können. Auch nach Kenntnisnahme dieses Beschlusses war für den einzelnen Vertragsarzt nicht absehbar, ob nun eine rückwirkende Budgetierung eingeführt werden würde oder nicht, weil der Vertragsarzt individuell weder beeinflussen oder auch nur übersehen konnte, ob der Punktwertanstieg im Quartal I/96 im Verhältnis zum Quartal I/94 die vom Bewertungsausschuß für wesentlich gehaltene Grenze von 20 % erreichen würde. Auf der anderen Seite mußte der Vertragsarzt weiterhin davon ausgehen, daß das Abrechnungsverhalten in den beiden ersten Quartalen des Jahres 1996 als Basis für eine erneute Umgestaltung des EBM möglicherweise zum 1. Juli 1996 genommen würde. Das konnte dafür sprechen, auch im Quartal II/96 die bewußt gesetzten Anreize zur Verbesserung vor allem der Vergütung typisch hausärztlicher Leistungen – selbstverständlich im Rahmen peinlich korrekter Leistungsabrechnung – weiterhin zu nutzen. Im übrigen hatte der einzelne Vertragsarzt keinen Einfluß darauf, ob die anderen Vertragsärzte iS der Intention des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 28. März 1996 ihre Punktzahlanforderung reduzieren und so mittelbar eine gewisse Punktwertstabilisierung herbeiführen oder ihrerseits in der Angst vor einer zunehmenden Punktwertabsenkung weiterhin möglichst die Menge der erbrachten Leistungen ausweiten würden. Die Auswirkungen des Beschlusses des Bewertungsausschusses erschöpften sich deshalb darin, ein massives Signal hinsichtlich eines erheblichen Mengenproblems zu geben. Der Beschluß vom 28. März 1996 war aber nicht geeignet, das Vertrauen der Vertragsärzte auf den unveränderten Fortbestand der Abrechnungsregelungen des EBM zumindest bis zum 30. Juni 1996 zu zerstören.
Ein Wegfall des schutzwürdigen Vertrauens zu einem früheren Zeitpunkt als dem 30. Juni 1996 ergab sich auch nicht aus dem Beschluß des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996. Zwar können nach der Rspr des BVerfG unter Vertrauensschutzgesichtspunkten auch gegen eine echte Rückwirkung von Gesetzen verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben sein, soweit lediglich die Zeit zwischen dem Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages und der Verkündung der geänderten oder neu erlassenen Norm im Bundesgesetzblatt betroffen ist. Ab dem Tag der „endgültigen Beschlußfassung im Bundestag” müssen danach die Betroffenen mit der Rechtsänderung rechnen und können ihr Verhalten darauf einstellen (vgl BVerfGE 72, 200, 260, 262; Fiedler, aaO). Dieser Gesichtspunkt kann jedoch bei untergesetzlichen Normen keine Anwendung finden (s bereits BSGE 71, 202, 207 f = SozR 3-4100 § 45 Nr 3). Die Verhandlungen und Beschlußfassungen im Bewertungsausschuß sind nicht öffentlich (§ 6 der Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses vom 25. Oktober 1977, abgedruckt bei Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, Abschn F, RdNr F 34 ff). Ihnen fehlt daher die das förmliche Gesetzgebungsverfahren kennzeichnende Publizität. Die von Änderungen des EBM betroffenen Vertragsärzte können von ihnen vor einer Mitteilung der KÄBV oder ihrer KÄVen über den Inhalt der gefaßten Beschlüsse keine Kenntnis haben (vgl auch insoweit bereits BSGE 71, 202, 207 f = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 zu den Anordnungen des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit). Da im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit und das Erfordernis einer gleichmäßigen Rechtsanwendung im ganzen Bundesgebiet nicht darauf abgestellt werden kann, wann der einzelne Vertragsarzt von einer beschlossenen Änderung des EBM tatsächlich Kenntnis genommen hat, muß in Anwendung des in Art 82 GG und § 94 Abs 2 SGB V zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedankens angenommen werden, daß Änderungen des EBM frühestens mit dem Tag ihrer Veröffentlichung im DÄ nach außen Wirksamkeit erlangen. Ob für die Rechtsbeziehungen der an dem Zustandekommen der Bewertungsmaßstäbe beteiligten Körperschaften und Institutionen (KÄBV, Spitzenverbände der Krankenkassen, Bewertungsausschuß) untereinander im Hinblick auf den Vertragscharakter der Bewertungsmaßstäbe (vgl § 87 Abs 1 SGB V) abweichend auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung oder denjenigen der Zustellung des Wortlauts der gefaßten Beschlüsse (vgl § 7 Sätze 4 und 9 der Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses) abzustellen ist, kann auf sich beruhen; denn hier geht es allein um die Wirksamkeit von EBM-Änderungen gegenüber nicht am Normsetzungsverfahren beteiligten Dritten.
Die rückwirkende Einführung einer Punktzahlobergrenze für zahlreiche wichtige Beratungs- und Untersuchungsleistungen läßt sich schließlich nicht damit rechtfertigen, daß diese Maßnahme zur Abwendung schwerster Nachteile für die überwiegende Zahl der Vertragsärzte und damit mittelbar für das System der ambulanten ärztlichen Versorgung durch in freier Praxis tätige Ärzte insgesamt geboten gewesen sei. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist allerdings die Auffassung der Beigeladenen zu 1), der Bewertungsausschuß habe als Normgeber eine rechtliche Verantwortung für die Auswirkungen, die sich aus der Anwendung der EBM-Reform zum 1. Januar 1996 seitens der Vertragsärzte ergeben haben. Gerade wenn die Einschätzung des Bewertungsausschusses zutrifft, (auch) die Ausgestaltung der neu geschaffenen Beratungsleistungen zum 1. Januar 1996 habe Anreize für eine nicht mehr medizinisch-fachlich erklärbare Steigerung der abgerechneten Punktzahlen im Quartal I/96 um etwas mehr als 30 % gegenüber dem Quartal I/95 gegeben, ist es systemgerecht, wenn sich der Bewertungsausschuß als Normgeber umgehend um geeignete Korrekturmaßnahmen bemüht. Ob dazu die Einführung eines Teilbudgets für die Leistungen nach den Nrn 10, 11, 17, 18, 42, 44, 851 BMÄ/E-GO sowie für die Erhebung des Ganzkörperstatus nach Nr 60 BMÄ/E-GO geeignet ist und ob die Punktzahlobergrenzen dabei rechtmäßig festgesetzt worden sind (zu den Maßstäben gerichtlicher Kontrolle s Senatsurteile vom 29. Januar 1997 – 6 RKa 3/96 und 18/96 –, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), bedarf hier keiner näheren Prüfung. Zur Punktwertstabilisierung für bereits vom ärztlichen Leistungsgeschehen her abgeschlossene Quartale durfte der Bewertungsausschuß jedenfalls diese Bewertungsform rückwirkend nicht einsetzen. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Der Anstieg der von den Vertragsärzten im Quartal I/96 gegenüber dem Quartal I/95 abgerechneten Leistungen war im Hinblick auf den trotz der Beendigung der Phase der strikten Budgetierung (§ 85 Abs 3a SGB V) am 31. Dezember 1995 streng limitierten Anstieg der Gesamtvergütungen grundsätzlich geeignet, den Auszahlungspunktwert im Verhältnis zwischen den einzelnen KÄVen und ihren Mitgliedern deutlich absinken zu lassen. Eine (nachträgliche) Reduzierung der abrechnungsfähigen Punktzahlen war ihrerseits geeignet, diesem unerwünschten Ergebnis entgegenzuwirken. Gleichwohl war der steuernde Ansatz auf Bundesebene allein bei der Punktzahlbegrenzung für Gesprächsleistungen und der Erhebung des Ganzkörperstatus nicht gerechtfertigt, weil damit auf jede Differenzierung nach Arztgruppen, nach Haus- bzw Fachärzten und vor allem nach den tatsächlichen Punktwerten in den einzelnen KÄVen verzichtet worden ist. Aus der Tatsache, daß ein Punktwertverfall generell im Quartal I/96 zu erwarten war, ergeben sich keine Rückschlüsse darauf, in welchen regionalen Bereichen und bei welchen Arztgruppen mit welchen Punktwerten zu rechnen war, und wo deshalb zur Vermeidung von existenzgefährdenden Auswirkungen unverzüglich Stützungsmaßnahmen ergriffen werden mußten. Die Beigeladene zu 1) hat errechnet und dem Senat mitgeteilt, daß der Anstieg der abgerechneten Punktzahlen im Quartal I/96 gegenüber dem Quartal I/95 von ca 50 % (Kinderärzte) bis zu ca 5 % (Radiologen) geschwankt hat, und daß er ca zur Hälfte auf medizinisch-technische Leistungen entfallen ist, die von der EBM-Reform 1996 kaum betroffen waren. Zudem ist als gerichtsbekannt zu berücksichtigen, daß in einzelnen KÄVen für die Honorarverteilung feste Kontingente der einzelnen Arztgruppen an der insgesamt zu verteilenden Gesamtvergütung vorgesehen sind (vgl BSGE 77, 288 = SozR 3-2500 § 85 Nr 11). Daraus ist abzuleiten, daß die Auswirkungen von Punktzahlsteigerungen auf den für den einzelnen Vertragsarzt entscheidenden Auszahlungspunktwert weitgehend vom Abrechnungsverhalten der einzelnen Arztgruppen und von den im jeweiligen KÄV-Bereich geltenden Honorarverteilungsregelungen bestimmt werden. Die Bewältigung derjenigen Probleme, die durch ein nach Arztgruppen unterschiedliches Abrechnungsverhalten der Vertragsärzte nach dem Inkrafttreten einer weitgehend neu gestalteten Gebührenordnung aufgetreten sind, ist deshalb in erster Linie Sache derjenigen Körperschaft, die für den Erlaß der Regelungen über die Honorarverteilung zuständig ist, nämlich der KÄV. Diese hat eine relativ verläßliche Übersicht darüber, bei welchen Arztgruppen die Folgen eines Punktwertverfalls unter Berücksichtigung der Zielsetzung der EBM-Reform hingenommen werden können oder als unvermeidbar hingenommen werden müssen. Sie überblickt auch, in welchen Bereichen der Punktwertverfall gesundheits- wie honorarpolitisch unerwünscht ist und zur Gefährdung zahlreicher im Grunde wirtschaftlich arbeitender und für die ambulante Versorgung insgesamt notwendiger Arztpraxen führen kann.
Die KÄVen können aufgrund der ihnen vorliegenden Unterlagen auch allein beurteilen, ob im Rahmen von Notmaßnahmen die Punktwerte für bestimmte Arztgruppen zu Lasten der Punktwerte für andere Arztgruppen auf einem bestimmten Niveau gestützt werden müssen oder ob zeitlich befristete Ausgleichszahlungen an bestimmte Praxen oder Arztgruppen geboten sind. Hinsichtlich der in einer bedrohlichen Honorarsituation zu ergreifenden Maßnahmen steht den KÄVen im Rahmen der Honorarverteilung auf der Grundlage des § 85 Abs 4 SGB V ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, bei dessen Anwendung sie gehalten sind, den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu beachten (vgl zuletzt BSGE 77, 288, 291 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 11). Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer potentiell massiven Gefährdung einzelner Praxen wird den KÄVen auch nicht verwehrt sein, nach Abschluß eines von überproportionalen Leistungsausweitungen gekennzeichneten Quartals im HVM sachgerechte Regelungen zu treffen, um unerwünschten Verteilungswirkungen gegensteuern zu können. Der Senat hat es bereits gebilligt, daß eine KÄV in ihrem HVM rückwirkend Vorschriften eingeführt hat, die Rückgängen der von den Krankenkassen für Laboruntersuchungen geleisteten Gesamtvergütungsanteile durch eine sachgerechte Verteilung dieser Mindereinnahmen auf die Honorierung speziell der jeweiligen Laborleistungen der einzelnen Kassenärzte Rechnung getragen haben (Senatsurteil vom 19. Dezember 1984 – 6 RKa 8/83 – USK 84269 S 1359, 1365 f). Das bedeutet nicht, daß das grundsätzliche Verbot einer rückwirkenden Änderung von Normen nicht prinzipiell auch für die als Satzung zu beschließenden Honorarverteilungsmaßstäbe gelten würde. Maßnahmen der Honorarverteilung, wie die Einführung von Mindestpunktwerten für bestimmte Leistungen bzw Leistungskomplexe oder die Bildung von festen Anteilen, die aus den Gesamtvergütungen für bestimmte Leistungen maximal aufzuwenden sind „Topfbildung”), knüpfen jedoch anders als Korrekturen im Bewertungsgefüge des EBM nicht an die Leistungserbringung, sondern allein an die Verteilung der Gesamtvergütung an. Von ihnen geht deshalb in sehr viel geringerem Umfang eine steuernde Wirkung auf das Leistungsverhalten des einzelnen Arztes aus, zumal die für die Höhe des Auszahlungspunktwertes maßgeblichen Parameter, nämlich die Höhe der Gesamtvergütung, die Höhe der Vorabzahlungen der einzelnen KÄV (zB im Fremdkassenausgleich) und vor allem Umfang und Art der von allen Ärzten abgerechneten Leistungen, regelmäßig erst längere Zeit nach Quartalsabschluß feststehen bzw feststehen können.
Soweit die Beigeladene zu 1) schließlich die Auffassung vertritt, selbst wenn Maßnahmen der Honorarverteilung Vorrang vor rückwirkenden Korrekturen des EBM haben sollten, hätte dieser Vorrang konkret im Jahre 1996 nicht realisiert werden können, weil alle in Betracht kommenden Maßnahmen der KÄVen zur Punktwertstabilisierung von vornherein ungeeignet gewesen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Es mag zutreffen, daß durch die Einführung verschärfter Plausibilitätskontrollen und durch eine Intensivierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nur ein kleiner Teil des Leistungsanstiegs aus dem Quartal I/96 aufgefangen werden kann. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb die einzelnen KÄVen der Gefahr eines generell zu stark absinkenden Verteilungspunktwertes in den Quartalen I/96 und II/96 nicht durch die Schaffung arztgruppenbezogener Honorarkontingente und/oder durch die Beschlußfassung über Stützungsmaßnahmen für bestimmte, besonders betroffene Arztgruppen in einer Weise hätten Rechnung tragen können, die der wirkungsungenauen Steuerung seitens des Bewertungsausschusses an Zielgenauigkeit und Verhältnismäßigkeit deutlich überlegen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174363 |
BSGE 81, 86 |
BSGE, 86 |
SozR 3-2500 § 87, Nr.18 |
AusR 1998, 25 |
SozSi 1998, 238 |