Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot des Führens von Zusätzen zur Berufsbezeichnung „Steuerberater”
Leitsatz (redaktionell)
1. Die vom Deutschen Steuerberaterverband verliehene Bezeichnung „Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e. V.)” darf nicht als Zusatz zur Berufsbezeichnung Steuerberater geführt werden.
2. Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel schützen und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtsuchenden Personen Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen.
Normenkette
StBerG § 43 Abs. 2-3; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das in § 43 Abs. 2 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) geregelte Verbot des Führens von Zusätzen zur Berufsbezeichnung „Steuerberater”.
1. a) Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StBerG ist das Führen weiterer Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater” (§ 43 Abs. 1 StBerG) nur gestattet, wenn die weiteren Berufsbezeichnungen amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG im beruflichen Verkehr unzulässig. Nach § 43 Abs. 3 StBerG sind Zusätze erlaubt, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen.
b) Der Beschwerdeführer ist Steuerberater. Nach Absolvierung eines Lehrgangs wurde ihm vom Deutschen Steuerberaterverband die Bezeichnung „Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e.V.)” verliehen. Auf Anfrage des Beschwerdeführers teilte die zuständige Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 17. August 2007 unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 und 3 StBerG mit, dass das Führen von Fachberatertiteln des Deutschen Steuerberaterverbandes derzeit unzulässig sowie im Übrigen wettbewerbswidrig sei und eine Berufspflichtverletzung darstelle. Gemäß § 43 Abs. 2 und 3 StBerG sei lediglich gestattet, ergänzend auf die erfolgreiche Ableistung eines Fachberaterkurses und die hierdurch erworbene zusätzliche Qualifikation als Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung hinzuweisen; als Titel zusätzlich zur Berufsbezeichnung dürfe die Fachberaterbezeichnung nicht geführt werden.
Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers hat das Finanzgericht abgewiesen. Die Klage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, soweit der Beschwerdeführer die Feststellung begehre, dass er berechtigt sei, werbend auf die erworbene Fachberaterbezeichnung hinzuweisen; die Steuerberaterkammer habe das Recht des Beschwerdeführers zur werbenden Präsentation seiner Zusatzqualifikation nicht in Abrede gestellt. Soweit es dem Beschwerdeführer allerdings vorrangig um die Auslegung des § 43 StBerG gehe, nämlich um eine Gleichstellung seiner Präsentationsbefugnis mit den von der Steuerberaterkammer amtlich im Sinne des § 43 Abs. 2 StBerG verliehenen Titeln, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Das Führen der vom Deutschen Steuerberaterverband vergebenen Fachberaterbezeichnung verstoße auch unter Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit und des Gebots der Verhältnismäßigkeit gegen § 43 Abs. 2 und 3 StBerG. Die gesetzliche Regelung halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG stand. Zweck der Regelungen des Steuerberatungsgesetzes sei der Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen. Die Unterscheidung der Fachberater in solche, die die Steuerberaterkammer verleihe, und solche, die vom Deutschen Steuerberaterverband vergeben würden, sei sachlich begründet; die Prüfungskriterien würden im ersten Fall amtlich bestimmt und stünden unter staatlicher Aufsicht, im zweiten Fall seien sie nur privater Natur. Eine Differenzierung sei im Hinblick auf den Wettbewerb und den Schutz des steuerrechtsuchenden Publikums vor Irreführung hinsichtlich der Qualifikation der Steuerberater gerechtfertigt. Einer Werbung des betroffenen Steuerberaters mit dem „Fachberater” auf seinen Geschäftspapieren, in Anzeigen und im Internet-Auftritt stehe demgegenüber nichts entgegen.
Auch die Revision des Beschwerdeführers ist ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht die Klage des Beschwerdeführers zu Recht als unbegründet abgewiesen, soweit das Feststellungsbegehren darauf gerichtet gewesen sei, die Fachberaterbezeichnung neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater” – nicht nur als räumlich abgesetzten Hinweis auf die zusätzliche Qualifikation – führen zu dürfen. Dem Begehren des Beschwerdeführers stehe § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG entgegen, wonach Zusätze im beruflichen Verkehr unzulässig seien, soweit nicht § 43 Abs. 3 StBerG unter bestimmten – hier nicht vorliegenden – Voraussetzungen Ausnahmen erlaube und solange es – wie im Streitfall – nicht um eine von der Bundessteuerberaterkammer zugelassene Fachberaterbezeichnung gehe. Hinweise auf bestimmte zusätzlich erworbene Qualifikationen seien im beruflichen Verkehr des Steuerberaters allerdings nicht ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert generell verboten; nach § 57a StBerG sei sachlich unterrichtende Werbung über die berufliche Tätigkeit ausdrücklich erlaubt. Für die gebotene Abgrenzung habe das Finanzgericht in nicht zu beanstandender Weise – in Übereinstimmung mit der zwischen der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband diesbezüglich getroffenen Vereinbarung – darauf abgestellt, ob die Fachberaterbezeichnung im beruflichen Verkehr von der Berufsbezeichnung und dem Namen des Steuerberaters räumlich deutlich abgesetzt sei. Der Streitfall biete auch keinen Anlass, § 43 Abs. 2 StBerG zugunsten des Beschwerdeführers einschränkend auszulegen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt habe, sei es das mit der Vorschrift verfolgte gesetzgeberische Ziel, das Hilfeleistung in Steuersachen suchende Publikum vor der Gefahr einer Irreführung durch verschiedenartige Berufsbezeichnungen oder durch besondere Sachkompetenz verheißende Zusätze zu schützen.
2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und macht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend. Zur Begründung führt er aus, die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG und die auf ihr beruhenden angegriffenen Entscheidungen, nach denen der Abdruck von Zusatzbezeichnungen in unmittelbarer Nähe zur Berufsbezeichnung „Steuerberater” rechtswidrig sei, trügen dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Es gebe grundsätzlich keine vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dafür, (nur) bei Steuerberatern Zusätze zu Berufsbezeichnungen ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte generell zu verbieten; für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregten, müsse in rechtlichem und geschäftlichem Verkehr Raum bleiben. Der Versuch der Fachgerichte, das streitige Verbot mit der Sicherstellung der „Eindeutigkeit” der Steuerberaterbezeichnung zu rechtfertigen, werde den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. § 43 StBerG gehe über das Verbot der Irreführung hinaus. Eine relevante Irreführung sei mit dem Führen der streitigen Bezeichnung nicht verbunden, weil die durch die Fachberaterbezeichnung ausgewiesene besondere Qualifikation den Tatsachen entspreche und die Bezeichnung nach der maßgeblichen Sichtweise des werbegewohnten Verbrauchers keine Irreführungs- und Verwechslungsgefahr gegenüber amtlich verliehenen Titeln und Bezeichnungen begründe. Am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gemessen könne es nicht gerechtfertigt sein, nur Steuerberatern die Führung von Bezeichnungen der streitigen Art zu untersagen, nicht aber den in ihrer Funktion völlig vergleichbaren Fachanwälten für Steuerrecht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Werberecht der freien Berufe hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 ≪133≫; 76, 196 ≪205 ff.≫; 82, 18 ≪28≫). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG und die hierauf beruhenden Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.
Der angegriffene Bescheid der Steuerberaterkammer und die angegriffenen Urteile berühren den Beschwerdeführer zwar in seiner Berufsausübungsfreiheit, weil sie seiner vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfassten beruflichen Außendarstellung (vgl. BVerfGE 111, 366 ≪379≫) Grenzen setzen. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG genügt jedoch den Anforderungen, die an das Grundrecht der Berufsfreiheit einschränkende Gesetze zu stellen sind. Auch bei der konkreten Rechtsanwendung wurde der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung getragen.
a) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 60, 215 ≪233≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 1990 – 1 BvR 1307/88 –, juris ≪Rn. 3≫). Sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können, als berufswidrig zu verbieten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 – 1 BvR 166/89 –, NJW 1993, S. 2988 ≪2989≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juli 2001 – 1 BvR 873/00 –, NJW 2001, S. 2788 ≪2789≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Januar 2002 – 1 BvR 1147/01 –, NJW 2002, S. 1331).
aa) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen und dabei vor allem dem Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz ≪Stand: 2000≫, § 43 Rn. 2 m.w.N.; Willerscheid, in: Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez/Willerscheid, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl. 2004, § 43 Rn. 8 ff.). Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel schützen und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtsuchenden Personen Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1981 – I ZR 29/79 –, NJW 1981, S. 2519; Urteil vom 10. März 1988 – I ZR 217/85 –, GRUR 1988, S. 624 ≪626≫).
Nicht durchgreifend ist der Einwand des Beschwerdeführers, eine Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums sei vorliegend nicht zu besorgen. Der Gesetzgeber hat seinen Einschätzungsspielraum bei Schaffung der Regelung in § 43 Abs. 2 StBerG nicht überschritten. Die der Regelung zugrunde liegende Annahme, nicht hoheitlich verliehene Berufsbezeichnungen und nicht amtliche Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung begründeten die Gefahr einer Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums, ist nicht offensichtlich unzutreffend; ebenso wenig ist ersichtlich, dass ein Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor einem Wildwuchs an nicht amtlichen Zusätzen zur Berufsbezeichnung und vor einer hierdurch bedingten Verwässerung zwischenzeitlich entfallen wäre.
