Rz. 446
Art. 25 Abs. 5 S. 1 OECD-MA regelt die Voraussetzungen für die Einleitung eines Schiedsverfahrens, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
a) seitens des Steuerpflichtigen ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens eingereicht wurde,
b) die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nicht in der Lage sind, sich über die Lösung des Falles innerhalb von 2 Jahren seit dem Tag zu einigen, an dem beiden zuständigen Behörden alle von ihnen zur Behandlung des Falles benötigten Informationen übermittelt wurden, und
c) seitens des Steuerpflichtigen ein schriftlicher Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gestellt wird.
Rz. 447
Sind die Voraussetzungen erfüllt, werden alle offenen Fragen des Falles einem Schiedsverfahren zugeführt. Die Zwei-Jahres-Frist, innerhalb derer eine Einigung erzielt werden muss, beginnt erst zu laufen, nachdem beide zuständigen Behörden alle für die Fallbearbeitung notwendigen Informationen erhalten haben. Einige Staaten können diese Frist auf drei Jahre erweitern, falls sie die Zwei-Jahres-Frist als zu kurz erachten. Daher ist es wichtig, die spezifischen Regelungen des jeweiligen DBA zu beachten. Die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren zu initiieren, ist von erheblicher Bedeutung, da viele DBA im Rahmen des vorangegangenen Verständigungsverfahrens keinen Einigungszwang festlegen, sondern lediglich vorsehen, dass sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten um eine Lösung "bemühen". Durch das Schiedsverfahren, bei dem eine unabhängige Kommission eingeschaltet wird, kann der Verfahrensprozess deutlich beschleunigt und eine Einigung bezüglich der strittigen Punkte erzielt werden. Es ist jedoch anzumerken, dass Schiedsverfahrensregelungen bisher nur in einer begrenzten Anzahl von DBA verankert sind, wie beispielsweise in Abkommen mit Frankreich, Schweden, Kanada, den USA, Österreich, Großbritannien, der Schweiz, Liechtenstein und den Niederlanden. Die deutsche Verhandlungsbasis für DBA sieht jedoch in Art. 24 Abs. 5 eine Schiedsklausel vor, was darauf hindeutet, dass bei zukünftigen DBA-Neuabschlüssen mit Deutschland verstärkt solche Regelungen aufgenommen werden könnten.
Rz. 448
Laut Art. 25 Abs. 5 S. 2 OECD-MA verhindert eine vorliegende Gerichtsentscheidung in einem der Vertragsstaaten grundsätzlich die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu denselben offenen Fragen. Allerdings weist Tz. 74 des OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA darauf hin, dass es in manchen Staaten möglich ist, dass die zuständigen Behörden von einer Gerichtsentscheidung im Rahmen eines abkommensrechtlichen Verfahrens abweichen können. In solchen Fällen könnte auf die Aufnahme von Art. 25 Abs. 5 S. 2 in das DBA verzichtet oder dieser in modifizierter Form integriert werden. Die deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA sieht jedoch in Art. 24 Abs. 5 S. 2 eine dem OECD-MA ähnliche Bestimmung vor, was nahelegt, dass bei neuen DBA-Abschlüssen mit Deutschland in der Regel kein Schiedsverfahren durchgeführt werden kann, wenn zu den strittigen Fragen bereits ein rechtskräftiges Gerichtsurteil existiert.
Rz. 449
Art. 25 Abs. 5 S. 3 OECD-MA bestimmt, dass ein Schiedsurteil für beide Vertragsstaaten bindend ist und unabhängig von nationalen Fristen umgesetzt werden muss, es sei denn, eine direkt betroffene Person lehnt die Verständigungsvereinbarung ab. Damit eine Schiedsvereinbarung wirksam wird, muss der Steuerpflichtige dem Schiedsurteil zustimmen. Lehnt er ab, steht ihm der Weg zur nationalen gerichtlichen Überprüfung offen, vorausgesetzt, die betreffenden Steuerfestsetzungen sind noch nicht rechtskräftig. Wenn der Steuerpflichtige der Schiedsvereinbarung zustimmt, werden die darin getroffenen Festlegungen von den zuständigen Finanzbehörden in den jeweiligen Steuerbescheiden umgesetzt. Diese Zustimmung geht in der Regel mit dem Verzicht des Steuerpflichtigen auf Rechtsbehelfe, was bedeutet, dass keine weiteren Einsprüche oder Klagen gegen die Steuerfestsetzungen möglich sind, und diese somit rechtskräftig werden. Für die Durchführung dieser Korrekturen in Deutschland ist § 175a AO maßgeblich, der neben der Korrekturmöglichkeit auch eine Hemmung der Verjährungsfrist beinhaltet.
Rz. 450
Art. 25 Abs. 5 S. 4 OECD-MA besagt, dass die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Modalitäten der Anwendung von Art. 25 Abs. 5 OECD-MA im gegenseitigen Einvernehmen festlegen sollen. Gemäß Tz. 85 des OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA können einige Staaten bestimmte prozedurale Elemente des Schiedsverfahrens direkt im Abkommen verankern, während andere Staaten dies möglicherweise über ein Zusatzprotokoll oder durch einen Austausch diplomatischer Noten bevorzugen.
Rz. 451–452
einstweilen frei