Rz. 205
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn "die Belastung durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer – nach dem Tarif unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen – bei einer in diesem Geiet ansässigen unverheirateten natürlichen Person, die ein steuerpflichtiges Einkommen von 77.000 Euro bezieht, um mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen natürlichen Person durch die deutsche Einkommensteuer unter sonst gleichen Bedingungen". Die Norm vergleicht somit für einen abstrakten Steuerfall die Höhe des tariflichen Steuerniveaus im Ausland mit dem Steuerniveau für den gleichen Fall im Inland. Die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bleiben ebenso unberücksichtigt wie die Art der erzielten Einkünfte.
Rz. 206
Ausgangspunkt der Ermittlung einer niedrigen Besteuerung ist die "in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer". Steuern, die in Drittstaaten oder im Inland erhoben werden, sind nicht zu berücksichtigen. Ungeachtet der Verwendung des Singular können mehrere Steuern zusammengerechnet werden. Es muss sich dabei nicht um durch den Staat selbst erhobene Steuern handeln, sondern die Steuer kann auch dessen politische Untergliederungen (z. B. Gemeinden) erhoben werden. Dies ergibt sich schon aus dem Abstellen auf die "in" und nicht "durch" das ausländische Gebiet erhobenen Steuern. Der Begriff der "Einkommensteuer" ist nicht eng auszulegen. Anders als § 34c Abs. 1 EStG fordert der Gesetzeswortlaut gerade keine der deutschen Einkommensteuer vergleichbare Steuer. § 2 Abs. 2 AStG bezieht sich nämlich nicht juristische Doppelbesteuerung, sondern auf die Feststellung eines steuerlich motivierten Wegzugs. Daher liegt ein weites Verständnis des Begriffs "Einkommensteuer" nahe. Der BFH geht daher immer dann von einer "Einkommensteuer" aus, wenn das Einkommen Bemessungsgrundlage der betreffenden Steuer ist. Dies wird von der h. A. auch für Zuschläge zur ausländischen Einkommensteuer und Kirchensteuern bejaht. Andere Abgaben, wie z. B. Sozialversicherungsbeiträge, können nicht mehr als Einkommensteuer angesehen werden.
Rz. 207
Die steuerliche Belastung im Ausland ist "nach dem Tarif unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen" zu ermitteln. Nach vorzugswürdiger Auffassung stellt das Gesetz auf den regulären Einkommensteuertarif ab, ohne Berücksichtigung etwaiger Schedulen (z. B. für Dividenden oder Veräußerungsgewinne). Ein tariflicher Freibetrag sollte streng genommen nur dann vorliegen, wenn der nämliche Freibetrag in den allg. Tarif eingearbeitet ist. Im Schrifttum wird sich gleichwohl dafür ausgesprochen, einen nicht über den Tarif abgebildeten Grundfreibetrag vom Einkommen von 77.000 Euro abzuziehen.
Rz. 208
Dem ausländischen Tarif ist der Fall einer unverheirateten natürlichen Person mit einem Einkommen von 77.000 Euro zugrundezulegen. Sofern das ausländische Recht eine Zusammenveranlagung vorsieht, ist diese nicht zu berücksichtigen. Das "steuerpflichtige Einkommen" meint die letzte Stufe der Ermittlung der Bemessungsgrundlage vor Anwendung des Tarifs.
Bei abweichender Währung ist eine Umrechnung edes Einkommens von 77.000 Euro in die ausländische Währung erforderlich. Eine sich anschließende Umrechnung der sich ergebenden ausländische Steuer in Euro kann unterbleiben, weil die niedrige Besteuerung anhand der Durchschnittsbelastung feststellbar ist. Die erstgenannte Umrechnung soll nach Verwaltungsauffassung nach dem Kurs am Anfang des Jahres erfolgen, wenn nicht ein unwiderruflicher Antrag auf Umrechnung mit dem Jahresdurchschnittskurs gestellt wird. Eine Gesetzesgrundlage für diese Auffassung ist nicht erkennbar. Dagegen wird sich für ein Abstellen auf den Schluss des VZ ausgesprochen, weil die Steuer mit Ablauf des VZ entstehe. Je nach Zeitpunkt können sich erhebliche Unterschiede ergeben. In Anbetracht dessen und in Anbetracht der fehlenden gesetzlichen Regelung sollte der für den Steuerpflichtigen günstige Zeitpunkt gewählt werden dürfen.
Rz. 209
Referenzwert für die Ermittlung einer niedrigen Besteuerung ist die deutsche Einkommensteuer unter sonst gleichen Bedingungen, d. h. bei Einzelveranlagung und einem Einkommen von 77.000 Euro. Der im Gesetz verwendetes Begriff "steuerpflichtiges Einkommen" ist mit dem zvE gleichzusetzen. Der Begriff deutsche Einkommensteuer meint lediglich die Einkommensteuer i. S. d. EStG. Dazu zählt weder der SolZ noch die Kirchensteuer. Maßgeblich ist die Einkommensteuer nach Tarif, was auch insoweit den regulären Tarif meint. Dies soll seit Vz 2009 mit Einführung der Abgeltungsteuer nicht mehr möglich sein, weil es "den Tarif" nicht mehr gebe. Überzeugen kann die Gegenauffassung nach hier vertretener Auffassung nicht. Dies ergibt sich schon aus der Ausscheidung der Kapitaleinkünfte aus dem "Einkommen" (§ 2 Abs. 5b EStG), das auch von § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG in Bezug genommen...