bb) Die Regelung ist auch geeignet, dem mit ihr verfolgten Zweck Rechnung zu tragen. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG gestattet nur das Führen amtlich verliehener Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater” und untersagt andere Zusätze, sofern sie nicht auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen. Durch dieses Verbot nicht amtlicher Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung wird sichergestellt, dass die mit der amtlichen Bezeichnung zum Ausdruck gebrachte hoheitliche Gewähr für die Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen oder Auszeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische – tatsächlich nicht zwingend vorhandene – Autorität verschafft; die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist daher geeignet, die amtlich verliehenen Berufsbezeichnungen und Titel gegen eine Verwässerung zu schützen und Irrtümern der steuerrechtsuchenden Bevölkerung über die besondere Sachkompetenz des Berufsträgers entgegenzuwirken.
cc) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch erforderlich, um die mit ihr verfolgten Belange des Gemeinwohls zu schützen; ein milderes Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Irreführung über die Aussagekraft der Berufsbezeichnung „Steuerberater”, ihr beigefügter Zusätze und über die hierdurch ausgewiesenen Qualifikationen ist nicht ersichtlich. Ohne die angegriffene Regelung bestünde – wie die Situation vor Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes gezeigt hat (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, a.a.O.) – ein nicht unerhebliches Risiko eines Konturverlusts der amtlichen Berufsbezeichnungen und damit eine Gefahr der Irreführung über die Qualität und Aussagekraft von einerseits amtlich sowie andererseits privat verliehener Bezeichnungen. Es wäre zu befürchten, dass ein neuerlicher Wildwuchs an privat verliehenen – möglicherweise wenig aussagekräftigen und verlässlichen – Bezeichnungen und Titeln entstünde, der – soweit diese als Zusatz zu der amtlichen Berufsbezeichnung zugelassen würden – eine Orientierung des steuerrechtsuchenden Publikums nachhaltig erschweren und die Gefahr einer Irreführung über die Aussagekraft und Autorität der Berufsbezeichnungen und Zusätze begründen würde.
dd) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch angemessen und führt nicht zu unzumutbaren Beschränkungen für die betroffenen Steuerberater. Der mit ihr verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Steuerberater wiegt nicht schwer. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG zielt schon nach seinem Wortlaut nicht auf ein umfassendes – und als solches verfassungswidriges (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 – 1 BvR 166/89 –, NJW 1993, S. 2988 ≪2989≫) – Verbot jeglicher Angaben und Zusätze ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte ab; sie untersagt lediglich nicht amtlich verliehene Berufsbezeichnungen und Zusätze, weil diese im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu einer Irreführung über die Qualität einer Bezeichnung oder eines Titels – nämlich insbesondere über die Reichweite der durch einen amtlichen Titel oder eine amtliche Bezeichnung zum Ausdruck gebrachten hoheitlichen Gewähr für die zugrunde liegenden Qualifikationsstandards – führen können.
Schon aus dem in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG verwendeten Begriff „Zusatz” ergibt sich, dass sachlich zutreffende Hinweise auf nicht amtlich verbürgte besondere Qualifikationen nur bei Bestehen einer inhaltlichen oder räumlichen Verbindung zu der amtlichen Berufsbezeichnung unzulässig, im Übrigen aber erlaubt sind. Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG steht daher einer – verfassungsrechtlich geschützten und im Übrigen durch § 57a StBerG ausdrücklich erlaubten – beruflichen Außendarstellung und Werbung durch interessengerechte und sachangemessene Information nicht entgegen. Steuerberatern werden werbende Hinweise auf ihre zusätzlich zur allgemeinen beruflichen Qualifikation erworbene Sachkompetenz nicht grundsätzlich untersagt; ihnen wird lediglich versagt, ihren von privater Stelle zuerkannten Bezeichnungen den Anschein einer besonderen – tatsächlich nicht vorhandenen – Autorität zu geben.
b) Auch die konkrete Rechtsanwendung durch die Fachgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Regelung obliegt den Fachgerichten und ist durch das Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫). Vorliegend haben die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG vertretbar ausgelegt und angewendet; die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe wurden berücksichtigt und in der gebotenen Weise zur Anwendung gebracht.
aa) Insbesondere haben die Fachgerichte zutreffend erkannt, dass das Führen der vom Beschwerdeführer erworbenen Fachberaterbezeichnung in unmittelbarer Verbindung mit der Berufsbezeichnung „Steuerberater” der Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG unterfällt und geeignet ist, die Eindeutigkeit der amtlichen Berufsbezeichnung infrage zu stellen und zu der irrtümlichen Annahme zu verleiten, es handele sich auch bei der dem Beschwerdeführer vom Deutschen Steuerberaterverband zuerkannten Fachberaterbezeichnung um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis, der besonderes Vertrauen verdient. Die Fachgerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass das Führen der Bezeichnung in räumlicher Nähe zu der amtlichen Berufsbezeichnung ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit und trotz des Zusatzes „DStV e.V.” zu Irrtümern des steuerrechtsuchenden Publikums führen kann.
bb) Das Abgrenzungskriterium der räumlichen Nähe oder Distanz der Fachberaterbezeichnung zu der amtlichen Berufsbezeichnung ist, wie der Bundesfinanzhof zutreffend ausgeführt hat, auch nicht zu unbestimmt und untauglich für eine sachgerechte Abgrenzung. Die Gefahr einer Irreführung ist einer allgemeinen und abstrakten Beurteilung nicht zugänglich, sondern kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – insbesondere der konkreten Wortwahl und Gestaltung des Werbeträgers – verantwortbar beurteilt werden. Eine damit verbundene Rechtsunsicherheit ist nicht vollständig zu vermeiden, begegnet aber wegen der Möglichkeit einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
cc) Die Auslegung und Anwendung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG durch die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte führt auch nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, sondern bringt das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor irreführenden Berufs- oder Qualifikationsbezeichnungen und das grundrechtlich geschützte Interesse der Steuerberater – hier des Beschwerdeführers – auf werbende Außendarstellung in einen angemessenen Ausgleich. Nachdem sowohl die Steuerberaterkammer als auch die Fachgerichte dem Beschwerdeführer ausdrücklich zugestanden haben, in einer Weise werbend auf seine Zusatzqualifikation hinzuweisen, die aufgrund der konkreten Wortwahl und des räumlichen Abstands zu der amtlichen Berufsbezeichnung nicht die Gefahr birgt, dass die Fachberaterbezeichnung für eine amtlich verliehene Auszeichnung gehalten oder die amtliche Berufsbezeichnung verwässert wird, wiegt der mit den angegriffenen Hoheitsakten verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers nicht schwer. Er steht zu dem mit ihm verfolgten Zweck in angemessenem Verhältnis.
dd) Der angegriffenen fachgerichtlichen Rechtsprechung steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Angabe rechtsförmlich erworbener fachlicher Qualifikationen als herkömmliches Mittel der Ankündigung freiberuflicher Leistungen vom Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst und ein diesbezügliches Verbot unzulässig ist (vgl. BVerfGE 33, 125 ≪170≫; 57, 121 ≪133≫; 82, 18 ≪28≫). Die zitierte Rechtsprechung betraf – anders als der vorliegende Fall – Konstellationen, in denen Berufsträgern das Führen von hoheitlich verliehenen Bezeichnungen neben ihrer Berufsbezeichnung untersagt worden war; eine Gefahr der Irreführung oder der Verwässerung der amtlichen Bezeichnung war daher – anders als im vorliegenden Fall – nicht gegeben.
2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde bereits mangels einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechenden Begründung unzulässig (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫; 101, 331 ≪345 f.≫; 102, 147 ≪164≫). Der Beschwerdeführer behauptet nur pauschal, dass Rechtsanwälten das Führen einer entsprechenden Fachberater-Bezeichnung erlaubt sei und dass daher eine unzulässige Diskriminierung vorliege; auf die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung für Rechtsanwälte geht der Beschwerdeführer nicht ein. Auch mit den entsprechenden Ausführungen des Bundesfinanzhofs setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er übergeht, dass – worauf der Bundesfinanzhof zutreffend hinweist – auch nach den Regelungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte (§ 7 Abs. 2 BORA) das Führen einer Zusatzbezeichnung unter anderem dann ausscheidet, wenn die Gefahr einer Verwechslung mit einer Fachanwaltschaft besteht. Ob dies bei der im vorliegenden Fall streitigen Bezeichnung der Fall sein könnte, wird nicht erörtert. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil die Verwendung vergleichbarer Zusätze, die mit dem Begriff „Fach-” beginnen, von der ganz herrschenden Meinung für irreführend im Sinne des § 7 Abs. 2 BORA gehalten wird, sofern eine entsprechende Fachanwaltschaft besteht (vgl. auch Römermann, in: Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl. 2009, § 7 BORA, Rn. 82 ff. ≪87≫; Huff, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 1. Aufl. 2010, § 7 BORA, Rn. 63 ff. ≪66≫; ders., BRAK-Mitt. 2009, S. 134 ≪135≫ m.w.N.).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Absatz 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Paulus
Fundstellen
Haufe-Index 2368732 |
BFH/NV 2010, 1995 |
BB 2010, 1694 |
DStR 2010, 1694 |
DStRE 2010, 1279 |
HFR 2010, 1232 |