Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.07.1986) |
SG Speyer (Urteil vom 18.09.1984) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Juli 1986 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 18. September 1984 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf höheres als das von der Beklagten festgestellte Konkursausfallgeld (Kaug) hat.
Der bei der Papierfabrik M. GmbH beschäftigte Kläger war seit dem 13. Januar 1982 wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt. Sein Arbeitsverhältnis endete am 15. November 1982, nachdem bereits am 27. Oktober 1982 der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin abgelehnt worden war. Die Beklagte gewährte dem Kläger Kaug in Höhe von 1839,46 DM, wobei sie die vom Kläger geltend gemachte Urlaubsabgeltung von 12 Tagen für das Jahr 1981 unberücksichtigt ließ. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger das Kaug auch unter Zugrundelegung eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung für 12 Tage aus dem Urlaubsjahr 1981 zu zahlen. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, den Resturlaub für das Jahr 1981 bis zu seinem Arbeitsunfall am 13. Januar 1982 zu nehmen. Danach sei er durch die Folgen des Arbeitsunfalls verhindert gewesen. Die Arbeitgeberin sei noch im Sommer 1982 bereit gewesen, den rückständigen Urlaub zu gewähren.
Der Anspruch auf Urlaub sei daher nicht verfallen und im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne weiteres in den Abgeltungsanspruch Übergegangen. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung falle auch in den Kaug-Zeitraum, denn er entstehe mit dem Urlaubsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, daß bezahlte Freizeit wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden könne. Es sei daher nicht schädlich, daß es sich um Urlaubsansprüche aus dem Jahre 1981 handele.
Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, der Kläger habe für den Resturlaub aus dem Jahre 1981 keinen Urlaubsabgeltungsanspruch, denn der Urlaubsanspruch sei mit Ablauf des 31. März 1982 erloschen. Der Kläger habe ihn nicht erfolglos geltend gemacht. Die gegenteilige Feststellung des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn das Berufungsgericht habe lediglich die Angaben der früheren Geschäftsführerin Z., nicht aber des späteren Geschäftsführers gewürdigt. Im übrigen sei aber ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch deshalb nicht entstanden, weil ein Urlaubsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbar sei. Aber auch ein bestehender Urlaubsabgeltungsanspruch könne nicht berücksichtigt werden, weil er nicht auf den Kaug-Zeitraum entfalle.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig und die Revision der Beklagten für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.
Die begründete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers, denn das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Recht abgewiesen.
Selbst wenn man mit dem Kläger und dem Berufungsgericht davon ausgeht, daß der Kläger wegen des nicht in Anspruch genommenen Resturlaubs aus dem Jahre 1981 einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erworben hat, steht dem Kläger ein höheres als das festgestellte Kaug nicht zu. Ein solcher Anspruch wäre zeitlich nicht den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten des Arbeitsverhältnisses (Kaug-Zeitraum) zuzuordnen. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hatte zwar am 30. November 1977 (BSGE 45, 191 s SozR 4100 § 141b Nr. 5) entschieden, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) bestehe iS von § 141b Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) regelmäßig für die letzten, der Urlaubsdauer entsprechenden Tage des Arbeitsverhältnisses. Dieser Abgrenzung ist – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – der erkennende Senat in seinem Urteil vom 20. August 1986 (10 RAr 1/85) für § 141n AFG schon im Hinblick auf die umfassende neue Regelung der sozialversicherungsrechtlichen, insbesondere der mitgliedschafts- und beitragsrechtlichen Einordnung der Urlaubsabgeltung durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1497) nicht gefolgt. Vielmehr ist er davon ausgegangen, daß sich der Urlaubsabgeltungszeitraum – jedenfalls für die Dauer der Regelung durch das AFKG – unmittelbar an das Ende des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne anschließt. Zur Begründung hat er dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:
„Auszugehen ist in Übereinstimmung mit dem 8. Senat des BSG (BSGE 56, 208) und dem 12. Senat (aaO) davon, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch versicherungsrechtlich keine Einmalzahlung, sondern eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum ist. Ziel der Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist es, dem Arbeitnehmer auch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit zu erhalten, mit der Urlaubs-Abgeltungszahlung eine dem abgegoltenen Urlaub entsprechende Freizeit zu nutzen (Stahlhacke/Bachmann/Bleistein aaO, RdNr. 140 zu § 7 mwN; vgl. auch 8. Senat des BSG aaO). Der Urlaubsabgeltungszeitraum ist damit arbeitsrechtlich vom Urlaub selbst nicht wesensverschieden (BAG AP Nr. 5 zu § 3 BUrlG – Rechtsmißbrauch –). Die Urlaubsabgeltung ist ein Surrogat des Urlaubs. Weil aber ein im Zeitpunkt einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehender Anspruch auf Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Gewährung von bezahlter Freizeit im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses erfüllt werden kann, hat der Arbeitnehmer nur noch die Möglichkeit, den abgegoltenen Urlaub durch entsprechende Freizeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nutzen. Eine mit dieser Rechtsfolge übereinstimmende Regelung hat der Gesetzgeber für Bereiche des Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsrechts mit dem AFKG getroffen, für die er den Urlaubsabgeltungszeitraum auch versicherungsrechtlich an das im arbeitsrechtlichen Sinne beendete Arbeitsverhältnis angeschlossen hat (vgl. § 311 Satz 3 RVO, § 381 Abs. 6 RVO, § 1227 Abs. 2 RVO = § 2 Abs. 3 AVG, § 117 Abs. 1a Satz 2 AFG, § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG, jeweils idF des AFKG). Hierbei ist der Umstand unerheblich, daß die Berücksichtigung der Urlaubsabgeltungszeit entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Rechtsgebiete entweder durch die Fiktion des Fortbestandes des Beschäftigungsverhältnisses, durch die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft oder durch den zeitlich deckungsgleichen Leistungsausschluß erfolgt.
Dieser Regelung hat das LSG zu Recht dadurch Rechnung getragen, daß es bei der Inhaltsbestimmung des Arbeitsverhältnisses iS des § 141n AFG nicht auf das Ende des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne abgehoben hat.
Im Hinblick auf die erfolgte Änderung der versicherungsrechtlichen Behandlung durch das AFKG kann deshalb auch für die Vorschrift des § 141n AFG dahingestellt bleiben, ob der Abgrenzung des 12. Senats (aaO) zu § 141b AFG und dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zu § 59 Abs. 1 Nrn 2 und 3a der Konkursordnung (KO) zu folgen ist (BAG AP Nr. 10 zu § 59 KO). § 141n AFG hat – wie alle Vorschriften des Gesetzes über Kaug vom 17. Juli 1974 (BGBl I, 1481) – den Zweck, den bisher unzureichenden Schutz der Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalles im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers durch die Begründung des Anspruchs auf Kaug einschließlich der Zahlung von Versicherungsbeiträgen durch die Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu verbessern (Teil A der Begründung zum Entwurf des Gesetzes über das Kaug, BR-Drucks 9/74 S 10). An dieser Zielsetzung hat das AFKG nichts geändert (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Februar 1984 – 10 RAr 20/82 – SozR 4 WO § 141b Nr. 31). Mit der Einfügung der Vorschriften § 311 Satz 3 RVO, § 381 Abs. 6 RVO, § 1227 Abs. 2 RVO = § 2 Abs. 3 AVG, § 117 Abs. 1a Satz 2 AFG und § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG hat der Gesetzgeber aber die Urlaubsabgeltungszeiten als sich an das Arbeitsverhältnis anschließende versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten behandelt. Die Systematik dieser Regelungen erfordert – unbeschadet des weniger klaren Wortlauts der Vorschrift – auch den Begriff des Arbeitsverhältnisses iS des § 141n AFG entsprechend abzugrenzen und die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Beiträge zur BA dem Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Die sich aus der Anschließung des Urlaubsabgeltungszeitrams an das Arbeitsverhältnis ergebende versicherungsrechtliche Rechtswirkung erstreckt sich nicht nur auf die für die Urlaubsentgeltung entstandenen Beiträge, sondern auch auf deren zeitliche Einordnung nach § 141n AFG. Wollte man – wie die Beklagte – die Urlaubsabgeltung zwar für alle Ansprüche auf Kaug, nicht aber für die nach § 141n AFG durch das Arbeitsamt zu entrichtenden Beiträge zeitlich dem Arbeitsverhältnis zurechnen, würde – was durch § 141n Abs. 1 AFG gerade vermieden werden soll – die nicht gezahlte Urlaubsabgeltung im Insolvenzfall mit unterschiedlicher Rechtswirkung in das dem Arbeitnehmer zustehende Kaug und in einen – nicht durch die Kaug-Versicherung gedeckten – Beitragsteil zerfallen, obwohl die Beiträge auch für die Urlaubsabgeltung aufzubringen sind. Dies hätte – zumindest in den Fällen der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse – zur Folge, daß im Insolvenzfall die Versicherungsbeiträge für den Urlaubsabgeltungszeitraum trotz fortbestehender Beitragspflicht nicht entrichtet würden. Gerade dies sollte durch § 141 n AFG verhindert werden.”
Diese Entscheidung betrifft zwar unmittelbar nur die Beitragsentrichtung nach § 141n AFG. Die Beitragsentrichtung nach § 141n AFG und der Kaug-Anspruch nach § 141b AFG beziehen sich aber auf denselben Entgeltanspruch, so daß weder der Kaug-Zeitraum ein anderer sein noch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung einem unterschiedlichen Zeitraum zugeordnet werden kann (vgl. hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1986 – 10 RAr 8/86 – und vom 14. Januar 1987 – 10 RAr 7/86 –). Zwar sind die Vorschriften des AFKG, auf die sich der erkennende Senat in seinem zitierten Urteil vom 20. August 1986 gestützt hat, inzwischen außer Kraft getreten. Das hat auf den vorliegenden Fall aber schon deshalb keinen Einfluß, weil sie für die hier streitige Zeit noch in Kraft und daher zu berücksichtigen waren. Danach wäre ein Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung für den Resturlaub des Jahres 1981 der Zeit nach Eintritt des Insolvenzereignisses und daher einem außerhalb des Kaug-Zeitraumes mit der Folge zuzuordnen, daß dieser Anspruch für die Bemessung des Kaug nicht berücksichtigt werden kann.
Hat danach das SG die Klage mit Recht abgewiesen, so war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die unbegründete Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen