Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehung im Ausland. Einbringung des nicht erziehenden Ehegatten in die inländische Arbeitswelt
Leitsatz (amtlich)
Eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung ist auch dann nicht vorzumerken, wenn der Ehegatte des im Ausland Erziehenden in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt ist (Fortführung von BSG vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 = BSGE 71, 227 = SozR 3 - 2600 § 56 Nr 4).
Normenkette
SGB VI § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EWGV 1408/71 Anh VI Buchst. C Nr. 19; SGB VI § 56 Abs. 3
Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 23.07.1991; Aktenzeichen S 7 An 85/90) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 04.11.1992; Aktenzeichen L 4b An 61/91) |
Tatbestand
Streitig ist die Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland.
Die 1945 geborene Klägerin besitzt ebenso wie ihr Ehemann die syrische Staatsangehörigkeit. Ihre im April 1963, Februar 1968 und März 1976 geborenen Kinder kamen in Deutschland zur Welt; ihr zweites Kind, Salem, wurde am 27. September 1964 in A. (Syrien) geboren. Von August 1964 bis Mai 1966 lebte die Klägerin ua mit dem zweiten Kind Salem in Syrien, um sich bei der Erziehung ihrer beiden Söhne von ihrer Familie unterstützen zu lassen. Während dieser Zeit war ihr Ehemann in der Bundesrepublik Deutschland erwerbstätig. Seit 1970 ist die Klägerin ebenfalls hier versicherungspflichtig beschäftigt.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 lehnte die Beklagte die Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung für das Kind Salem ab. Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2. März 1990). Unter Hinweis auf §§ 2a, 28a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) war ua ausgeführt: Die im Ausland zurückgelegte Kindererziehungszeit sei nicht zu berücksichtigen, weil weder die Klägerin noch ihr Ehemann Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung aufgrund einer Beschäftigung im Ausland zurückgelegt hätten.
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeit vom 1. Oktober 1964 bis 30. September 1965 als Kindererziehungszeit "hinsichtlich des Kindes S. K. anzuerkennen" (Urteil vom 23. Juli 1991). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 4. November 1992 das Urteil bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe in dem fraglichen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Nach § 30 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) habe jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er nicht nur vorübergehend verweile. Ob dies der Fall sei, sei im Wege der vorausschauenden Betrachtungsweise zu ermitteln. Die Klägerin habe sich kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes nach Syrien begeben, um dort den Beistand ihrer Familie bei der Erziehung der beiden kleinen Kinder zu erhalten; während dieser Zeit sei ihr Ehemann in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Ihren Lebensmittelpunkt habe die Klägerin daher nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland am Wohnort ihres Ehemannes gehabt. Bestätigt werde dies durch ihren weiteren Lebensweg. Die Klägerin sei im Mai 1966 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt, habe hier zwei weitere Kinder geboren und sei seit 1970 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dieses Ergebnis entspreche Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Anerkennung einer Kindererziehungszeit solle demjenigen, der während seines gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland ein Kind erziehe und dadurch einen Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz des Staates leiste, einen Ausgleich schaffen; dabei könne davon ausgegangen werden, daß in der Bundesrepublik Deutschland erzogene Kinder auch einen entsprechenden Beitrag zur Rentenversicherung leisten würden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 28a Abs 3 Satz 1 iVm § 2a Abs 5 AVG bzw von § 56 Abs 3 Satz 2 und 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und trägt vor:
Entgegen der Auffassung des LSG habe die Klägerin von Oktober 1964 bis September 1965 nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Dies habe auch der 13. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in einem entsprechend liegenden Fall am 28. August 1991 (BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 20) entschieden. Die Klägerin habe sich in der fraglichen Zeit tatsächlich nicht nur vorübergehend in Syrien aufgehalten. Zumindest sei zweifelhaft, ob sie mit ihrem Umzug nach A. den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse noch dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. In diesem Zusammenhang hätte das LSG aufklären müssen, ob die Klägerin beabsichtigt habe, alsbald nach der Geburt des Kindes in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren oder ob ihr Ehemann die Absicht gehabt habe, ihr nach Syrien zu folgen.
§ 56 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB VI könnten zugunsten der Klägerin nicht erweiternd ausgelegt werden. Wie sich aus der EWG-VO Nr 1408/71, Anhang VI, Buchst C Nr 19 (eingefügt durch EWG-VO Nr 2195/91 vom 25. Juni 1991, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 1991 Nr L 206/6f) ergebe, sollten nur solche Frauen aus den EG-Mitgliedstaaten in den Genuß von Kindererziehungszeiten gelangen, die ihre Kinder in einem anderen Mitgliedstaat erziehen würden; hieraus folge, daß nach dem Willen des Gesetzgebers Frauen, die ihre Kinder im EG-Ausland erziehen würden, keine Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung erhalten sollten. Wie der 13. Senat (aaO) und der 4. Senat (BSGE 63, 282 ff = BSG SozR 2200 § 1251a Nr 2) bereits entschieden hätten, verstoße die Regelung über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten auch nicht gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Es sei sachgerecht, entsprechend der unterschiedlichen Behandlung von Beschäftigungszeiten im In- und Ausland auch die Kindererziehungszeiten je nach den territorialen Anknüpfungspunkten zu gestalten. Durch die Kindererziehungszeit solle der beim Erziehenden eingetretene Verlust an Anwartschaften in der deutschen Rentenversicherung ausgeglichen werden. Diese Anwartschaften entstünden jedoch grundsätzlich erst durch Entrichtung von Pflichtbeiträgen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. November 1992 sowie des Urteils des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Juli 1991 die Klage gegen den Bescheid vom 25. Oktober 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 1990 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor:
Das LSG habe keinen Anlaß gehabt, Ermittlungen darüber anzustellen, ob sie bei ihrem Umzug nach A. bereits beabsichtigt habe, in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. Denn es habe bindend festgestellt, daß dies der Fall gewesen sei; infolgedessen sei ihr Aufenthalt in Syrien nur vorübergehender Art gewesen. Im übrigen sei § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI im Interesse der Vielzahl "zwischenstaatlicher" Ehen erweiternd auszulegen. Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung seien jedenfalls dann anzurechnen, wenn der andere Elternteil in der Bundesrepublik Deutschland verbleibe und hier Sozialversicherungsbeiträge leiste. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der EWG-VO. Aus ihr könne nicht geschlossen werden, daß die Regelung nur für Angehörige von Mitgliedstaaten gelten solle.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Unter Aufhebung der Urteile von LSG und SG ist die Klage abzuweisen. Denn die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung für die Zeit vom 1. Oktober 1964 bis 30. September 1965 verneint.
Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit für das am 27. September 1964 in A. (Syrien) geborene Kind Salem könnte allein § 149 Abs 5 iVm § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie §§ 56 und 249 Abs 1 SGB VI sein (vgl zur Anwendung des neuen Rechts BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Nach § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind. Nach § 56 Abs 1 Satz 2 SGB VI ist dies der Fall, wenn die Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt oder einer solchen gleichsteht, die Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen ist und dieser nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin das Kind Salem in der Bundesrepublik Deutschland erzogen hat oder die Erziehung in A. in der Zeit vom 1. Oktober 1964 bis 30. September 1965, der mit Ablauf des Geburtsmonats beginnenden Jahresfrist (Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind: § 249 Abs 1 SGB VI), einer solchen in der Bundesrepublik Deutschland gleichsteht (im Ergebnis ebenso für den ähnlich gelagerten Fall eines in Griechenland erzogenen Kindes: BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 20).
§ 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 iVm Abs 3 SGB VI setzt, wie der Senat - auch - bereits in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 12. Juli 1988 (BSGE 63, aaO) für den im wesentlichen gleichlautenden § 28a (iVm § 2a Abs 5) AVG sowie mit Urteilen vom 25. Februar 1992 (BSGE 70, 138 ff = BSG SozR 6180 Art 13 Nr 2) und vom 25. Mai 1993 (BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 4) entschieden hat, voraus, daß der Versicherte das Kind in der Bundesrepublik Deutschland erzogen hat und sich mit ihm während der Erziehung hier gewöhnlich aufgehalten hat. Erst bei Erziehung des Kindes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt sich die weitere Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erziehenden und des Kindes während dieses Zeitraums (§ 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI). Das LSG hat jedoch bindend festgestellt (§ 163 SGG), daß die Klägerin während der - und zur - Erziehung des Kindes Salem von Oktober 1964 bis 30. September 1965 nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in A. /Syrien gelebt hat. Hiervon gehen auch die Beteiligten aus. Infolgedessen hat die Klägerin das Kind Salem nicht in der Bundesrepublik erzogen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob sie während dieser Zeit - dennoch - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, dh ob sie bei Beginn und während der Dauer der Kindererziehungszeit - faktisch - den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland hatte und sich materiell-rechtlich erlaubt und rechtlich beständig hier aufhalten durfte (vgl BSG SozR 3-6180 Art 13, aaO).
Daß Erziehungsort und gewöhnlicher Aufenthalt in § 56 SGB VI nicht identisch sind - nicht jeder, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt und hier ein Kind erzieht, hat auch den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik im oben genannten Sinn -, entspricht Sinn und Zweck der Regelung über die Anrechnung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung. Nach dem Normprogramm von § 56 SGB VI sollen durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten alle diejenigen in das System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden, die wegen der Kindererziehung keine oder nur geringe Rentenanwartschaften erwerben. Wer im Inland Kinder erzieht und - in typisierender Betrachtung aus diesem Grunde - nicht in den (vollen) Genuß von Beitragszeiten gelangt, soll zum Ausgleich speziell "für Zeiten der Erziehung eines Kindes" (§ 56 Abs 1 aaO) Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung erhalten. Dabei ist davon auszugehen, daß alle, die im Inland erwerbstätig sein dürfen, freien Zugang zu einer - im Blick auf die Breitenwirkung der gesetzlichen Rentenversicherung - regelmäßig versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit haben (vgl hierzu BSGE 71, 227 ff = SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Diese Regelung hat, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG; BVerfGE 87, 1 ff = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, zugleich für die Altersversorgung eine bestandssichernde Bedeutung, da sich die als Generationenvertrag angelegte Rentenversicherung ohne die nachrückende Generation nicht aufrechterhalten lasse; diese bringe die Mittel für die Alterssicherung der jetzt erwerbstätigen Generation auf; ohne sie hätte diese Generation zwar Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt, könne aber keine Leistungen aus ihr erwarten; bei diesen Überlegungen könne angesichts der Breitenwirkung der Rentenversicherung vernachlässigt werden, daß nicht jedes Kind später zum Beitragszahler werde.
Hieraus folgt, daß grundsätzlich nur solche Personen vom Normzweck des § 56 SGB VI erfaßt werden sollen, die an der - vollen oder teilweisen - Ausübung einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Inland gehindert sind (vgl hierzu BSGE 63, aaO). Dementsprechend hat der Gesetzgeber in typisierender Betrachtung bei der Gewährung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung grundsätzlich auf den Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland abgestellt, unabhängig davon, ob der Erziehende Deutscher ist oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt (vgl hierzu entsprechend BSGE 63, aaO).
Die Erziehung des Kindes Salem in A. /Syrien steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auch nicht gleich (§ 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 2 und 3 SGB VI).
Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf § 56 Abs 3 Satz 2 SGB VI berufen, da sie weder während der Erziehung noch unmittelbar vor der Geburt des Kindes Salem Pflichtbeitragszeiten wegen einer in Syrien ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit hatte. Offenbleiben kann dabei, ob im Rahmen des § 56 Abs 3 Satz 2 SGB VI für eine Gleichstellung des ausländischen Erziehungsortes mit dem Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland auch ein enger Bezug des Erziehenden zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben zumindest iS eines Rumpfarbeitsverhältnisses genügen würde (für den Fall des im Ausland erwerbstätigen Ehegatten des Erziehenden: BSGE 71, aaO). Denn die Klägerin selbst war als Erziehende während des og Zeitraums nie in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben integriert. Allein auf eine derartige Integration des Erziehenden kommt es jedoch wegen des Ausgleichs der mit der Erziehung ganz oder teilweise verbundenen Benachteiligung beim Erwerb von deutschen Rentenanwartschaften an. Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch die Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung grundsätzlich nicht pauschal den Eltern des Kindes, sondern dem Erziehenden zugeordnet (vgl § 56 Abs 2 SGB VI). Auf die Einbindung des nicht erziehenden Ehegatten in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben kommt es mithin hier (anders: Abs 2 Satz 3, aaO) nicht an.
Eine Gleichstellung des ausländischen Erziehungsortes A. kann auch nicht nach § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI erfolgen. Denn diese Vorschrift setzt bei gemeinsamem Aufenthalt der Eltern im Ausland ua voraus, daß der Ehegatte des Erziehenden im Ausland einer Beschäftigung oder Tätigkeit nachgeht, die - zumindest - in einem engen Bezug zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben steht (vgl BSGE 71, aaO). Nach den bindenden und nicht angegriffenen Feststellungen des LSG war jedoch der Ehemann der Klägerin in der fraglichen Zeit nicht im Ausland, sondern in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt.
Eine über den aufgezeigten Anwendungsbereich hinausgehende erweiternde Auslegung von § 56 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB VI mit dem Ziel der Gleichstellung einer Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung in den Fällen, in denen der nicht erziehende Ehegatte in der Bundesrepublik Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, während der Erziehende und das Kind im Ausland leben, kommt nicht in Betracht. Denn die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Ausland in diesen Fällen ist keine planwidrige Regelungslücke. Wie bereits ausgeführt, honoriert der Gesetzgeber ausschließlich die Erziehungsleistung in der Bundesrepublik Deutschland, weil sonst das hier bestehende Alterssicherungssystem zu einer Benachteiligung der Personen führt, die sich innerhalb der Familie der Kindererziehung widmen (vgl BVerfG, aaO). Infolgedessen knüpft der Gesetzgeber für den Erwerb von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung an die Person des Erziehenden und an den Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland an, weil grundsätzlich nur hier für die Zeit der Kindererziehung der Nachteil in der Altersversorgung eintreten könnte. Lediglich dann wird der inländische Erziehungsort einem ausländischen - ausnahmsweise - gleichgestellt, wenn der Erziehende vor der Geburt oder während der Kindererziehung in enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben steht (§ 56 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Denn auch in diesen Fällen greift die - typisierende und pauschalierende - Grundwertung des Gesetzes ein, nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im wesentlichen wegen der Kindererziehung seien dem Erziehenden deutsche Rentenanwartschaften entgangen (so BSGE 71, aaO). Das Prinzip eines engen Bezugs des Erziehenden zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben bei der Gleichstellung des inländischen mit dem ausländischen Erziehungsort wird in § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI lediglich aus verfassungsrechtlichen Gründen - ausnahmsweise - durchbrochen und der Inlandsbezug des Erziehenden mittelbar über den Ehegatten hergestellt. Denn im Hinblick auf die Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) soll es dem Erziehenden und nicht erwerbstätigen Elternteil nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Inland verläßt, um mit dem vorübergehend im Ausland erwerbstätigen Ehegatten, der - weiterhin - in einem inländischen Arbeitsverhältnis eingebunden ist, und mit dem Kind zusammenzuleben (vgl BSGE 71, aaO).
Beiden Gleichstellungssachverhalten liegt der Gedanke zugrunde, daß - wie ausgeführt - alle, die im Inland erwerbstätig sein dürfen, auch freien Zugang zu einer regelmäßig versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit haben, und allein wegen der Kindererziehung hieran gehindert sind. Wer im Ausland Kinder erzieht und nicht erwerbstätig ist, hat jedoch keinen derartigen Bezug zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben. Bei ihm kann - typisierend und pauschalierend - nicht davon ausgegangen werden, daß ihm wegen der Kindererziehung Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung entgangen sind. Das Regelungskonzept des § 56 SGB VI ist abschließend und gebietet in diesen Fällen nicht eine mittelbare Anknüpfung an den Status des Ehemannes. Denn die insoweit in § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI zugelassene Ausnahme ist allein unter dem Gesichtspunkt des Art 6 Abs 1 GG begründet und verlangt, daß der erziehende Elternteil dem - weiterhin in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben integrierten - Ehegatten zur Aufrechterhaltung von Ehe und Familie ins Ausland folgt. Entfällt dieser Zweck - wie hier -, ist für eine Gleichstellung des ausländischen mit dem inländischen Erziehungsort und damit für eine erweiternde Auslegung kein Raum.
Es ist auch nicht erkennbar, daß § 56 SGB VI wegen der Nichtberücksichtigung von Auslandserziehung bei inländischer Beschäftigung oder Tätigkeit des nicht erziehenden Elternteils gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Der Gleichheitsgrundsatz will ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 87, aaO). Wenn der Gesetzgeber - wie ausgeführt - den Nachteil in der Altersversorgung der Personen, die sich der Kindererziehung widmen, ausgleichen will und dabei für die Anrechnung der Kindererziehungszeiten den Erziehungsort Bundesrepublik Deutschland oder - ausnahmsweise - bei einer Auslandserziehung einen engen Bezug des Erziehenden zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben voraussetzt, so handelt es sich um evident sachliche Differenzierungsmerkmale. Erziehende, die ihre Kinder im Ausland erziehen und sich mit ihnen dort gewöhnlich aufhalten, sind in aller Regel und typischerweise nicht in der Lage, inländische Pflichtbeitragszeiten zurückzulegen (vgl BSGE 63, aaO).
Die in Anhang VI Buchst C Nr 19 der EWG-VO Nr 1408/71 getroffene Regelung steht dem nicht entgegen. Zum einen begünstigt sie wegen des europäischen Grundrechts der Freizügigkeit aller Arbeitnehmer (Art 48 EWG-Vertrag) allein Angehörige von EG- Mitgliedstaaten, zum anderen betrifft sie nur solche Angehörige von Mitgliedstaaten, die vor der Geburt des Kindes in der Bundesrepublik Deutschland erwerbstätig waren und ihre Kinder zwar außerhalb der Bundesrepublik, jedoch in einem anderen Mitgliedstaat erziehen.
Nach alledem hat die Revision der Beklagten Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung für das am 27. September 1964 geborene Kind Salem.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen