Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 20.12.1991) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Feststellungsbescheides der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA).
Im April 1987 erstattete der Innenminister des Klägers die nach § 13 Abs 2 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) vorgeschriebene Anzeige über die Anzahl der Arbeitsplätze und der beschäftigten Schwerbehinderten für das Jahr 1986. Nach § 8 SchwbG (idF vom 26. August 1986, BGBl I 1421, 1550) zählen bei der Berechnung der Zahl der Pflichtplätze für Schwerbehinderte Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht mit. Ein Schwerbehinderter, der zur Ausbildung beschäftigt wird, wird nach § 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG außerdem auf zwei Pflichtplätze angerechnet. Unter Berufung hierauf zählte der Innenminister nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) die Arbeitsplätze für Beamtenanwärter jeweils mit zu den Arbeitsplätzen für Auszubildende bzw zu ihrer Ausbildung Beschäftigten.
Durch den angefochtenen Bescheid vom 27. August 1987 stellte das Arbeitsamt Kiel (ArbA) „die nach § 13 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 – 3 SchwbG anzuzeigenden Verhältnisse, wie aus der Anlage ersichtlich, auf der Grundlage der für das Vorjahr erstatteten Anzeige” fest und erklärte, die Verpflichtung zur Erstattung der Anzeige für das Kalenderjahr 1986 bleibe weiterhin bestehen. Den Inhalt der Anlage hat das LSG nicht wiedergegeben; er ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Akten der Beklagten. Zur Begründung führte das ArbA an, die Stellen von Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst (Beamtenanwärter) seien Arbeitsplätze, die nicht in die Sonderregelung des § 8 SchwbG einbezogen seien. Ebensowenig sei es statthaft, Beamtenanwärter nach § 10 Abs 2 SchwbG als zusätzlich besetzte Plätze durch Mehrfachanrechnungen zu berücksichtigen. Die nicht richtige Anzeige habe eine Prüfung im einzelnen verwehrt, die richtige Anzeige sei (zur Vermeidung einer Ordnungswidrigkeit) nachzuholen. Der Widerspruch des Innenministers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 9. September 1988).
Auf die vom Innenminister erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 19. April 1990). Die Berufung der Beklagten hat das LSG mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verpflichtung zur Neubescheidung entfällt (Urteil vom 20. Dezember 1991). Beide Urteile sind zwischen dem Land und der Beklagten ergangen.
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, daß die Gruppe der von §§ 8 und 10 Abs 2 SchwbG Betroffenen auch Beamtenanwärter umfasse. Das ergebe sich zwar nicht allein aus dem Wortlaut des Gesetzes und auch nicht aus der historischen Entwicklung der Vorschriften, wohl aber durch Rückgriff auf die Gesetzessystematik und Berücksichtigung der Zielrichtung des Gesetzgebers. Das Schwerbehindertenrecht einerseits und das Beamtenrecht andererseits stellten keine voneinander getrennten Bereiche dar, sondern das SchwbG wirke in den Beamtenrechtsbereich hinein. Wesentlicher Anknüpfungspunkt sei insoweit, daß nach § 7 Abs 1 SchwbG auch Beamtenstellen zu den Arbeitsplätzen gehörten, die bei der Pflichtzahlberechnung der Arbeitgeber zu berücksichtigen seien. Daneben gebe auch § 50 Abs 1 SchwbG einen deutlichen Hinweis. Mit der Einbeziehung des Beamtenbereiches in den Regelungskreis des SchwbG sei eine auf diesen Regelungsumfang bezogene Gleichstellung privater und öffentlicher Arbeitgeber verbunden. Wenn demnach der Gesetzgeber grundsätzlich systematische Unterscheidungen zwischen beschäftigten Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung und solchen Personen treffe, die zur Ausbildung beschäftigt werden, könne der Beamtenbereich von einer derartigen systematischen Unterscheidung nicht ausgeschlossen bleiben.
Mit der zugelassenen Revision rügt die BA eine Verletzung der §§ 8 und 10 Abs 2 SchwbG. Die Rechtsauffassung des LSG finde im Gesetz keine Stütze. Im SchwbG finde sich der Begriff „Auszubildende” insbesondere in § 6 Abs 2, § 7 Abs 1, §§ 8 und 10 Abs 2. Unter den Auszubildenden im Sinne dieser Vorschriften würden nur die zur Berufsausbildung Eingestellten im Sinne von § 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG) verstanden, nicht hingegen die „zur sonstigen beruflichen Bildung Eingestellten” und erst recht nicht die sog Beamtenanwärter. Diese seien Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst und zählten deshalb bei der Arbeitsplatz- und Pflichtplatzzahlberechnung als Beamte. Dafür sprächen Wortlaut und Gesetzessystematik. Denn wenn der Gesetzgeber zwischen Auszubildenden und anderen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten unterscheide (§ 7 Abs 1), bzw Stellen zur beruflichen Bildung als weiteren Begriff verwende und dabei die Auszubildenden lediglich besonders erwähne (§ 6 Abs 2), so halte er sich insoweit im Rahmen der Begriffsbestimmung des BBiG (vgl dort §§ 1 und 2). Ein Vergleich der §§ 6 Abs 2, 7 Abs 1 einerseits und §§ 8 und 10 Abs 2 SchwbG andererseits zeige, daß der Gesetzgeber bewußt zwischen „Auszubildenden” und „sonstigen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten” unterschieden habe. Aus der Gesetzesbegründung zu § 5 des Entwurfs – des jetzigen § 6 – werde die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung deutlich. Dem Gesetzeszweck entspreche es auch nicht, die Arbeitgeber der öffentlichen Hand mit den Arbeitgebern der Privatwirtschaft gleichzustellen. Dafür spreche § 5 Abs 2 SchwbG, denn nach dieser Vorschrift könne der Pflichtsatz für Arbeitgeber der öffentlichen Hand durch Rechtsverordnung höher festgesetzt werden. Unterschiede bei der Einstellung von Beamtenanwärtern einerseits sowie der Beschäftigung Auszubildender andererseits folgten außerdem aus den Regelungen über den Kündigungsschutz nach §§ 15 ff SchwbG. Schließlich normiere das SchwbG weitergehende Pflichten der Arbeitgeber der öffentlichen Hand zur Fürsorge und Förderung von Schwerbehinderten (§ 50 SchwbG). Diese Gründe sowie die für Schwerbehinderte möglicherweise günstigeren Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst, rechtfertigten es, dem Arbeitgeber der öffentlichen Hand die Vorteile des SchwbG zumindest bei der Einstellung von Beamtenanwärtern nicht in gleicher Weise zugute kommen zu lassen, wie es für die Beschäftigung von Auszubildenden iS des BBiG vor allem durch private Arbeitgeber der Fall sei. Denn insbesondere mit der Ausnahmeregelung des § 8 SchwbG habe der Gesetzgeber beabsichtigt, Regelungen zu beseitigen, die von der Wirtschaft bei der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen als ausbildungshemmend und als zusätzliche Belastung für ausbildungswillige Betriebe empfunden wurden. Diese Auffassung entspreche der historischen Entwicklung der Vorschriften eher als die vom LSG vertretene. So seien im SchwbG 1953 die Stellen von Lehrlingen und auch Beamtenanwärtern von der Zählung ausgenommen gewesen, während im SchwbG 1974 die Stellen von Auszubildenden und anderen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten in die Definition des Arbeitsplatzes aufgenommen worden seien. In der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber bei der Erläuterung des Begriffs des Auszubildenden auf § 3 BBiG Bezug genommen. Das spreche dafür, daß der Begriff nur iS des BBiG verstanden werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, aus der Begründung zu § 6 SchwbG in BT-Drucks 10/3138 S 18 lasse sich eine vom Gesetzgeber vorgenommene bewußte Differenzierung zwischen „Auszubildenden” und „sonstigen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten” sowie „Beamten” und „Richtern” nicht entnehmen. Der dortige Hinweis auf § 3 BBiG beinhalte nicht, daß nur die Einstellung Auszubildender iS des § 3 BBiG besonders zu fördern sei. Die geschichtliche Entwicklung des Zählausschlusses bei Ausbildungsplätzen könne ebenfalls nicht dafür herangezogen werden, daß nach dem Willen des Gesetzgebers allein für private Arbeitgeber Anreize für die Ausbildung Schwerbehinderter geschaffen werden sollten und deshalb für die Arbeitgeber der öffentlichen Hand die Vorteile aus dem SchwbG bei der Einstellung nicht gelten sollten. Der Gesetzgeber habe nämlich die berufliche Situation behinderter Menschen insgesamt verbessern und insbesondere deren Ausbildung fördern wollen. Deshalb habe er die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe auch auf die Arbeitgeber der öffentlichen Hand erstreckt und bei der Definition der Arbeitsplätze neu eingeführt, daß jene Stellen nicht als Arbeitsplätze gelten, auf denen Personen beschäftigt würden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung hätten, also Studien- bzw Rechtsreferendare. Das zeige, daß der Gesetzgeber bei der Novellierung des SchwbG gleichermaßen private und öffentliche Arbeitgeber in seine Überlegungen einbezogen habe.
Der Beigeladene hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Urteilen sowie auf das Vorbringen des Klägers verwiesen, „dessen Antrag er unterstütze”.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verfahrensverstöße der Vorinstanzen, die das Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten hat, liegen nicht vor. Die Berufung ist gemäß § 143 SGG statthaft. Sie ist nicht nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ausgeschlossen, der hier nach Artikel 14 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I 50) in der vor dem 1. März 1993 geltenden Fassung weiter Anwendung findet. Denn Gegenstand der Berufung ist kein Anspruch auf eine einmalige Leistung. Unter Leistungen sind nämlich nach allgemeiner Meinung nur Ansprüche einzelner gegen Versicherungsträger oder sonst gegen die öffentliche Hand zu verstehen, nicht aber gesetzliche Verpflichtungen von einzelnen gegenüber der Hand, wie hier des öffentlichen Arbeitgebers gem § 13 SchwbG.
Die Klage ist als Anfechtungsklage iS des § 54 Abs 1 SGG zulässig. Mit Recht hat das LSG ausgeführt, daß es zur Befriedigung der rechtlichen Interessen des Klägers lediglich der Aufhebung des Bescheides der Beklagten bedarf.
Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage ergeben sich auch nicht daraus, daß die Urteile der Vorinstanzen gegenüber dem Land Schleswig-Holstein ergangen sind, obwohl die Klage vom Innenminister im eigenen Namen erhoben sein dürfte. Offenbar ist schon im Verfahren vor dem SG die Klagepartei einvernehmlich ausgetauscht bzw deren Bezeichnung berichtigt worden. Daß das Land als Arbeitgeber fähig ist, am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein, ergibt sich unmittelbar aus § 70 Nr 1 SGG. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob die Fähigkeit der Behörden nach § 70 Nr 3 SGG, § 5 des Schleswig-Holsteinischen Ausführungsgesetzes zum SGG vom 3. September 1953 (BGBl I 1239), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 1969 (GVOBl SH 280), an sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein, sich auch auf Aktivprozesse erstreckt, mit denen sich Behörden gegen Verpflichtungen wenden, die von ihren Rechtsträgern als Arbeitgeber verlangt werden.
Ob der Minister für Arbeit und Soziales, Jugend, Gesundheit und Energie des Klägers, den das LSG beigeladen hat, im Verhältnis zum Kläger als anderer oder Dritter iS des § 75 SGG überhaupt beigeladen werden konnte, bedarf keiner Entscheidung. Auch wenn der Landesminister, bei dem die Hauptfürsorgestelle für Schwerbehinderte errichtet ist, nicht zu dem Prozeß des eigenen Landes beigeladen werden konnte, hindert die geschehene Beiladung nicht an einer Entscheidung in der Sache, da sich in Fällen vorliegender Art eine zu Unrecht erfolgte Beteiligung einer Behörde des klagenden Landes weder bezüglich der Rechtskraft noch der Kosten auszuwirken vermag.
Die Klage ist, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig.
Nach § 13 Abs 2 Satz 2 SchwbG erläßt das ArbA einen Feststellungsbescheid über die nach Satz 1 Nrn 1 bis 3 anzuzeigenden Verhältnisse, wenn der Arbeitgeber die vorgeschriebene Anzeige bis zum 30. Juni nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstattet hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob dann, wenn der Arbeitgeber die Anzeige nicht richtig erstattet hat, wie die Beklagte hier meint, das ArbA einen Feststellungsbescheid über die anzuzeigenden Verhältnisse nur erlassen kann, indem sie – nach Ermittlung des Sachverhalts (vgl § 13 Abs 3 und 4 SchwbG) – die Anzeige mit der Folge richtigstellt, daß die Anzeige nur in der Fassung der förmlich getroffenen Feststellung maßgebend ist. Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid selbst dann nicht, wenn die im Bescheid erwähnte Anlage, deren Inhalt das LSG nicht wiedergegeben hat, bestimmte Verhältnisse festgestellt haben sollte. Denn da das ArbA dann die für 1986 vom Kläger anzuzeigenden Verhältnisse „auf der Grundlage der für das Vorjahr erstatteten Anzeige” festgestellt hat, ist es von einem offensichtlich unrichtigen Sachverhalt ausgegangen; die maßgebenden Verhältnisse des Jahres 1986 wären gerade nicht festgestellt worden. Aber auch wenn die Arbeitsämter nach § 13 Abs 2 Satz 2 SchwbG befugt sein sollten, anstelle eines (Ersatz-) Feststellungsbescheids Anzeigen, die nicht richtig oder nicht vollständig erstattet sind, durch Verwaltungsakt förmlich zu beanstanden und gleichzeitig den Arbeitgeber anzuhalten, beanstandete Anzeigen unter Beachtung bestimmter rechtlicher Kriterien zu berichtigen oder neu zu erstatten (vgl zu diesem Problem Cramer, SchwbG, 4. Aufl 1992, § 13 RdNr 16; Dörner, SchwbG, Stand März 1993, § 13 Anm III), ist der hier angefochtene Bescheid rechtswidrig. Der Kläger hat die Anzeige nämlich, soweit das ArbA sie für unrichtig hält, richtig erstattet, so daß auch für eine Beanstandung kein Raum ist.
Dies kann der Senat auf der Grundlage des angefochtenen Urteils entscheiden, auch wenn die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen spärlich sind. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist nämlich nach der Darstellung der hier einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen wenigstens festgehalten, daß der Kläger in seiner Anzeige die Arbeitsplätze für Beamtenanwärter jeweils mit zu den Arbeitsplätzen für Auszubildende bzw zur Ausbildung Beschäftigter gezählt und entsprechend rechtlich eingeordnet hat. Weil es hier entscheidend auf die Auslegung gesetzlicher Bestimmungen ankommt und dafür keine darüber hinausgehenden Einzelheiten des Inhalts der Anzeige und des Inhalts des Bescheides erforderlich sind, genügt dies hinsichtlich des § 8 SchwbG. Allerdings ergibt sich aus den Feststellungen des LSG nicht, was für § 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG von Interesse ist, daß es im Geschäftsbereich des Innenministers des Klägers 1986 schwerbehinderte Beamtenanwärter gab. Aus Rechtsgründen kommt es jedoch hierauf nicht an. Denn gab es wenigstens einen solchen Beamtenanwärter, war seine Einordnung gemäß § 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG als Auszubildender durch den Kläger in der Anzeige zutreffend, wie nachstehend ausgeführt werden wird. Gab es hingegen keinen derartigen Beamtenanwärter, kann insoweit auch keine Beanstandung erhoben werden, denn sie ginge ins Leere.
Das SchwbG bestimmt in § 5 Abs 1, daß private Arbeitgeber und Arbeitgeber der öffentlichen Hand (Arbeitgeber), die über mindestens 16 Arbeitsplätze iS des § 7 Abs 1 verfügen, auf wenigstens 6 vH der Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen haben. Nach § 7 Abs 1 sind Arbeitsplätze iS dieses Gesetzes alle Stellen, auf denen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Nach § 9 Abs 1 wird ein Schwerbehinderter, der auf einem Arbeitsplatz iS des § 7 Abs 1 beschäftigt wird, auf einen Pflichtplatz angerechnet. Nach § 8 zählen bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Pflichtplätze nach § 5 bis zum 31. Dezember 1989 (jetzt 1995) Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht mit. Nach § 10 Abs 2 Satz 1 wird ein Schwerbehinderter, der zur Ausbildung beschäftigt wird, bis zum 31. Dezember 1989 (jetzt 1995) auf zwei Pflichtplätze angerechnet. Nach § 11 Abs 1 haben Arbeitgeber, solange sie die vorgeschriebene Zahl Schwerbehinderter nicht beschäftigen, für jeden unbesetzten Pflichtplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Zur Durchführung dieser Bestimmungen haben die Arbeitgeber nach § 13 Abs 2 dem für ihren Sitz zuständigen Arbeitsamt einmal jährlich für das vorangegangene Kalenderjahr eine Anzeige zu machen. Dabei sind anzuzeigen ua die Zahl der Arbeitsplätze nach § 7 Abs 1, darunter die nach § 8 Satz 1, die Zahl der beschäftigten Schwerbehinderten, darunter die Zahlen der zur Ausbildung und der zur sonstigen beruflichen Bildung eingestellten Schwerbehinderten, der Mehrfachanrechnungen und der Gesamtbetrag der geschuldeten Ausgleichsabgabe.
Die BA ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Anzeige des Innenministers für das Kalenderjahr 1986 unrichtig ist, weil darin die Stellen von Beamtenanwärtern in bezug auf § 8 SchwbG wie Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, behandelt worden sind und schwerbehinderte Beamtenanwärter nach § 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG auf zwei Pflichtplätze angerechnet worden sind, sofern schwerbehinderte Beamtenanwärter überhaupt ausgebildet wurden.
Dies folgt freilich nicht bereits aus dem Wortlaut der §§ 8 Satz 1 und 10 Abs 2 SchwbG. Im gesamten SchwbG findet sich nämlich keine Definition des Begriffes „Auszubildender” bzw „zur Ausbildung Beschäftigter”. Maßgeblich für das Verständnis dieser Begriffe in den genannten Vorschriften ist deshalb der Sinn und Zweck dieser Vorschriften, der sich regelmäßig bereits auf der Grundlage der Gesetzesmaterialien sowie des Bedeutungszusammenhangs dieser Normen im Gesetzesgefüge (vgl Senatsurteil vom 30. September 1992 – 11 RAr 73/91 – SozR 3-4100 § 134 Nr 9) erschließt. Letzteres ist nicht nur aus dem Zusammenhang des Gesetzes, dessen Bestandteil die auszulegende Norm ist, sondern grundsätzlich aus ihrer Stellung in der gesamten Rechtsordnung herzuleiten. Für die Begriffsbildung sind allerdings in erster Linie die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Rechtsgebiets, in dem die Begriffe verwendet werden, maßgeblich (Senatsurteil vom 29. September 1992 – 11 RAr 83/91 – demnächst SozR 3-3870 § 33 Nr 1; vgl auch BSGE 37, 163, 165 = SozR 4100 § 41 Nr 1).
Der Sinn und Zweck der mit dem Schwerbehinderten-Änderungsgesetz vom 24. Juli 1986 (BGBl I 1110) neu gestalteten §§ 8 und 10 Abs 2 SchwbG ergibt sich hinreichend deutlich aus dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf dieses Gesetzes. Wichtigstes Ziel war es, die Einstellungs- und Beschäftigungschancen der Schwerbehinderten auf dem Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt zu erhöhen (BT-Drucks 10/3138 S 1 – dort A Zielsetzung). Als finanzielle Auswirkungen sollten sich nach dem Entwurf für private Arbeitgeber wie öffentliche Haushalte durch Herausnahme der Ausbildungsplätze bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Pflichtplätze Entlastungen an Ausgleichsabgaben ergeben (BT-Drucks aaO S 15). Zudem sollten beschäftigungshemmende Vorschriften abgebaut und die Arbeitgeber veranlaßt werden, mehr Schwerbehinderte einzustellen (Bericht über die Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 10/5701 S 4, 10 – dort zu § 7 SchwbG aF). Der Ausschuß hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich nicht zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern unterschieden, so daß davon ausgegangen werden muß, daß er diesen Begriff einheitlich wie in § 5 Abs 1 SchwbG hat gebrauchen wollen. Das bedeutet ua, daß nach Auffassung des Ausschusses nicht lediglich zugunsten der Wirtschaft die bisherige, als ausbildungshemmend empfundene Regelung des § 7 SchwbG aF, sondern für alle Arbeitgeber geändert werden sollte (vgl Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks 10/3138 S 18, 19 einerseits und den Bericht des Ausschusses aaO andererseits). Die Beschlußempfehlung des Ausschusses, in der wiederum auf die Entlastung der öffentlichen Haushalte, insbesondere durch die Herausnahme der Ausbildungsplätze bei der Berechnung der Zahl der Pflichtplätze und die Mehrfachanrechnung auszubildender Schwerbehinderter hingewiesen wird, macht dies deutlich (BT-Drucks 10/5673 S 4).
