Rz. 16
Über den Zweck des § 2 AStG herrscht kein klares Verständnis. Unstreitig soll die Norm die beschränkte Steuerpflicht erweitern. Dies gilt allerdings nur unter den in der Norm angelegten Voraussetzungen, d. h. insbesondere bei einer entsprechend intensiven Verbindung zum Inland sowie bei steuerlichen Vorteilen nach dem Wegzug im Ausland.
Rz. 17
Mit der Einführung des AStG wurde das Ziel verfolgt, ungerechtfertigte Steuervorteile, die u. a. aus der Wohnsitzverlegung ins Ausland erzielt werden können, abzubauen. Konkret im Zusammenhang mit § 2 AStG wurde dabei auch der Begriff "Steuerflucht" angesprochen, der infolge der beachtlichen Steuervorteile, die sich durch Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet erzielen ließen, laut werde.
Die im Zusammenhang mit der Einführung des § 2 AStG genannten Erwägungen werden teilweise als "diffuses Bedürfnis nach Steuergerechtigkeit" bezeichnet und im Schrifttum weitgehend abgelehnt.
Der Zweck einer Norm muss in Tatbestand und Rechtsfolge erkennbar sein und darf sich nicht auf bloße Behauptungen beschränken.
Rz. 18
Unstreitig knüpft § 2 AStG nicht an den Wohnsitzwechsel an sich, sondern zusätzlich an weitere Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen beziehen sich teilweise auf die Person des Steuerpflichtigen und teilweise auch auf dessen Besteuerung im Ausland.
Teilweise wird als Rechtfertigung für § 2 AStG das Äquivalenzprinzip genannt, der in der Existenz wesentlicher wirtschaftlicher Interessen im Inland als Tatbestandsmerkmal zum Ausdruck komme.
Dies kann allerdings aus mehreren Gründen nicht überzeugen: zunächst kann das Äquivalenzprinzip, welches bereits im Rahmen der regulären beschränkten Steuerpflicht als Rechtfertigung dient, die Erfassung jeglicher nicht-ausländischer Einkünfte nicht rechtfertigen.
Würde das Äquivalenzprinzip als Rechtfertigung taugen, so würde es zudem auch naheliegen, die reguläre beschränkte Steuerpflicht auszuweiten.
Schließlich werden zu Recht die niedrigen Einstiegshürden für "wesentliche" wirtschaftliche Inlandsinteressen kritisiert.
Der Normzweck kann nach hier vertretener Auffassung daher nicht darin gesehen werden, infolge der Bereitstellung staatlicher Infrastruktur für das wirtschaftliche Handeln die Besteuerung auszudehnen.
Rz. 19
Vielmehr ist für die Ausdehnung des nationalen Besteuerungsanspruchs in § 2 AStG die Niedrigbesteuerung im Ausland von entscheidender Bedeutung.
§ 2 AStG zielt daher insbesondere darauf ab, steuerlich motivierte Wegzüge ins niedrig besteuerte Ausland unattraktiver zu machen, indem Vorteile versagt werden. Die Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Beziehungen ins Inland sowie der Staatsangehörigkeit und der vor dem Wegzug gegebenen unbeschränkten Steuerpflicht stehen dem nicht entgegen. Im Gegenteil können diese ergänzenden Merkmale dahingehend interpretiert werden, das steuerliche Motiv des Wegzugs zu manifestieren, weil dieses nicht allein in der niedrigen Besteuerung im Ausland zum Ausdruck kommt, sondern die Inlandsbezüge als typisierende Vermutung des Nicht-Vorliegens anderer als steuerlicher Motive gesehen werden könnten.
Rz. 20
Wenngleich die Wohnsitzverlegung keinen steuerlichen Rechtsmissbrauch darstellt
, dürfte der Zweck des § 2 AStG somit in der Versagung von steuerlichen Vorteilen aus dem steuerlich motivierten Wegzug ins niedrig besteuerte Ausland zu sehen sein. Hintergrund könnte ein Lenkungszweck oder ein Symbolzweck sein. Es könnte allerdings auch eine auf Steuerumgehungen abzielende Norm gegeben sein. Dafür würde wohl auch die Einbettung der Vorschrift ins AStG sprechen
, dessen Zweck schwerpunktmäßig in der Beseitigung ungerechtfertigter Steuervorteile durch Wohnsitzverlegung in das steuerbegünstigte Ausland liegen sollte.
Rz. 21-24
einstweilen frei