Entscheidungsstichwort (Thema)
Substantiierung von Grundrechtsverletzungen durch sekundäres Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, sind von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung (BVerfGE 73, 339 ≪378 bis 381≫) unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei.
2. Deshalb muss die Begründung der Vorlage oder einer Verfassungsbeschwerde im Einzelnen darlegen, dass der jeweils als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist. Dies erfordert eine Gegenüberstellung des Grundrechtsschutzes auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene in der Art und Weise, wie das Bundesverfassungsgericht sie in BVerfGE 73, 339 (378 bis 381) geleistet hat.
Normenkette
GG Art. 23 Abs. 1 S. 1; EWGV 404/93 Art. 30; EGV 478/95; GG Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
A.
Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Anwendung der gemeinsamen Marktorganisation der Europäischen Gemeinschaft für Bananen in der Bundesrepublik Deutschland.
I.
1. Der Markt für Bananen war innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bis zum Jahre 1993 in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Zum Teil bestanden geschlossene Märkte mit garantierten Preisen, wie etwa in Frankreich, zum Teil offene Märkte ohne mengenmäßige Beschränkungen, wie etwa in Deutschland. Auf Grund des sogenannten Bananenprotokolls zum EWG-Vertrag konnte die Bundesrepublik Deutschland eine bestimmte Menge Bananen – im Jahre 1992 zuletzt 1,371 Mio. Tonnen – zollfrei einführen (Protokoll über das Zollkontingent für die Einfuhr von Bananen, BGBl II 1957 S. 1008, vgl. EuGH, Rs. C-280/93 R – Deutschland/Rat –, Slg. 1993, I-3668, Rn. 8 f.).
Am 1. Juli 1993 trat nach Art. 33 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 (ABl vom 25. Februar 1993, Nr. L 47/1; im Folgenden: VO 404/93) die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (im Folgenden: Bananenmarktordnung) in Kraft, mit der unter anderem das im Bananenprotokoll eingeräumte Zollkontingent aufgehoben wurde (Art. 21 Abs. 2 VO 404/93).
Die Verordnung unterscheidet Bananen nach ihrem Herkunftsgebiet: „Gemeinschaftsbananen” werden auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft produziert. „AKP-Bananen” stammen aus bestimmten Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik, die als sogenannte AKP-Staaten seit geraumer Zeit über spezielle, multilaterale Abkommen (Verträge von Lomé; zum Inhalt des Vierten AKP-EG-Abkommens von Lomé vom 15. Dezember 1989 in Bezug auf Bananen vgl. Report of the Appellate Body, WT/DS27/AB/R, 9. September 1997, Rn. 169 ff.) mit der Europäischen Gemeinschaft verbunden sind (hierzu Art. 179 Abs. 3 EGV-Fassung von Amsterdam; Auflistung der AKP-Staaten etwa in: Abkommen zur Änderung des Vierten AKP-EG-Abkommens von Lomé, unterzeichnet in Mauritius am 4. November 1995, BGBl II 1997 S. 1615). Als „traditionelle” AKP-Bananen wird dabei ein Kontingent von Bananen bis zu einem Gesamtgewicht von 857.700 Tonnen (vgl. Anhang VO 404/93) bezeichnet, was der herkömmlichen Einfuhrmenge aus den AKP-Staaten entspricht. Darüber hinausgehende Einfuhren werden als „nichttraditionelle” AKP-Bananen bezeichnet. „Drittlandsbananen” schließlich stammen weder aus der Gemeinschaft noch aus AKP-Staaten.
Gemeinschafts- und AKP-Bananen können in Preis und Qualität nicht mit Drittlandsbananen konkurrieren. In Deutschland waren vor allem Drittlandsbananen bekannt und verbreitet (zum Überwiegen von Drittlandsbananen auf offenen Märkten: Report of the Panel, WT/DS27/R/USA, 22. Mai 1997, Rn. 3.5). Die Bananenmarktordnung soll die Gemeinschaftsproduktion von Bananen stützen und den zollfreien Absatz traditioneller AKP-Bananen ermöglichen, ohne die Einfuhr von Drittlandsbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen zu behindern (Begründungserwägungen 2 ff. der VO 404/93).
2. Für Gemeinschaftsbananen werden zu diesem Zweck Beihilferegelungen geschaffen (Art. 10 ff. VO 404/93). Traditionelle AKP-Bananen bedürfen – wie alle außerhalb der Gemeinschaft produzierten Bananen – einer Einfuhrbescheinigung (Art. 17 VO 404/93), sind aber zollfrei (Begründungserwägung 12 der VO 404/93).
Nichttraditionelle AKP-Bananen und Drittlandsbananen können im Rahmen eines bestimmten Zollkontingents zu geringen Zollsätzen oder zollfrei eingeführt werden; außerhalb dieses Kontingents unterliegen sie einem hohen Zollsatz. Das jährliche Zollkontingent betrug nach Art. 18 VO 404/93 ursprünglich 2 Mio. Tonnen. In diesem Rahmen konnten nichttraditionelle AKP-Bananen zollfrei, Drittlandsbananen zu einem Zollsatz von 100 Ecu/t eingeführt werden. Außerhalb des Kontingents unterlagen AKP-Bananen einem Zollsatz von 750 Ecu/t, Drittlandsbananen einem Zollsatz von 850 Ecu/t.
Das Zollkontingent für nichttraditionelle AKP-Bananen und Drittlandsbananen wird nach Marktbeteiligten und nach wirtschaftlicher Tätigkeit aufgeteilt. Unter den Marktbeteiligten wird das Zollkontingent nach Art. 19 VO 404/93 wie folgt verteilt:
- 66,5 v.H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Drittlandsbananen und/oder nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben;
- 30 v.H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben;
- 3,5 v.H. für die in der Gemeinschaft niedergelassenen Marktbeteiligten, die ab 1992 mit der Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- und/oder traditionellen AKP-Bananen beginnen.
In der in Art. 2 VO (EWG) Nr. 1442/93 der Kommission vom 10. Juni 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen (ABl L 142 vom 12. Juni 1993 – im Folgenden: VO 1442/93 –, S. 6) verwendeten Terminologie werden diese drei Gruppen in der genannten Reihenfolge als Gruppen A, B und C bezeichnet.
Einfuhrlizenzen der Kategorien A und B werden zusätzlich zwischen den Marktbeteiligten auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit aufgeteilt. Dabei wird zwischen drei Gruppen unterschieden, die folgende Tätigkeiten ausüben:
- Erstimporteure: Ankauf von grünen Bananen mit Ursprung in Drittländern und/oder AKP-Staaten bei den Erzeugern, gegebenenfalls Erzeugung sowie Verwendung und Verkauf in der Gemeinschaft;
- Zweitimporteure: als Eigentümer der grünen Bananen Lieferung und Abfertigung zum freien Verkehr sowie Verkauf im Hinblick auf die Abfertigung zum freien Verkehr in der Gemeinschaft. Marktbeteiligte, die das Risiko der Qualitätsminderung oder des Verlustes der Erzeugnisse tragen, werden dabei den Eigentümern der Erzeugnisse gleichgestellt;
- Reifer: Reifung der ihnen gehörenden Bananen und Abfertigung zum freien Verkehr in der Gemeinschaft (Art. 3 VO 1442/93).
Zur Ermittlung der einem Marktbeteiligten zukommenden Importmengen werden die von den Marktbeteiligten jeweils in einem Referenzzeitraum von drei Jahren vermarkteten Bananenmengen errechnet. Auf diese sogenannte Referenzmenge wird sodann ein Gewichtungskoeffizient nach der wirtschaftlichen Tätigkeit angewandt, nämlich 57 v.H. für Erstimporteure, 15 v.H. für Zweitimporteure und 28 v.H. für Reifer. Nach Maßgabe des jährlichen Zollkontingents und des Gesamtvolumens der Referenzmengen der Marktbeteiligten wird sodann anhand der so ermittelten Zahl die jedem Marktbeteiligten zuzuteilende Menge an Einfuhrlizenzen errechnet (Art. 5, 6 VO 1442/93).
3. Die Bananenmarktordnung wurde in der Folgezeit mehrfach ergänzt und geändert.
So fasste die VO 3290/94 mit Geltung ab dem 1. Januar 1995 einige Artikel der VO 404/93 neu. Mit Art. 18 VO 404/93 (n.F.) wurden der Zollsatz für die Einfuhr von Drittlandsbananen innerhalb des Kontingents auf 75 Ecu/t gesenkt und das jährliche Zollkontingent von 2 Mio. Tonnen auf 2,1 Mio. Tonnen für 1994 sowie auf 2,2 Mio. Tonnen für die Folgezeit erhöht (vgl. Verordnung ≪EG≫ Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über erforderliche Anpassungen und Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor zur Anwendung der im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte, ABl L 349 vom 31. Dezember 1994, S. 105, Anhang XV, Punkt 4; zum Inkrafttreten der Änderung vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. d der VO 3290/94). Weitere Erhöhungen des Zollkontingents auf Grund von Bedarfsvorausschätzungen blieben möglich. Tatsächlich betrug das Kontingent im Jahre 1997 2,553 Mio. Tonnen (Report of the Panel, WT/DS27/R/USA, 22. Mai 1997, Rn. 3.9). Außerhalb des Kontingents wurden durch die Neufassung der VO 404/93 die ursprünglich festen Zollsätze von 750 Ecu/t für nichttraditionelle AKP-Bananen und 850 Ecu/t für Drittlandsbananen durch eine komplexere Regelung ersetzt (Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 15 VO 404/93 in der Fassung der VO 3290/94), die jedoch weiterhin bestimmte, dass – für Einfuhren außerhalb des Kontingents – der Zollsatz für nichttraditionelle AKP-Bananen um 100 Ecu/t unter dem Zollsatz für Drittlandsbananen lag. In der Praxis lief dies für die Jahre 1996/97 auf einen Zollsatz von 793 Ecu/t für Drittlandsbananen, 693 Ecu/t für nichttraditionelle AKP-Bananen hinaus (Report of the Appellate Body, WT/DS27/AB/R, 9. September 1997, Rn. 173).
Im Zusammenhang mit der Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens im Rahmen des GATT (sogenanntes zweites Bananen-Panel) schloss die Europäische Gemeinschaft ein Rahmenabkommen über Bananen mit vier lateinamerikanischen Staaten (Kolumbien, Costa Rica, Venezuela, Nicaragua). Das Rahmenabkommen wurde gemeinschaftsrechtlich durch die am 5. März 1995 in Kraft getretene VO (EG) Nr. 478/95 der Kommission vom 1. März 1995 mit ergänzenden Durchführungsbestimmungen zu der VO (EWG) Nr. 404/93 des Rates betreffend die Zollkontingentregelung für die Einfuhr von Bananen in die Gemeinschaft und zur Änderung der VO (EWG) Nr. 1442/93 (ABl L 49 vom 4. März 1995, S. 13 – im Folgenden: VO 478/95 –) umgesetzt. Nach Art. 1 Abs. 1 VO 478/95 wurde das – bereits nach Marktbeteiligten und nach wirtschaftlicher Tätigkeit aufgeteilte – Zollkontingent für Einfuhren von Drittlandsbananen und nichttraditionellen AKP-Bananen zusätzlich noch nach einzelnen Exportländern aufgeteilt. Dabei wurde mit Anhang I Tabelle 2 VO 478/95 die Menge der zollfrei einführbaren nichttraditionellen AKP-Bananen auf 90.000 Tonnen festgelegt. Bei den Drittlandsbananen stehen Kolumbien 21 v.H., Costa Rica 23,4 v.H., Nicaragua 3 v.H. und Venezuela 2 v.H. des Kontingents zu; die restlichen 50,6 v.H. verteilen sich – abzüglich der 90.000 Tonnen nichttraditioneller AKP-Bananen – auf die übrigen Exportländer von Drittlandsbananen (vgl. Anhang I Tabelle 1 und 3 VO 478/95; vgl. auch Report of the Panel, WT/DS27/R/USA, 22. Mai 1997, Rn. 3.11).
Art. 3 Abs. 2 VO 478/95 bestimmte zudem auf der Basis des Rahmenabkommens, dass Waren mit Ursprung aus Kolumbien, Costa Rica oder Nicaragua von Marktbeteiligten der Gruppen A und C nur bei Vorlage einer von diesen Ländern erteilten Ausfuhrlizenz eingeführt werden dürfen. Die mit der Erteilung der Ausfuhrlizenzen verbundenen Kosten führten dazu, dass der von diesen Marktbeteiligten für Bananen zu entrichtende Preis um 33 v.H. über dem von Marktbeteiligten der Gruppe B zu entrichtenden lag.
Dieses Erfordernis von speziellen Ausfuhrlizenzen bei Importen aus den genannten Ländern hat der Europäische Gerichtshof mit zwei Urteilen vom 10. März 1998 wegen Verstoßes gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 40 Abs. 3 UAbs. 2 EGV, das nur spezifischer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes sei, insoweit für ungültig erklärt, als Ausfuhrlizenzen nur von Marktbeteiligten der Gruppen A und C, nicht aber von Marktbeteiligten der Gruppe B verlangt wurden (Rs. C-122/95 – Bundesrepublik Deutschland/Rat –, Slg. 1998, I-973 und verb. Rs. C-364/95 und C-365/95 – T. Port GmbH & Co. KG/Hauptzollamt Hamburg-Jonas –, Slg. 1998, I-1023). Im Übrigen lassen die beiden Urteile die Gültigkeit der Bananenmarktordnung unberührt.
II.
1. Klägerinnen der beiden Ausgangsverfahren sind 19 Unternehmen der sogenannten Atlanta-Gruppe. Sie sind als Importeure von Bananen auf allen Stufen des Transports, der Reifung und der Vermarktung tätig. 30 v.H. ihrer Umsätze entfallen auf die Vermarktung von Bananen. Zwischen 1989 und 1991 führte die Atlanta-Gruppe jährlich durchschnittlich 410.000 Tonnen Drittlandsbananen ein.
Nach Inkrafttreten der Bananenmarktordnung wurden die Klägerinnen als Marktbeteiligte der Gruppe A eingeordnet und erhielten für das 3. Quartal 1993 eine vorläufige Kontingentmenge zugeteilt. Widersprüche gegen die darin liegende Beschränkung der Importmenge wurden unter Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Klage machten die Klägerinnen im ersten Ausgangsverfahren zunächst geltend, die VO 404/93 verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht. Das Verwaltungsgericht legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor. Zugleich sprach es den Klägerinnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Monate November und Dezember 1993 weitere Einfuhrlizenzen für Drittlandsbananen zum Zollsatz von 100 Ecu/t zu, die im Falle eines Unterliegens in der Hauptsache mit den den Klägerinnen gemeinschaftsrechtlich zustehenden Referenzmengen zu verrechnen waren.
Das zweite Ausgangsverfahren betrifft die den Klägerinnen zugewiesenen Einfuhrlizenzen für das Jahr 1995.