Auf diesen Zweck der Vorschriften hat der Senat bereits in den Gründen seines Urteils vom 29. September 1992 – 11 RAr 83/91 – (demnächst SozR 3-3870 § 33 Nr 1), in dem es um die besondere Förderung der Einstellung und Ausbildung eines schwerbehinderten Beamten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ging, hingewiesen. Daran ist festzuhalten. Die geschichtliche Entwicklung des Schwerbehindertenrechts seit 1953, speziell die rechtliche Einordnung von Ausbildungsplätzen in bezug auf die Zahlung der Ausgleichsabgabe, ist entgegen der Auffassung der BA angesichts dieser erkennbaren Zielsetzung hier nämlich nicht von Bedeutung. Dem dargelegten Zweck entspricht es vielmehr, Beamtenanwärter, die einen Vorbereitungsdienst durchlaufen, in den hier streitigen Vorschriften als Auszubildende zu betrachten. In der oben genannten Entscheidung hat der Senat im Hinblick auf einen Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst betont, daß ein derartiger Vorbereitungsdienst der Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung dient, und ausgeführt, daß dem SchwbG keine Anhaltspunkte zu entnehmen seien, die darauf hindeuten könnten, daß der Vorbereitungsdienst für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst nicht der Ausbildung oder sonstigen beruflichen Bildung diene. Zwar unterscheide § 5 Abs 1 SchwbG zwischen privaten Arbeitgebern und Arbeitgebern der öffentlichen Hand und § 7 Abs 1 SchwbG zwischen Arbeitern, Angestellten, Beamten, Richtern sowie Auszubildenden und anderen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten. Daraus sei aber nicht zu entnehmen, daß sich die Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter auf privatrechtliche Ausbildungsverhältnisse beschränke. Das Gesetz knüpfe an die Gruppenbildung gerade keine unterschiedlichen Rechtsfolgen, sondern unterwerfe private Arbeitgeber und Arbeitgeber der öffentlichen Hand im Hinblick auf die Eingliederung Schwerbehinderter in das Erwerbsleben den gleichen Regeln über die Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen, der Pflichtplatzzahl und der Ausgleichsabgabe. Außerdem sei es nicht sachgerecht, wenn Arbeitgeber der öffentlichen Hand als Dienstherren von Beamten zur Ausgleichsabgabe herangezogen, aber bei Ausbildung schwerbehinderter Beamter von der Verwendung dieser Mittel ausgeschlossen würden.
Im Hinblick hierauf wäre es nicht sachgerecht, öffentliche Arbeitgeber, die Ausbildungsstellen, insbesondere auch für Schwerbehinderte zur Verfügung stellen, gleichgültig, ob sie darauf Auszubildende iS des BBiG oder Beamtenanwärter beschäftigen, nach den Vorschriften, die die Berechnungsgrundlagen für die Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe bilden – hier §§ 8 Satz 1 und 10 Abs 2 SchwbG –, anders als private Arbeitgeber zu behandeln. Denn auch der Vorbereitungsdienst, den die Beamtenanwärter durchlaufen, dient, wie zahlreiche beamtenrechtliche Vorschriften belegen, der Ausbildung für eine auf die Ausbildung folgende berufliche Betätigung (vgl insbesondere §§ 22, 23 Abs 2 des Schleswig-Holsteinischen Landesbeamtengesetzes vom 10. Mai 1979 ≪GVOBl SH 299≫, §§ 19 Abs 2 und 25 Abs 2 bis 4 der Landesverordnung über die Laufbahn der Beamten in der Fassung vom 21. Mai 1981 ≪GVOBl SH 101≫ und § 1 der Prüfungsordnung für die Laufbahnen des mittleren und §§ 6, 7, 15 ua der für die Laufbahnen des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes im Land Schleswig-Holstein ≪ABl SH 1984, 293, 306≫; sowie allgemein BVerwG RiA 1979, 140, 141).
Das BBiG steht dieser Auffassung nicht entgegen. § 2 Abs 2 Nr 1 und § 83 BBiG bestätigen vielmehr, daß auch Beamtenanwärter begrifflich zu ihrer beruflichen Bildung (Ausbildung) iS des BBiG eingestellt werden. Dort heißt es nämlich, daß das Gesetz nicht für die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bzw nicht für ein Berufsausbildungsverhältnis gilt, das ausdrücklich mit dem ausschließlichen Ziel einer späteren Verwendung als Beamter begründet wird. Beide Vorschriften setzen danach einen Begriff von beruflicher Bildung im BBiG voraus, der auch öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnisse umfaßt, denn anderenfalls hätte der Gesetzgeber keinen Anlaß gesehen, den sachlichen Geltungsbereich des BBiG insoweit ausdrücklich einzuschränken. Die Berufsbildung für Beamte und Beamtenanwärter ist also Berufsbildung iS dieses Gesetzes (vgl Herkert, Berufsbildungsgesetz, Stand Februar 1993, § 2 RdNr 4).
