Rz. 260
An die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AStG aufgestellten Vermutungen einer niedrigen Besteuerung schließt sich in beiden Alternativtatbeständen der sog. konkrete Belastungsvergleich an. Eine niedrige Besteuerung liegt demnach nicht vor, wenn gem. einem Nachweis durch die Person "die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu entrichten hätte". Der konkrete Belastungsvergleich eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die vermutete Niedrigbesteuerung zu widerlegen. Dabei sind – anders als im Rahmen der abstrakten Vermutungen – die (konkreten) Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die beiden im Rahmen des konkreten Belastungsvergleichs zu vergleichenden Größen sind einerseits die insgesamt zu entrichtenden Steuern vom Einkommen (Istbesteuerung, s. Rz. 263) und andererseits die Einkommensteuern, die der Steuerpflichtige bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu tragen hätte (Sollbesteuerung, s. Rz. 266). Der konkrete Belastungsvergleich soll folglich die Steuerbelastung nach Wegzug mit der hypothetischen Steuerbelastung ohne den Wegzug vergleichen.
Rz. 261
Einen über die Widerlegung der vermuteten Niedrigbesteuerung hinausgehenden Zweck erfüllt der konkrete Belastungsvergleich nicht. Insb. ändert er nichts am Vorliegen einer Vorzugsbesteuerung. Durch den konkreten Belastungsvergleich wird lediglich – bezogen auf den jeweiligen Vz – die schädliche von der tolerierten Vorzugsbesteuerung unterschieden. Sind die Voraussetzungen einer abstrakten Niedrigbesteuerung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG) und einer Vorzugsbesteuerung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG) nicht erfüllt) kann der konkreten Belastungsvergleich nicht herangezogen werden, um eine niedrige Besteuerung zu begründen.
Rz. 262
Der konkrete Belastungsvergleich erfolgt ausweislich des Gesetzeswortlauts auf Nachweis der Person. Dies wird überwiegend als objektive Beweislast des Steuerpflichtigen, teilweise aber auch als subjektive Beweislast verstanden. Der Wortlaut spricht für Letzteres. Auch BFH und BMF gehen von einer Pflicht des Steuerpflichtigen zur Führung des Nachweises aus.
Rz. 263
Die Istbesteuerung als Ausgangspunkt des Belastungsvergleichs stellt auf die vom Einkommen der Person insgesamt zu entrichtenden Steuern. Unstreitig werden insoweit Steuern aus dem ausländischen Ansässigkeitsstaat, aus dem Inland sowie aus Drittstaaten erfasst. Zu berücksichtigen sind alle ("insgesamt") Steuern vom Einkommen. Die Norm verwendet insoweit nicht den Begriff "Einkommensteuer", der im Rahmen des abstrakten Belastungsvergleichs maßgeblich ist (s. Rz. 206). Zwar ist der Begriff "Steuer vom Einkommen "grds. weiter als der Begriff "Einkommensteuer" und umfasst auch Ergänzungsabgaben zur Einkommensteuer, zu denen auch der SolZ gezählt wird. Die ganz überwiegende Auffassung im Schrifttum spricht sich insoweit auch für eine Einbeziehung des SolZ in die Istbesteuerung aus. Gleiches gilt für die KiSt. Der Begriff "Steuer vom Einkommen" dürfte insoweit gleichlaufen mit dem in § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG verwendeten und dort weit verstandenen Begriff der "Einkommensteuer" (s. Rz. 206). Ausländische Steuern müssen nicht der deutschen Einkommensteuer vergleichbar sein. Die so definierten Steuern vom Einkommen müssen "zu entrichten "sein. Die h. A. will insoweit allein auf die gesetzlich geschuldeten Steuern abstellen. Dieser Auffassung wird hier nicht gefolgt. Zunächst spricht der Zweck des konkreten Belastungsvergleichs gegen ein solches Verständnis. Auch der Gesetzeswortlaut, der im Rahmen der Istbesteuerung die "zu entrichtenden Steuern" und nicht wie bei der Sollbesteuerung die Steuern, die der Steuerpflichtige "zu entrichten hätte" in Bezug nimmt, befürwortet dieses Verständnis. Schließlich ist ein solches Verständnis jedenfalls dann geboten, wenn man als Vorzugsbesteuerung i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG auch ein Verwaltungshandeln im konkreten Fall ansehen möchte (s. Rz. 218). Im Ergebnis ist somit auf die tatsächlich zu zahlenden Steuern abzustellen. Als Zahlung ist auch der Verlustausgleich oder -abzug anzusehen. Spätere Änderungen der Steuern sind rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Da nur die Steuern "der Person" zu berücksichtigen sind, hat im Fall einer Zusammenveranlagung im Ausland eine Aufteilung der Steuern zu erfolgen, wobei Aufteilungsmaßstab die Einkünfte sind.
Rz. 264
Da der Begriff "Steuer vom Einkommen" weit zu verstehen ist und keine Vergleichbarkeit mit der deutschen Einkommensteuer erfordert, sind nach hier vertretener Auffassung auch pauschale und somit einkommensunabhängige Steuerzahlungen zu berücksichtigen, wenn diese den Charakter einer Ersatzsteuer für bestimmte Einkünfte haben. Dies wird im Schrifttum für die britische Remittance Base Charge befürwortet. Gleiches hat für die italienische Pauschalsteuer für Auslandseink...