2. Der Europäische Gerichtshof entschied mit Urteil vom 9. November 1995 (EuGH, Rs. C-466/93 – Atlanta Fruchthandelsgesellschaft/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft –, Slg. 1995, I-3799) weitgehend unter Verweis auf sein Urteil vom 5. Oktober 1994 (EuGH, Rs. C-280/93 – Bundesrepublik Deutschland/Rat –, Slg. 1994, I-4973), gegen die Gültigkeit der VO 404/93 bestünden keine Bedenken. Die Klägerinnen beantragten nunmehr in beiden Ausgangsverfahren festzustellen, dass die ihnen erteilten Bescheide und Widerspruchsbescheide insoweit rechtswidrig seien, als sie sie in der Einfuhr von Bananen aus Drittstaaten in die Europäische Gemeinschaft beschränkten. Die Anwendung der Einfuhrregelung nach VO 404/93 und VO 478/95 sei wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
III.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 24. Oktober 1996 das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht in erster Linie die Frage vorgelegt, ob die Anwendung von Art. 17 bis 19 und von Art. 21 Abs. 2 VO 404/93 sowie der VO 478/95 in Deutschland mit Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Statthaftigkeit dieser Vorlage verneinen oder die Frage bejahen, so stelle sich die Frage, ob die deutschen Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar seien, als sie dem Gemeinschaftsgesetzgeber die Befugnis übertragen hätten, die genannten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Deutschland in Geltung zu setzen.
Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus:
1. Die Vorlage sei entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG statthaft.
a) Vorlagegegenstand nach Art. 100 Abs. 1 GG seien förmliche und nachkonstitutionelle Gesetze des Bundes und der Länder. Eine Vorlage von Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG scheide daher grundsätzlich aus. Gesetzlicher Richter sei insoweit der Europäische Gerichtshof. Verneine der Europäische Gerichtshof Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht, meine das vorlegende Gericht aber, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den nach dem Grundgesetz zu gewährenden Grundrechtsschutz nicht gewährleiste, die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem GATT nicht wahre oder einem Handeln des Gemeinschaftsgesetzgebers außerhalb oder unter Verletzung der Vorschriften des EG-Vertrags nicht entgegentrete, so stelle sich die Frage nach den Grenzen des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts. Diese Grenzen seien für die Bundesrepublik Deutschland in Art. 23 Abs. 1 GG niedergelegt.
b) Zwischen den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 73, 339 (Solange II) und in BVerfGE 89, 155 (Maastricht) bestünde in zweierlei Hinsicht ein Unterschied. Zum einen erstrecke das Bundesverfassungsgericht seit dem Maastricht-Urteil seine Prüfungs- und Verwerfungskompetenz auch auf in Deutschland wirksame Hoheitsakte der Gemeinschaft, gewährleiste also den Grundrechtsschutz von Deutschen bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt sowohl von nationalen als auch von Gemeinschaftsorganen. Zum anderen übe das Bundesverfassungsgericht, anders als nach der Solange II-Entscheidung, seine Prüfungsbefugnis ausdrücklich wieder aus, wenn auch in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof. Daraus folge, dass Verfassungsbeschwerden und Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG jedenfalls dann statthaft sein müssten, wenn dargelegt werde, dass Akte der Gemeinschaft in die durch das Grundgesetz geschützten Grundrechte eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland eingriffen und der in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gegenüber dem Grundrechtseingriff gewährte Grundrechtsschutz nicht dem nach dem Grundgesetz zu gewährenden unabdingbaren Grundrechtsstandard entspreche. Die Frage, ob ein solcher Grundrechtsstandard gewahrt sei, könne nur auf nationaler Ebene geklärt werden. Ein spezielles Verfahren, in dem diese Frage geklärt werden könne, sei im nationalen Recht nicht vorgesehen. Da das Verwerfungsmonopol für grundrechtswidrige deutsche Gesetze beim Bundesverfassungsgericht liege, sei es geboten, die bestehende Regelungslücke durch entsprechende Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG zu schließen.
Allerdings gewähre das Bundesverfassungsgericht Grundrechtsschutz gegenüber sekundärem Gemeinschaftsrecht nicht schon dann, wenn sich der durch den Europäischen Gerichtshof und der durch das Bundesverfassungsgericht gewährte Grundrechtsschutz nicht voll deckten oder in einem Einzelfall der Grundrechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof ausfalle. Vielmehr müssten die Grundrechte durch die Gemeinschaft generell und in ihrem Wesen evident missachtet werden, das heisst strukturelle Defizite in der Grundrechtsgewährung festzustellen sein.
Die Vorlage werde darauf gestützt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Grundrechtsschutz der Klägerinnen individuell und für den Bereich des Marktordnungsrechts auch generell nicht gewährleiste.
2. Die Klägerinnen würden durch die Einfuhrregelungen des Abschnitts IV der VO 404/93 und der VO 478/95 in Verbindung mit den Durchführungsbestimmungen der VO 1442/93 in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es sei ihnen nicht möglich gewesen und auch weiterhin nicht möglich, hiergegen durch die Gemeinschaftsgerichte einen Grundrechtsschutz zu erlangen, der dem nach dem Grundgesetz zu gewährleistenden unabdingbaren Grundrechtsstandard entspreche.
a) Die Klägerinnen hätten auf Grund der Einfuhrregelungen durch die Bananenmarktordnung nur noch weniger als 50 v.H. der zuvor eingeführten Mengen an Drittlandsbananen in die Bundesrepublik Deutschland einführen können. Diese Folge sei ab dem 1. Juli 1993 ohne Übergangsregelung und auf Dauer eingetreten. Ein Ersatz durch die Einfuhr von Gemeinschafts- oder AKP-Bananen sei nicht möglich gewesen, weil die Erzeuger solcher Bananen durch langfristige Verträge mit traditionellen Vermarktern und Importeuren von Gemeinschafts- und AKP-Bananen gebunden gewesen seien. Die Verordnung selbst habe für eine solche Ersatzmöglichkeit keine Vorsorge, etwa durch Zuteilung von Zollkontingenten, getroffen.
Der übergangslose Mengenentzug habe für die Betriebe der Klägerinnen dazu geführt, dass die vorhandenen, teilweise nur für die Vermarktung von Bananen erforderlichen Betriebsanlagen – wie Verladeterminals, Kühlhäuser und Reifereien – gar nicht mehr oder nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden könnten und deshalb einzelne Betriebe oder Betriebsteile hätten schließen und Arbeitnehmer entlassen müssen.
b) Die Einfuhrregelungen und ihre Folgen stellten einen faktischen Eigentumseingriff dar.
Bis zum Inkrafttreten der Bananenmarktordnung habe das sogenannte Bananenprotokoll der Bundesrepublik Deutschland und damit den Marktbeteiligten in Deutschland die zollfreie Einfuhr von Bananen in bestimmter Menge garantiert. Das Protokoll sei nach Art. 239 EGV (nunmehr: Art. 311) Bestandteil des EG-Vertrages gewesen. Im Vertrauen auf das Bananen-Protokoll hätten die Klägerinnen ihre Geschäftstätigkeit gestaltet und die erforderlichen Betriebsanlagen geschaffen. Die Einfuhrregelungen des Abschnittes IV der VO 404/93 hätten dazu geführt, dass die Betriebe nicht oder nicht mehr wirtschaftlich hätten fortgeführt werden können.
Die Regelungen der VO 404/93 stellten keine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
Zu berücksichtigen sei zwar, dass nach Art. 40 EGV (nunmehr: Art. 34) eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte geschaffen werde, um die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik der Gemeinschaft im Sinne des Art. 39 EGV (nunmehr: Art. 33) zu erreichen. Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 lit. c EGV (nunmehr: Art. 34 Abs. 1 Satz 2 lit. c) gehöre zu den zulässigen Organisationsformen auch eine europäische Marktordnung. Vor diesem Hintergrund hätten die Klägerinnen damit rechnen müssen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber eine gemeinsame Marktorganisation für Bananen schaffe. Auch auf nationaler Ebene sei anerkannt, dass dem Gesetzgeber bei einer solchen Neuordnung eines Rechtsgebietes ein besonders weiter Spielraum zustehe. Er könne Rechtspositionen verkürzen oder umformen, wenn Gründe des Gemeinwohls vorlägen, die den Vorrang vor dem berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand eines wohlerworbenen Rechtes verdienten. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folge dann aber die Notwendigkeit einer schonenden Übergangsregelung (Verweis auf BVerfGE 58, 300 ≪351≫), deren Umfang von einer Abwägung zwischen Vertrauensschaden und Allgemeininteresse abhänge (Verweis auf BVerfGE 70, 101 ≪114≫). Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, weil er keine Übergangsregelung zu Gunsten der Drittlands-Marktbeteiligten getroffen habe.
c) Die Einfuhrregelung und ihre Folgen griffen auch in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein.
Nicht betroffen sei zwar das Recht der Berufswahl, die Einfuhrregelung beschränke jedoch die Berufsausübungsfreiheit in verfassungswidriger Weise.
d) Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt.
Abschnitt IV der VO 404/93 behandele Drittlands-Marktbeteiligte und die Gruppe der Gemeinschafts- und AKP-Marktbeteiligten in unterschiedlicher Weise. Der Gruppe der Gemeinschafts- und AKP-Marktbeteiligten würden 30 v.H. des Zollkontingents für Drittlandsbananen zugeteilt, ohne dass diese Gruppe bisher Handelsbeziehungen zu Drittlandserzeugern gehabt hätte. Zugleich bleibe das bestehende Vermarktungsmonopol dieser Gruppe für Gemeinschafts- und AKP-Bananen faktisch unberührt, da es den Drittlands-Marktbeteiligten wegen der bestehenden vertraglichen Beziehungen zwischen den AKP- und Gemeinschaftsmarktbeteiligten einerseits und den entsprechenden Erzeugern andererseits nicht gelungen sei, in wesentlichem Umfang Vertragsbeziehungen zu Gemeinschafts- und AKP-Erzeugern anzubahnen. Daher stünden den Klägerinnen der Ausgangsverfahren als Drittlands-Marktbeteiligten nur noch rund 50 v.H. der früher eingeführten Mengen an Bananen zur Vermarktung zur Verfügung. Der Gruppe der Gemeinschafts- und AKP-Marktbeteiligten hingegen stünden neben den Gemeinschafts- und AKP-Bananen zusätzlich noch 30 v.H. des Einfuhrkontingents an Drittlandsbananen zur Verfügung.
3. Der Grundrechtsschutz, den die Klägerinnen gegenüber den genannten Grundrechtsverletzungen durch den Europäischen Gerichtshof erhalten hätten und hätten erhalten können, entspreche nicht dem nach dem Grundgesetz zu gewährenden unabdingbaren Grundrechtsstandard.
Die Wahrung der Grundrechte gehöre zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaft. Eigentumsrecht, Berufsfreiheit und allgemeiner Gleichheitssatz seien in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich anerkannte Gemeinschaftsgrundrechte. Im Bereich des Marktordnungsrechts bestehe jedoch zwischen dem nach dem Grundgesetz zu gewährleistenden Grundrechtsschutz in seiner Ausprägung durch das Bundesverfassungsgericht einerseits und dem Grundrechtsschutz nach dem Gemeinschaftsrecht in seiner Ausprägung durch den Europäischen Gerichtshof andererseits ein strukturelles Defizit.
4. Die Frage nach der Anwendbarkeit der VO 404/93 und der VO 478/95 sei auch entscheidungserheblich. Im Fall ihrer Anwendbarkeit sei die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide gerichtete Klage abzuweisen, weil Rechtsanwendungsfehler nicht erkennbar seien. Seien die Verordnungen hingegen nicht anwendbar, so sei der Klage stattzugeben, da Einfuhrbeschränkungen für Drittlandsbananen in die Bundesrepublik Deutschland nicht bestünden und die Bescheide rechtswidrig seien.
Eine andere Möglichkeit, zu Gunsten der Klägerinnen zu entscheiden, bestehe nicht.
IV.
1. Mit Schreiben vom 26. März 1997 wurde das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass im Anschluss an den Vorlagebeschluss der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 26. November 1996 (Rs. C-68/95 – T. Port GmbH & Co. KG/Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung –, Slg. 1996, I-6065) eine Entscheidung getroffen habe, nach der Art. 30 VO 404/93 die Kommission zum Erlass aller für erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen verpflichte. Diese Übergangsmaßnahmen müssten die Lösung der Probleme ermöglichen, die nach Einführung der gemeinsamen Marktorganisation eingetreten seien, ihren Ursprung jedoch in dem Zustand der nationalen Märkte vor Erlass der Verordnung hätten. Diese Entscheidung könne im Rahmen des im Vorlagebeschluss erörterten Fehlens einer Übergangsregelung Bedeutung gewinnen.
2. Der Vorsitzende der vorlegenden Kammer des Verwaltungsgerichts hat das Berichterstatterschreiben unter Hinweis auf die Ausführungen im Vorlagebeschluss beantwortet, denen zufolge Art. 30 VO 404/93 keine Handhabe biete, den Grundrechtsverletzungen abzuhelfen. Es liege nicht etwa eine vom Verordnunggeber nicht oder so nicht gesehene Härte im Einzelfall vor, sondern eine vom Verordnunggeber gewollte Härte. Nur durch die Beschränkung der Einfuhren von Drittlandsbananen sei es möglich, den Erzeugern von Gemeinschafts- und AKP-Bananen den erforderlichen Schutz zu gewährleisten.
Anders als in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall begehrten die Klägerinnen der Ausgangsverfahren nicht die Zugrundelegung eines anderen als des durch die Verordnung vorgesehenen Referenzzeitraumes, sondern eine generelle Erhöhung der Referenzmengen zur Beseitigung von Härten, die mit der Einführung und Aufteilung des Zollkontingents generell verbunden seien. Letztlich gehe es also um eine Härte, die alle Importeure von Drittlandsbananen in der Bundesrepublik Deutschland in gleicher Weise treffe. Daher biete Art. 30 VO 404/93 auch weiterhin keine Handhabe, die Grundrechtsverletzungen abzuwenden. Zudem habe die Bundesrepublik Deutschland nach Einführung der Bananenmarktordnung bei der Kommission um Härteregelungen wegen der Schwierigkeiten der deutschen Bananenimporteure erfolglos nachgesucht. Auch deshalb erscheine eine Verweisung der Klägerinnen der Ausgangsverfahren auf eine Härtefallregelung nach Art. 30 VO 404/93 und eine entsprechende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof nicht erfolgversprechend.
V.
Zur Vorlage haben sich der Bundesfinanzhof, das Bundesverwaltungsgericht sowie die Senate der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg geäußert. Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren haben ebenfalls Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist unzulässig.
I.
Vorlagen zu Regelungen des sekundären europäischen Gemeinschaftsrechts zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG sind nur dann zulässig, wenn ihre Begründung im Einzelnen darlegt, dass die gegenwärtige Rechtsentwicklung zum Grundrechtsschutz im europäischen Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, den jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet.
Das vorlegende Gericht hat zwar in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise seine Überzeugung dargelegt, dass und aus welchen Gründen es die Anwendung der vorgelegten Rechtsvorschriften für verfassungswidrig hält (vgl. BVerfGE 37, 328 ≪333 f.≫; 66, 265 ≪269 f.≫; 84, 160 ≪165≫; 86, 52 ≪57≫). Seine Auffassung, dass die von ihm zu treffende Entscheidung von der Beantwortung der vorgelegten Frage abhänge, kommt im Vorlagebeschluss auch deutlich zum Ausdruck (vgl. BVerfGE 97, 49 ≪60≫; 98, 169 ≪199≫). Ihm kann aber nicht darin gefolgt werden, dass die von ihm beanstandeten Vorschriften der Art. 17 bis 19 und Art. 21 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 404/93 sowie weitere Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts dem Bundesverfassungsgericht entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt werden könnten.
II.
1. Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1974 – 2 BvL 52/71 – (BVerfGE 37, 271 – Solange I –) in tatsächlicher Hinsicht das Ergebnis gewonnen, der Integrationsprozess der Gemeinschaft sei noch nicht so weit fortgeschritten, dass das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthalte, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat sei. Aus diesem Grunde erachtete er die Vorlage eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren nach Einholung der im damals geltenden Art. 177 EWGV geforderten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für zulässig und geboten, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie mit einem der Grundrechte des Grundgesetzes kollidiert (BVerfGE 37, 271 ≪285≫).
2. a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 1986 – 2 BvR 197/83 – (BVerfGE 73, 339 – Solange II –) entschieden, mittlerweile sei im Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaften ein Maß an Grundrechtsschutz erwachsen, das nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im Wesentlichen gleich zu achten sei. Es bestünden keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der erreichte gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsstandard nicht hinreichend gefestigt und lediglich vorübergehender Natur sei (BVerfGE 73, 339 ≪378≫).
Der Senat hat ausgehend von einzelnen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Feststellungen zum Grundrechtsstandard auf europäischer Ebene getroffen, der vor allem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften inhaltlich ausgestaltet worden, gefestigt und zureichend gewährleistet sei (BVerfGE 73, 339 ≪378 bis 381≫). Er hat hierbei zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den auf das Wirtschaftsleben bezogenen Grundrechten und Grundfreiheiten, wie Eigentum und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (a.a.O., S. 380), aber auch zur Vereinigungsfreiheit, zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und zum Willkürverbot, zur Religionsfreiheit oder zum Schutz der Familie sowie zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Übermaßverbots und zur Verhältnismäßigkeit als allgemeine Rechtsgrundsätze bei der Abwägung zwischen den Gemeinwohlzielen der Gemeinschaftsrechtsordnung und zur Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte Stellung genommen (a.a.O., S. 380).
Der Senat hat zusammenfassend festgestellt: Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen. Vorlagen (von Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts an das Bundesverfassungsgericht) nach Art. 100 Abs. 1 GG sind deshalb unzulässig (BVerfGE 73, 339 ≪387≫).
b) Hieran hat der Senat auch im Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155) festgehalten. Der Senat betont dort, das Bundesverfassungsgericht gewährleiste durch seine Zuständigkeit in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof, dass ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten sei, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürge. Das Bundesverfassungsgericht sichere so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft (BVerfGE 89, 155 ≪174 f.≫ unter Hinweis auf BVerfGE 37, 271 ≪280 ff.≫ und 73, 339 ≪376 f., 386≫). Der Europäische Gerichtshof sei unter den Voraussetzungen, die der Senat in BVerfGE 73, 339 – Solange II – formuliert hat, auch für den Grundrechtsschutz der Bürger der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Akten der nationalen (deutschen) öffentlichen Gewalt, die auf Grund von sekundärem Gemeinschaftsrecht ergehen, zuständig. Das Bundesverfassungsgericht werde erst und nur dann im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit wieder tätig, wenn der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsstandard verlassen sollte, den der Senat in BVerfGE 73, 339 (378 bis 381) festgestellt hat.
c) Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG (eingefügt durch Gesetz vom 21. Dezember 1992 – BGBl I S. 2086 –) hat diese Rechtsprechung bekräftigt. Die Bundesrepublik Deutschland wirkt hiernach zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Ein deckungsgleicher Schutz in den einzelnen Grundrechtsbereichen des Grundgesetzes durch das europäische Gemeinschaftsrecht und die darauf fußende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht gefordert. Den verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist entsprechend den in BVerfGE 73, 339 (340, 387) genannten Voraussetzungen genügt, wenn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt.
d) Sonach sind auch nach der Entscheidung des Senats in BVerfGE 89, 155 Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung (BVerfGE 73, 339 ≪378 bis 381≫) unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei. Deshalb muss die Begründung der Vorlage eines nationalen Gerichts oder einer Verfassungsbeschwerde, die eine Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend macht, im Einzelnen darlegen, dass der jeweils als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist. Dies erfordert eine Gegenüberstellung des Grundrechtsschutzes auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene in der Art und Weise, wie das Bundesverfassungsgericht sie in BVerfGE 73, 339 (378 bis 381) geleistet hat.
III.
Hieran fehlt es.
1. Die Begründung der Vorlage verfehlt die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung bereits im Ansatz, weil sie auf einem Missverständnis des Maastricht-Urteils beruht. Das vorlegende Gericht meint, das Bundesverfassungsgericht übe seine Prüfungsbefugnis nach dem Maastricht-Urteil entgegen der Solange II-Entscheidung ausdrücklich wieder aus, wenn auch in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof.
Diese Aussage kann dem Maastricht-Urteil nicht entnommen werden. Der Senat zitiert an der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Stelle ausdrücklich seine Solange II-Entscheidung mit den Ausführungen, welche die beschränkte Ausübung seiner Gerichtsbarkeit formulieren. Dass der Senat im Maastricht-Urteil weder an dieser noch an anderer Stelle seine in BVerfGE 73, 339 niedergelegte Auffassung über die Abgrenzung der Rechtsprechungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs im Verhältnis zum Bundesverfassungsgericht und umgekehrt aufgegeben hat, wird auch an den vorausgehenden Erwägungen (BVerfGE 89, 155 ≪174 f.≫) deutlich. Schließlich erörtert der Senat diese Fragen im Abschnitt über die Zulässigkeit des Verfassungsrechtsbehelfs, nicht hingegen in dem über die Begründetheit (BVerfGE 89, 155 ≪174, 2. am Anfang≫). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme eines Widerspruchs zwischen den Entscheidungen Solange II und Maastricht ohne tragfähige Grundlage.
2. Im vorliegenden Fall bestand über diese Anforderungen hinaus besonderer Anlass zu eingehenden Ausführungen hinsichtlich einer negativen Entwicklung des Grundrechtsstandards in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat nämlich in seinem nach Erlass des Vorlagebeschlusses ergangenen Urteil vom 26. November 1996 (Rs. C-68/95 – T. Port GmbH & Co. KG/Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung –, Slg. 1996, I-6065) die Kommission nach Art. 30 VO 404/93 zum Erlass aller für erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen verpflichtet. Solche Übergangsmaßnahmen müssten die Lösung der Probleme ermöglichen, die nach Einführung der gemeinsamen Marktorganisation eingetreten seien, ihren Ursprung jedoch in dem Zustand der nationalen Märkte vor Erlass der Verordnung hätten. Auf diese Entscheidung und mögliche Folgerungen für die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses wurde das vorlegende Gericht vom Bundesverfassungsgericht eigens aufmerksam gemacht.
Das vorlegende Gericht hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt die Unzulänglichkeit seiner Vorlagebegründung erkennen und diese beheben müssen (vgl. BVerfGE 51, 161 ≪163 ff.≫; 85, 191 ≪203≫). Hierzu war die Antwort allein durch den Kammervorsitzenden bereits formal nicht ausreichend; denn ebenso wie dieser als Mitglied eines Kollegialspruchkörpers den Vorlagebeschluss allein nicht fassen darf (vgl. hierzu schon BVerfGE 1, 80 ≪81 f.≫; 21, 148 ≪149≫), geht es nicht an, dass nur er die Zulässigkeit der Vorlage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht begleitet und beobachtet. Auch inhaltlich gehen seine Ausführungen fehl. Sie setzen sich mit der Begründung des Vorlagebeschlussses in Widerspruch, der vor allem auch das Fehlen von Übergangsmaßnahmen bemängelt und daraus die Verfassungswidrigkeit der Verordnung 404/93 hergeleitet hat. Allerdings wäre es dem Verwaltungsgericht nicht möglich gewesen, vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein generelles Absinken des Grundrechtsstandards in dessen Rechtsprechung herzuleiten.
Zudem hätte das Verwaltungsgericht sehen müssen, dass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs der Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 1995 – 2 BvR 2689/94 und 2 BvR 52/95 – (EuZW 1995, S. 126) vorausgegangen ist. Der Europäische Gerichtshof hat die aus der Eigentumsgewährleistung folgende Notwendigkeit einer vorläufigen Härteregelung ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht beurteilt. Beide Entscheidungen verdeutlichen damit ein Ineinandergreifen des gerichtlichen Grundrechtsschutzes auf europäischer Ebene durch nationale Gerichte und Gerichte der Gemeinschaft.
C.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Unterschriften
Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio
Fundstellen
BVerfGE, 147 |
HFR 2000, 839 |
HFR 2000, 839-842 |
NJW 2000, 3124 |
NJW 2000, 3124-3126 |
EuGRZ 2000, 328 |
EuGRZ 2000, 328-333 |
NVwZ 2000, 1022 |
NVwZ 2000, 1280 |
EWiR 2001, 323 |
WM 2000, 1661 |
WM 2000, 1661-1663 |
WuB 2000, 1189 |
ZIP 2000, 1456 |
ZIP 2000, 1456-1461 |
AP, 0 |
EuR 2000, 799 |
EuZW 2000, 702 |
JA 2001, 283 |
JZ 2000, 1155 |
VBlBW 2000, 427 |
BayVBl. 2000, 754 |
DVBl. 2000, 1547 |
NordÖR 2000, 501 |
JURAtelegramm 2001, 125 |
LL 2001, 64 |