Diese Gründe lassen keinen Raum für die mit der Revision vorgetragenen weiteren Argumente der BA. Insbesondere ist die an mehreren Stellen des Schwerbehindertengesetzes angeblich erfolgte Ungleichbehandlung von öffentlichen und privaten Arbeitgebern in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Die in § 5 Abs 2 SchwbG vorgesehene bloße Möglichkeit, daß durch Verordnung der Pflichtsatz für öffentliche Arbeitgeber höher festgesetzt werden kann als für private Arbeitgeber, mögliche Unterschiede bei der Einstellung von Beamtenanwärtern einerseits und der Beschäftigung Auszubildender andererseits im Hinblick auf Vorschriften des Kündigungsschutzes gem §§ 15 ff SchwbG sowie der Hinweis auf die besondere Fürsorge der Arbeitgeber der öffentlichen Hand für Schwerbehinderte nach § 50 des Gesetzes widerlegen nicht, daß im vorstehenden Zusammenhang Beamtenanwärter als Auszubildende iS des § 8 Satz 1 SchwbG bzw zur Ausbildung Beschäftigte nach § 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG anzusehen sind. Selbst wenn der Gesetzgeber öffentliche und private Arbeitgeber im SchwbG teilweise ungleich behandelt haben sollte – was hier offenbleiben kann –, so gibt es dennoch keine Regel, daß öffentlichen Arbeitgebern in keinem Fall die gleichen Vorteile wie privaten Arbeitgebern zugute kommen können. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die hier streitige Frage. Denn ergänzend zu dem bereits Ausgeführten ist zu berücksichtigen, daß der öffentliche Dienst auch Auszubildende iS des BBiG beschäftigt und in der Regel Spielraum hat, inwieweit er Nachwuchskräfte als Auszubildende oder als Beamtenanwärter einstellt. Stellt er nun beispielsweise einen Schwerbehinderten, obwohl ihm das möglich wäre, nicht als Auszubildenden, sondern als Beamtenanwärter ein, so ist es funktionsgerecht, den öffentlichen Arbeitgeber deshalb nicht unterschiedlich zu behandeln, denn in beiden Fällen bildet er eine Nachwuchskraft aus und fördert damit die Ziele des Schwerbehinderten-Änderungsgesetzes 1986.
Die Bezugnahme auf § 3 BBiG in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des SchwbG 1986 (BT-Drucks 10/3138 S 18 – dort zu Nr 5 § 6 SchwbG nF) stützt die Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht. Denn maßgeblich ist auch insoweit, daß dieser Hinweis in § 6 Abs 2 SchwbG selbst keine Aufnahme gefunden hat, es der Gesetzgeber aber, wie § 6 Abs 1 Nr 1e ausweist, in den Fällen, in denen er einen im SchwbG verwandten Begriff iS des BBiG verstanden wissen wollte, dies auch ausdrücklich im Gesetz zum Ausdruck gebracht hat. Selbst wenn es aber anders wäre, wäre der Begriff nur an dieser Stelle iS des § 3 BBiG zu verstehen, denn es fehlt jeder Hinweis in den Gesetzesmaterialien und auch sonst ein einleuchtender Grund dafür, daß an dieser Stelle eine allgemein gültige Bestimmung des Begriffs Auszubildende iS des BBiG für das gesamte SchwbG vorgenommen werden sollte.
Auch daraus, daß – wie die Beklagte meint – im SchwbG grundsätzlich zwischen Auszubildenden und anderen zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten unterschieden wird (vgl insbesondere § 7 Abs 1 SchwbG), folgt nicht, daß Beamtenanwärter nicht iS der §§ 8 Satz 1 und 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG als Auszubildende angesehen werden können. Die aus den oben geschilderten, aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Zwecke und Funktionszusammenhänge rechtfertigen es, Beamtenanwärter, obwohl sie iS des Beamtenrechts Beamte sind, nach § 8 Satz 1 und § 10 Abs 2 Satz 1 SchwbG, weil auch sie zur Ausbildung eingestellt sind, zur Gruppe der Auszubildenden zu zählen und insoweit öffentliche und private Arbeitgeber nicht unterschiedlich zu behandeln.
Nach alledem kann die Revision der BA keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen