Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Steuerbescheids. Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Unterliegensgebühr
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verwaltungsakt ist gem. § 125 Abs. 1 AO 1977 nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Auslegungs- und Subsumtionsfehler führen allenfalls zur Rechtswidrigkeit und somit zur bloßen Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Grundsätzlich hat ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig, wenn das gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsmittel in der Vorinstanz aus formellen Gründen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verworfen wurde.
3. Die Auferlegung einer Unterliegensgebühr gem. § 34 Abs. 2 BVerfGG kann gerechtfertigt sein, wenn die Beschwerdeschrift trotz einschlägiger Belehrung des Beschwerdeführers sowie trotz zahlreicher, den Beschwerdeführer betreffenden Nichtannahmebeschlüsse völlig unpräzise Ausführungen enthält.
Normenkette
BVerfGG §§ 23, 34 Abs. 2, § 90 Abs. 2 S. 1, § 92; AO 1977 § 125 Abs. 1
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 16.09.1988; Aktenzeichen VIII B 18/87) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist (§ 93 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVerfGG).
Der Beschwerdeführerin wird eine Unterliegensgebühr in Höhe von 1000 DM (in Worten: eintausend Deutsche Mark) auferlegt.
Gründe
1. Der Bundesfinanzhof hatte im Rahmen der Zulassungsentscheidung gemäß § 115 Abs. 3 FGO allein darüber zu befinden, ob die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruhen konnte (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Die Beschwerdeführerin trägt bereits nicht hinreichend substantiiert vor, daß der Bundesfinanzhof bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung Bedeutung und Tragweite von Grundrechten außer acht gelassen haben könnte (vgl. §§ 23, 92 BVerfGG; BVerfGE 6, 132 ≪134≫; 74, 358 ≪369≫).
Im Verfahren über die Einkommensteuerfestsetzungen für 1977 und 1978 als sogenannte Folgebescheide hatte das Finanzgericht ausschließlich zu prüfen, ob die Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 AO) der zugrundeliegenden Feststellungsbescheide für die Wertpapiergemeinschaft ausnahmsweise deshalb entfällt, weil die Grundlagenbescheide im Sinne des § 125 Abs. 1 AO nichtig sind. Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (vgl. BFH, BStBl. 1982 II S. 133 ≪135≫). Auslegungs- und Subsumtionsfehler führen allenfalls zur Rechtswidrigkeit und somit zur bloßen Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts (vgl. Tipke/Kruse, AO und FGO, 13. Aufl., § 125 FGO Tz 3). Grundsätzlich hat ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich.
Sofern die Beschwerdeführerin die als Revisionsgründe vorgetragenen Verfahrensmängel (vgl. ergänzenden Schriftsatz vom 5. September 1987, S. 1) überhaupt hinreichend bezeichnet hat (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), betreffen sämtliche Rügen die nicht den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens bildenden Feststellungsbescheide 1977 und 1978. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Verfahren über die Einkommensteuerfestsetzungen als bloßen Folgebescheiden Verfahrensmängel anhaften könnten.
2. Sollte die Beschwerdeführerin auch das erstinstanzliche Urteil angreifen, so ist der Rechtsweg jedenfalls nicht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft, weil das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde aus formellen Gründen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verworfen worden ist (vgl. BVerfGE 1, 12 ≪13≫; 1, 13 ≪14≫; 34, 204 ≪205≫).
Die Rügen sind des weiteren nicht hinreichend substantiiert (vgl. § 92 BVerfGG), da die Beschwerdeführerin innerhalb der Beschwerdefrist (§ 93 Abs. 1 BVerfGG) weder den zugrundeliegenden Sachverhalt nachvollziehbar vollständig vorgetragen noch die finanzgerichtlichen Feststellungen übermittelt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG. Sie rechtfertigt sich aus der Höhe der streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen, den vom Finanzgericht bereits für das Jahr 1976 festgestellten Vermögensverhältnissen der Beschwerdeführerin sowie den trotz zahlreicher Nichtannahme-Beschlüsse (vgl. u.a. 1 BvR 1080/86 betreffend Einkommensteuer 1976) sowie einschlägiger Belehrungen völlig unpräzisen Ausführungen in der Beschwerdeschrift.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen