Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Sorgfaltspflichten eines Strafgefangenen bei der Versendung von Fristsachen
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Strafgefangenen kann es nicht als mangelnde Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung angelastet werden, wenn er es unterläßt, sich nach den Laufzeiten für ausgehende Gefangenenpost zu erkundigen. Läuft nämlich ein Brief infolge der Anstaltsverhältnisse verspätet ein, ist die Fristversäumung für den Absender unverschuldet.
2. Einem Strafgefangenen ist es jedoch zuzumuten, die ihm zur Vermeidung anstaltsbedingter Verzögerungen möglichen Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu zählt insbesondere die Kennzeichnung von Briefen als Fristsachen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; StPO §§ 44-45
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.03.1990; Aktenzeichen 1 Ss 113/90) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 17.11.1989; Aktenzeichen 5/28 Ns 60 Js 16545/85) |
Gründe
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten aus Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Auch vor dem Hintergrund dieser Prozeßgrundrechte sind die an eine Wiedereinsetzung zu stellenden Anforderungen nicht überspannt worden.
Zwar dürfen Rechtsmittelführer berechtigterweise eine gesetzliche Frist bis zu ihrer Grenze ausnutzen (BVerfGE 69, 381 ≪385≫). Bei Inhaftierten ist deren besondere Situation zu berücksichtigen, die vor allem dadurch gekennzeichnet ist, daß sie auf die Schnelligkeit der Beförderung keinen Einfluß haben (vgl. OLG Bremen, NJW 1956, S. 233; OLG Düsseldorf, NStZ 1990, S. 149 ≪150≫). Hiernach kann es dem Beschwerdeführer nicht als mangelnde Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung angelastet werden, daß er es unterließ, sich nach den Laufzeiten für ausgehende Gefangenenpost zu erkundigen. Läuft nämlich ein Brief infolge der Anstaltsverhältnisse verspätet ein, ist die Fristversäumung für den Absender unverschuldet (LR-Wendisch, StPO, 44. Auf., § 44 Rdnr. 47).
Auch unter Berücksichtigung der besonderen Situation eines Strafgefangenen ist es diesem jedoch zuzumuten, die ihm zur Vermeidung anstaltsbedingter Verzögerungen möglichen Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu zählt insbesondere die in der angegriffenen Entscheidung angesprochene Kennzeichnung von Briefen als Fristsachen. Diese naheliegende Maßnahme hat der Beschwerdeführer unterlassen. Sie war auch nicht etwa deswegen entbehrlich, weil als Adressat das Landgericht Frankfurt angegeben war; denn hieraus ging für die zuständigen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt nicht hinreichend deutlich hervor, daß es sich um ein eilbedürftiges Schreiben handelte, dessen Behandlung besonderer Beschleunigung bedurfte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen