Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklungsgewinne sind keine Ausschüttungen i.S. des § 9 Abs. 1 KStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtsauffassung des BFH, daß Abwicklungsgewinne im Sinne von § 14 KStG nicht zu den „Gewinnanteilen jeder Art” im Sinne von § 9 Abs. 1 KStG, die „auf die Beteiligung” entfallen, gehören, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 KStG, daß Abwicklungsgewinnausschüttungen einer Untergesellschaft nicht zu den auf die Beteiligung der Obergesellschaft entfallenden Gewinnanteilen gehören, widerspricht nicht § 19 Abs. 1 Satz 4 AußStG.
Normenkette
KStG § 9 Abs. 1, § 14; GG Art. 14 Abs. 1; AStG § 19 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
Gründe
Der Bundesfinanzhof vertritt im angefochtenen Urteil die Auffassung, daß die Abwicklungs(gewinn)ausschüttungen einer Untergesellschaft nicht zu den auf die Beteiligung der Obergesellschaft entfallenden Gewinnanteilen jeder Art im Sinn von § 9 Abs.1 KStG gehören. Dieses Auslegungsergebnis des Bundesfinanzhofs, das auch im Schrifttum überwiegend gebilligt wird (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 14. Aufl., Bd. VII, § 9 KStG Am. 15; Grieger, BB 1967, S. 153; Döllerer, Die WPG 1969, S. 333; Hoffmann, FR 1972, S. 396), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschränkung des Schachtelprivilegs auf die von der Untergesellschaft vor ihren Eintritt in das Stadium der Abwicklung erzielten Gewinne diskriminiert die Beschwerdeführerin nicht ohne sachlichen Grund. Die Abwicklung der Untergesellschaft stellt einen eimaligen Vorgang dar, der allein die Vermögenssphäre der schachtelbeteiligten Obergesellschaft und nicht die laufenden, auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile berührt.
Eine Gesamtbetrachtung der zwischen Ober- und Untergesellschaft bestehenden vermögensrechtlichen Beziehungen und ihrer steuerlichen Erfassung führt zum Ergebnis, daß auch Art. 14 GG nicht verletzt ist. Die stillen Reserven in der Schachtelbeteiligung, die bei der Abwicklung der Untergesellschaft aufgedeckt wurden, sind über einen längeren Zeitraum entstanden. Ihre Realisierung führte zwar zu einer gewissen Kumulierung der Steuerbelastung bei der Obergesellschaft für das Jahr 1965. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich um eine einmalige Besteuerung handelt, die es rechtfertigt, die Steuerbelastung auch den vorhergehenden Jahren zuzurechnen {vgl. BVerfGE 13, 181 [189 f.]; 29, 327 [332]), in denen die stillen Reserven gebildet worden sind.
Der Auslegung des § 9 Abs. 1 KStG durch den Bundesfinanzhof steht § 19 Abs.1 Satz 4 des Gesetzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinventionen vom 8. September 1972 (BGBl. I S. 1713) nicht entgegen. Die Tatsache, daß in dem dort aufgeführten besonderen Fall der Gesetzgeber die steuerliche Befreiung für Abwicklungsgewinne ausdrücklich ausgesprochen hat, spricht in Gegenschluß eher für die Auslegung des Bundesfinanzhofs zu der allgemeinen Regelung den § 9 Abs. 1 KStG. Es stellt auch keine Ungleichheit dar, daß in der genannten Bestimmung des Außensteuergesetzes Abwicklungsgewinne von der Steuer befreit sind, denn diese Vorschrift regelt nur einen Sonderfall des Außensteuerrechts (vgl. Debatin, DStZ A 1972, S. 265 [275 f.]).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen