Rz. 111
Die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der EU ist verpflichtet, die durch die ATAD vorgesehenen Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Aus der ATAD erwuchs insgesamt ein nur moderater Anpassungsbedarf der Regelungen über die Hinzurechnungsbesteuerung. Dies ist maßgebend darauf zurückzuführen, dass die Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung bereits seit der Einführung des AStG im Jahre 1972 existieren. § 10 AStG erfuhr im Rahmen des ATAD-UmsG mehrere Rechtsanpassungen, die aber nicht vollumfänglich auf die ATAD zurückzuführen sind.
Rz. 112
Aus der ATAD selbst hervorgehender Anpassungsbedarf der alten Rechtslage fußte im Wesentlichen auf Art. 8 ATAD. Nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 ATAD ist ein Verlustrücktrag nicht mehr vorgesehen. Diese Vorgabe wurde in § 10 Abs. 3 S. 6 AStG i. d. F. des ATAD-UmsG berücksichtigt. Nach Art. 8 Abs. 4 ATAD ist der Hinzurechnungsbetrag bereits am Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen. Diese Vorgabe wurde in § 10 Abs. 2 S. 1 AStG i. d. F. des ATAD-UmsG umgesetzt. Art. 8 Abs. 7 ATAD sieht darüber hinaus nur noch die Steueranrechnung, nicht hingegen den Steuerabzug vor. Diese Vorgabe wurde durch Neufassung des § 10 Abs. 1 AStG i. d. F. des ATAD-UmsG erreicht.
Rz. 113
Fraglich ist, ob von der ATAD im Hinblick auf die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags weiterer Anpassungsbedarf ausgeht und mithin, ob die Richtlinie durch das ATAD-UmsG zutreffend umgesetzt wurde. Die ATAD verweist zur Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags in Art. 8 Abs. 1 ATAD auf das jeweilige Recht der EU-Mitgliedstaaten. § 10 Abs. 3 S. 1 AStG ordnet zunächst – in Übereinstimmung mit der ATAD – die entsprechende Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts an. § 10 Abs. 2 S. 4 AStG suspendiert jedoch begünstigende Vorschriften, namentlich § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d) EStG, § 32d EStG, § 8b Abs. 1 KStG und § 9 Nr. 7 GewStG. Im Ergebnis kommt ein Teil des nationalen Steuerrechts damit gerade nicht für den Steuerpflichtigen zur Anwendung. Fraglich ist, ob diese zu Lasten des Steuerpflichtigen gehende Abweichung im Einklang mit der ATAD ist.
Rz. 114
Nach hier vertretener Auffassung ist die ATAD zutreffend umgesetzt. Die ATAD gibt nach Art. 3 ATAD nur ein Mindestschutzniveau vor. Den einzelnen EU-Mitgliedstaaten steht es frei, eine von der Richtlinie vorgegebene Maßnahme für den Steuerpflichtigen strenger, d. h. zum Nachteil für diesen, umzusetzen. Die ATAD hält mE auch kein Mindestschutzniveau für den Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite (Vermeidung von Doppelbesteuerung) bereit. Art. 3 ATAD differenziert schlichtweg nicht zwischen der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite. Aber selbst wenn eine solch differenzierte Betrachtung erforderlich wäre, böte dies durch gezielte gesetzliche Anpassung der allgemeinen nationalen Besteuerungsvorschriften massives Umgehungs- und Gestaltungspotenzial. Ein solcher Ansatz war sicher nicht Intention des Richtliniengebers.
Rz. 115-124
einstweilen frei