Rz. 31
§ 2 AStG ist nicht als sog. Treaty Override ausgestaltet.
Die Rechtsfolgen der Norm stehen folglich unter dem Vorbehalt der Schrankenwirkung von DBA (§ 2 Abs. 1 AO). Nur insoweit, als DBA-Vorschriften den Rechtsfolgen des § 2 AStG nicht entgegenstehen, können die Rechtsfolgen auch zur Anwendung kommen. Kein Abkommensschutz kann eintreten, wenn der Steuerpflichtige in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG).
Rz. 32
Hinsichtlich des Verhältnisses zu den Vorschriften der DBA ist zwischen den verschiedenen Rechtsfolgen des § 2 AStG zu unterscheiden. Einschränkungen können sich durch DBA im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 1 AStG ergeben. Dies gilt einerseits mit Blick auf die Besteuerung der erweiterten Inlandseinkünfte dem Grunde nach gem. § 2 Abs. 1 S. 1 AStG, aber auch hinsichtlich der fiktiven Betriebsstätteneinkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 2 AStG. Spricht das DBA für solche Einkünfte nur dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu, werden die Einkünfte im Inland – unter Progressionsvorbehalt – von der Besteuerung ausgenommen. Ferner können sich auch Schranken hinsichtlich der Höhe der Besteuerung im Inland ergeben, wenn das DBA Begrenzung des (Quellen-)Steuersatzes vorsieht.
Keine Einschränkungen ergeben sich hingegen im Hinblick auf die in § 2 Abs. 5 S. 1 AStG angeordnete Anwendung des Progressionsvorbehalts. Zwar wird ein solcher regelmäßig nicht explizit im DBA zugunsten des Quellenstaats für zulässig erklärt. Eine fehlende Erlaubnis steht der Anwendung des Progressionsvorbehalts aber nicht entgegen.
Rz. 33
Ein besonderes Phänomen in der deutschen Abkommenspraxis sind Vorbehalte zugunsten nationaler Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehung und Steuerhinterziehung (s. z. B. Art. 28 Abs. 1 Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA). Solche Klauseln sind in neueren DBA regelmäßig enthalten. Die Vorschrift wird als Klarstellung verstanden. Die damit einhergehende Öffnung zugunsten der nationalen Vorschriften macht ein nationales Treaty Override überflüssig. Für Zwecke der Beurteilung des Verhältnisses von § 2 AStG zu den DBA werfen solche Vorschriften die Frage auf, ob auch die Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht durch solche Öffnungsklauseln legitimiert wird. Im Schrifttum wird diese Frage – soweit ersichtlich – für § 2 AStG bislang nicht diskutiert. Teilweise wird eine Maßgeblichkeit der Öffnungsklausel konkludent verneint. Zwingend ist das nicht. Zwar wird der in DBA regelmäßig verwendete Begriff der "Steuerumgehung" dem Gestaltungsmissbrauch gleichgestellt, zu dem der Wegzug grds. nicht zählt (s. Rz. 20). So wird im DBA-Kontext von einer Legitimation der allg. und speziellen Missbrauchsvermeidungsvorschriften durch den DBA-Vorbehalt ausgegangen. Art. 31 Abs. 4 Buchst. a DBA-Liechtenstein nennt die "Steuerumgehung" indes alternativ zur "Missbrauchsvermeidung", was auf ein weitergehendes Begriffsverständnis hindeuten kann. Auch in Kommentierungen zu DBA-Vorschriften ohne entsprechende Differenzierung wird davon ausgegangen, der nationale Vorbehalt beziehe sich neben § 42 AO insbesondere auf die Vorschriften des AStG. Die entsprechende Öffnungsklausel im DBA-Niederlande soll sich gem. Tz. XV des Protokolls "im Wesentlichen "auf § 42 AO, § 50d Abs. 3 EStG und Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung beziehen, was ebenfalls Raum für weitere nationale Vorschriften lässt. Die streitanfällige Frage, wann eine Vorschrift zur Vermeidung von Steuerumgehung vorliegt, ist auch für § 2 AStG mit Unsicherheiten behaftet. Da gute Gründe gegen ein ausuferndes Verständnis eines nationalen Vorbehalts sprechen und nach Auffassung der OECD auch im Kontext nationaler Missbrauchsvermeidungsvorschriften in Zweifelsfällen dem DBA Vorrang zukommen soll
, sollte nach hier vertretener Auffassung im Ergebnis § 2 AStG auch im Anwendungsbereich von DBA mit allg. Öffnungsklausel gesperrt werden, wenn nicht das DBA explizit eine Öffnung enthält (s. dazu nachfolgend Rz. 34 ff.). Dafür spricht auch die Existenz der Sonderregelungen des DBA-Schweiz (s. Rz. 34), die angesichts der in Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz enthaltenen Öffnungsklausel entbehrlich gewesen wären.
Rz. 34
Bei Wegzug einer natürlichen Person in die Schweiz kann sich u. U. eine Niedrigbesteuerung i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG ergeben, insbesondere kann auch eine Vorzugsbesteuerung i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG vorliegen.
Bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen kann § 2 AStG folglich nach einem Wegzug in die Schweiz zur Anwendung kommen. Besteht in der Schweiz eine Vorzugsbesteuerung in Form der Pauschalsteuer nach dem Aufwand, so gilt der Steuerpflichtige gem. Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz als nicht in der Schweiz ansässig. Das DBA-Schweiz entfaltet dann keine Schutzwirkung und sperrt folglich auch keine Rechtsfolgen des § 2 AStG. Wird dagegen die modifizierte Pauschalsteuer in Anspruch genommen, greift auch der Abkommensschutz. In diesen F...