Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Mangels hinreichender Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde bzgl strafgerichtlicher Entscheidungen in einem Steuerstrafverfahren nach Auslieferung aus der Schweiz. geltend gemachte Grundrechtsverletzungen nicht hinreichend dargelegt
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verfassungsbeschwerde gegen strafgerichtliche Entscheidungen in einem Steuerstrafverfahren (Cum/Ex-Geschäfte) nach Auslieferung aus der Schweiz ist unzulässig mangels hinreichender Darlegung der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen.
2. Art 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass das Fachgericht einer anderen als der vom Beschwerdeführer bevorzugten Rechtsauffassung folgt.
3. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte einfachrechtliche Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität aus Art. 14 Europäisches Auslieferungsübereinkommen wird nicht hinreichend substantiiert dargelegt (fehlende näheren Auseinandersetzung mit der vorgelegten, in der Beschwerdebegründung aber verkürzt und verfälschend wiedergegebenen Stellungnahme des schweizerischen Bundesamts für Justiz vom 1. November 2023, die – nach Vorlage des im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof angegriffenen Urteils des Landgerichts – mit näherer Begründung wie der Bundesgerichtshof zum Ergebnis gelangte, „eine Spezialitätsverletzung durch die deutschen Behörden [sei] somit nicht ersichtlich”).
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1-2, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2, § 92; EuAuslfÜbk Art. 14; RsprEinhG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
Rz. 1
Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil sie entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92, § 93 Abs. 1 BVerfGG innerhalb der Monatsfrist nicht hinreichend begründet worden ist.
Rz. 2
1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 ≪171≫; 140, 229 ≪232 Rn. 9≫; 149, 346 ≪359 Rn. 23≫). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 140, 229 ≪232 Rn. 9≫). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪345 f.≫; 123, 186 ≪234≫; 130, 1 ≪21≫; 140, 229 ≪232 Rn. 9≫; 142, 234 ≪251 Rn. 28≫; 149, 346 ≪359 Rn. 23≫).
Rz. 3
Eine diesen Maßstäben genügende Begründung ist dabei innerhalb der einmonatigen Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG vorzulegen (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214 f.≫). Zwar kann die Begründung der Verfassungsbeschwerde nachträglich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ergänzt werden (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214 f.≫; 127, 87 ≪110≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2019 - 1 BvR 2208/19 -, Rn. 5). Dies ändert aber nichts daran, dass bereits bei Ablauf der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eine ausreichend begründete und damit zulässige Verfassungsbeschwerde vorgelegen haben muss (vgl. BVerfGE 5, 1 ≪2≫; 12, 319 ≪321 f.≫; 18, 85 ≪89≫; 81, 208 ≪214 f.≫; 84, 212 ≪223≫; 127, 87 ≪110≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2001 - 2 BvR 662/01 -, Rn. 3: "Unheilbarer Substantiierungsmangel"; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2019 - 1 BvR 2208/19 -, Rn. 5).
Rz. 4
2. Innerhalb der nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers bis zum 2. Januar 2024 laufenden Monatsfrist ist nur die Beschwerdeschrift vom 19. Dezember 2023 eingegangen. Sie genügt den dargelegten Anforderungen nicht. Keine der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechtsverletzungen wird hinreichend substantiiert dargelegt.
Rz. 5
a) Soweit der Beschwerdeführer rügt, die angegriffenen Entscheidungen verletzten ihn unter mehreren Gesichtspunkten in seinem Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, erschöpfen sich seine Ausführungen in der Sache letztlich in dem Vorwurf, der Bundesgerichtshof sei den aus Sicht des Beschwerdeführers zutreffenden Rechtsauffassungen der Revision nicht gefolgt; davor schützt Art. 103 Abs. 1 GG aber nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2020 - 2 BvR 1510/20 -, Rn. 30 m.w.N.). Besondere Umstände, die deutlich machten, dass der Bundesgerichtshof seiner Pflicht aus Art. 103 Abs. 1 GG, das entsprechende Vorbringen der Revision zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, bereits nicht nachgekommen ist (vgl. hierzu nur BVerfGE 25, 137 ≪140 f.≫; 85, 386 ≪404≫; 96, 205 ≪216 f.≫), zeigt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht auf.
Rz. 6
b) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise seiner Rechte aus "Art. 2 Abs. 1, 25 GG" und "Art. 2 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2 GG" geltend macht, fehlt es schon an einer hinreichenden Darlegung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe; der bloße Verweis auf die Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juni 2010 - 2 BvR 432/07 u.a. - und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 2016 - 2 BvR 175/16 - genügt insoweit nicht.
Rz. 7
Auch der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachte einfachrechtliche Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität aus Art. 14 Europäisches Auslieferungsübereinkommen wird nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Unter anderem fehlt es insoweit an einer näheren Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer zwar selbst vorgelegten, in der Beschwerdebegründung aber verkürzt und verfälschend wiedergegebenen Stellungnahme des schweizerischen Bundesamts für Justiz vom 1. November 2023, die - nach Vorlage des im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof angegriffenen Urteils des Landgerichts - mit näherer Begründung wie der Bundesgerichtshof zum Ergebnis gelangte, "eine Spezialitätsverletzung durch die deutschen Behörden [sei] somit nicht ersichtlich".
Rz. 8
Schließlich legt der Beschwerdeführer nicht hinreichend dar, warum der von ihm behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität im konkreten Fall zugleich eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf ein faires Verfahren darstellen sollte.
Rz. 9
c) Auch eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Rz. 10
Schon einfachrechtlich zeigt die Begründung der Verfassungsbeschwerde die angeblich zur Vorlagepflicht gemäß § 2 Abs. 1 Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (im Folgenden: RsprEinhG) führende Divergenz nicht auf. Weder formuliert sie den den angegriffenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs angeblich zugrundeliegenden entscheidungserheblichen Rechtssatz, der dem von ihr zitierten Rechtssatz des Bundesfinanzhofs widersprechen soll, noch lässt sich ihren Ausführungen entnehmen, dass der vom Bundesfinanzhof aufgestellte Rechtssatz im dortigen Verfahren tragend war (zu dieser Voraussetzung einer Vorlagepflicht nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG vgl. nur BAG, NZA 2020, 329 ≪332 Rn. 36≫).
Rz. 11
Zudem fehlt es auch hier an der Darlegung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe und an Ausführungen dazu, warum der - unterstellte - Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG im Streitfall zugleich eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen sollte. Denn eine Nichtvorlage stellt nur dann einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar, wenn sie willkürlich erfolgt (vgl. BVerfGK 7, 458 ≪464 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 1380/90 -, juris, Rn. 20; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2009 - 2 BvR 1032/08 -, Rn. 10) oder auf einer unhaltbaren oder einer die Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften beruht (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪299≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2009 - 2 BvR 1032/08 -, Rn. 10); solches liegt hier fern.
Rz. 12
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 13
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI16198322 |