Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit von § 23 Abs. 3 StBerG (Qualifikation für Beratungsstellenleiter von Lohnsteuerhilfevereinen)
Leitsatz (redaktionell)
Die in § 23 Abs. 3 StBerG geregelten Anforderungen an die berufliche Qualifikation der Beratungsstellenleiter von Lohnsteuerhilfevereinen sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Es widerspricht nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot und ist auch nicht unzumutbar, auf eine längere hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens abzustellen, die in aller Regel zudem Berufserfahrungen vermittelt, die in einer (punktuellen) Prüfung nur sehr begrenzt unter Beweis gestellt werden können. Von Verfassungs wegen ist es nicht zwingend geboten, weitere Vortätigkeiten als die in § 23 Abs. 3 StBerG aufgeführten anzuerkennen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; StBerG § 23 Abs. 3 S. 1 Hs. 1, §§ 3-4
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 26.07.1988; Aktenzeichen VII B 30/88) |
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 14.09.1987; Aktenzeichen V 962/87) |
Gründe
1. Es ist nicht ersichtlich, daß Art. 23 Abs. 3 StBerG mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Namentlich verstößt diese Regelung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
a) Das gesetzgeberische Ziel, den Schutz von Arbeitnehmern vor unseriösen Lohnsteuerhilfen zu verbessern (vgl. BTDrucks. 7/2852, S. 29 f., 43; BTDrucks. 7/3526, S. 3), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Es ist auch nicht erkennbar, daß die gesetzgeberische Regelung zur Erreichung dieser Zielsetzung ungeeignet oder nicht erforderlich wäre. Der Gesetzgeber hat sich nicht für eine besondere Qualifikationsprüfung, sondern für einen pauschalen Befähigungsnachweis entschieden. Es liegt auf der Hand, daß Personen, die eine längere Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens hauptberuflich ausgeübt und damit zur Grundlage ihrer beruflichen Existenz gemacht haben, damit auch in aller Regel Gelegenheit zum Erwerb entsprechenden Fachwissens hatten. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bei diesen Personen davon ausgeht, sie rechtfertigten in höherem Maße die Annahme, daß sie eine seriöse Beratung ausüben werden, als Personen, die eine solche hauptberufliche Vortätigkeit nicht nachweisen können. Eine mehrjährige hauptberufliche Vortätigkeit vermittelt in aller Regel zudem Berufserfahrungen, die in einer (punktuellen) Prüfung nur sehr begrenzt unter Beweis gestellt werden könnten.
c) Wenn der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, eine spezielle Qualifikationsprüfung zu verlangen, sondern eine mindestens dreijährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Lohnsteuerwesens für ausreichend erachtet, verlangt er nichts Unzumutbares. Die geforderte praktische Erfahrung bezieht sich auf das Tätigkeitsfeld, das allein den Lohnsteuerhilfevereinen eingeräumt wurde. Welche Vortätigkeit im Einzelfall den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist eine Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts. Von Verfassungs wegen ist es jedenfalls nicht zwingend geboten, weitere Vortätigkeiten als die in § 23 Abs. 3 StBerG aufgeführten als Qualifikationsnachweis anzuerkennen.
2. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Regelung des § 23 Abs. 3 StBerG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
a) Die Freistellung der in § 3 StBerG bezeichneten Personen von den Anforderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 StBerG ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der von § 3 StBerG erfaßte Personenkreis darf seinen Beruf nur ausüben, wenn er zuvor eine qualifizierte Berufsausbildung absolviert und die erforderlichen Prüfungen abgelegt hat. Diese Vorbildung konnte der Gesetzgeber als ausreichende Qualifikationsvoraussetzungen auch für eine Beratungsstellenleitertätigkeit erachten.
b) § 23 Abs. 3 StBerG verstößt auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil bei dem von § 4 Nr. 1 bis 10 StBerG erfaßten Personenkreis – anders als bei Beratungsstellenleitern – eine besondere Qualifikation in Steuersachen nicht gefordert wird. Auch das ist sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte angesichts von ihm festgestellter Mißstände im Tätigkeitsbereich der Lohnsteuerhilfevereine (vgl. etwa BTDrucks. 7/2852, S. 29 f.) Arbeitnehmer vor unseriösen Geschäftspraktiken schützen, indem er die Lohnsteuerberatungstätigkeit auf hinreichend sachkundige Personen beschränkte. Eine vergleichbare Gefahr besteht bei den Zusammenhangstätigkeiten des § 4 Nr. 1 bis 10 StBerG nicht.
3. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene Auslegungen und Anwendung der Vorschrift des § 23 Abs. 3 StBerG gegen Art. 12 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würden. Es ist nicht erkennbar, daß das Finanzgericht oder der Bundesfinanzhof den Schutzbereich der vom Beschwerdeführer angeführten Grundrechte verkannt hätten (zum verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen