Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Gebot einer mündlichen Verhandlung. Eingeschränkte Prüfung fachgerichtlicher Entscheidungen durch das BVerfG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Grundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung ist kein Verfassungsrechtsgrundsatz. Von Verfassungs wegen ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten. Das Anhörungsrecht der Betroffenen kann auch im schriftlichen Verfahren gewahrt werden.

2. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt nur in seltenen Ausnahmefällen, nicht aber schon bei jedem Fehler in der Rechtsanwendung in Betracht. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht.

 

Normenkette

GG Art. 103. Abs. 1, Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 24.04.1986; Aktenzeichen IV R 102/85)

FG Nürnberg (Urteil vom 12.02.1985; Aktenzeichen I 238, 239/82)

 

Gründe

1. Der Bundesfinanzhof hat gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl. I S. 1861) die Revision des Beschwerdeführers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten. Er hat die Beteiligten davon vorher unterrichtet und diesen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Grundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung ist kein Verfassungsrechtsgrundsatz. Von Verfassungs wegen ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten. Das Anhörungsrecht der Betroffenen kann auch im schriftlichen Verfahren – wie hier geschehen – gewahrt werden (vgl. BVerfGE 15, 303 ≪307≫).

2. a) Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen.(BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; st.Rspr.). Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt nur in seltenen Ausnahmefällen, nicht aber schon bei jedem Fehler in der Rechtsanwendung in Betracht. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 70, 93 ≪97≫ m.w.N.).

b) Die Gerichte haben im Ausgangsverfahren in Auslegung und Anwendung einfachen Rechts und in Übereinstimmung mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in sachlich nachvollziehbarer und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, daß der bei der Veräußerung des Flurstücks Nummer 580 im Jahre 1975 entstandene Gewinn bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft steuerlich zu erfassen und die im Wirtschaftsjahr 1975/1976 gebildete Rücklage gemäß § 6 b Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 6 c Abs. 1, 1. Halbsatz, EStG mit Wirkung für die Einkommensteuer 1979 und 1980 aufzulösen war. Es sind insbesondere keine sachfremden Gesichtspunkte erkennbar, wenn das Finanzgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem im Erbweg auf den Beschwerdeführer übergegangenen (vgl. § 7 Abs. 1 EStDV) und von ihm unstreitig bis 1968 weiter bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb erst durch Veräußerung im Jahre 1975 nach außen erkennbar gelöst worden, das Grundstück also nicht bereits vorher durch Nutzungsänderung oder durch Betriebsaufgabe aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist.

Ebensowenig sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rechtliche Würdigung des Finanzgerichts und des Bundesfinanzhofs erkennbar, daß das Finanzamt auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert war, den vom Beschwerdeführer erzielten Veräußerungsgewinn der Besteuerung zu unterwerfen.

3. Die Auferlegung einer Unterliegensgebühr folgt aus 34 Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1566274

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