Rz. 331
§ 2 Abs. 5 S. 1 AStG regelt den anwendbaren Steuersatz. Die Norm ordnet die Anwendung des sog. Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG) im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht an, indem der "Steuersatz [...], der sich für sämtliche Einkünfte der Person ergibt", zur Anwendung kommt. Dies gilt auch in Fällen, in denen § 2 Abs. 1 AStG nicht zu einer Ausdehnung der sachlichen Steuerpflicht in Form von Zusatzeinkünften führt. Der Sinn und Zweck der Regelung wird darin gesehen, die Inlandseinkünfte der Person so zu besteuern, als wäre sie nicht ins Ausland gezogen. Dies darf aber nicht dahingehend überstrapaziert werden, eine Zusammenveranlagung zu bejahen, nur weil diese bei unbeschränkter Steuerpflicht möglich gewesen wäre.
Rz. 332
Für die Ermittlung des Steuersatzes sind sämtliche Einkünfte einzubeziehen. Dies umfasst die nach den Vorschriften des deutschen Steuerrechts ermittelten Welteinkünfte. Dazu rechnen auch jene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die infolge des abgeltenden Steuerabzugs nicht in die Veranlagung einbezogen werden. Kapitaleinkünfte sind explizit ausgenommen (s. Rz. 334). Steuerfreie Einkünfte erhöhen den Steuersatz nicht, es sei denn, die Steuerfreiheit ergibt sich aus einem DBA. Da sich der Steuersatz gem. § 32a Abs. 1 EStG indes nicht nach den "Einkünften", sondern auf das zvE bemisst, muss gleiches auch für § 2 Abs. 5 S. 1 AStG gelten. Das zvE nach Maßgabe des § 50 Abs. 1 EStG zu ermitteln und um den Grundfreibetrag zu erhöhen, soweit nicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen (§ 50 Abs. 1 S. 2 EStG). § 50 Abs. 1 S. 3 EStG beeinträchtigt die Ermittlung des Steuersatzes nicht. Die sich für das im Rahmen der Schattenveranlagung ermittelte zvE ergebende Einkommensteuer ist durch dieses Schatten-zvE zu dividieren, um den durchschnittlichen Steuersatz i. S. v. § 2 Abs. 5 S. 1 AStG zu ermitteln.
Rz. 333
Nicht geklärt ist das Verhältnis von § 2 Abs. 5 S. 1 AStG zu § 32b EStG. Während § 2 Abs. 5 S. 1 AStG schlicht die Anwendung des Steuersatzes, der sich auf sämtliche Einkünfte ergibt, anordnet, ist die Vorschrift in § 32b EStG wesentlich differenzierter, was sich z. B. im Ausschluss des Progressionsvorbehalts in EU/EWR-Sachverhalten (§ 32b Abs. 1 S. 2 EStG), der Behandlung außerordentlicher Einkünfte (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG) oder beim Verlustabzug zeigt. Telos und Gesetzessystematik würden einen Gleichlauf von § 32b EStG und § 2 Abs. 5 AStG jedenfalls stützen.
Rz. 334
§ 2 Abs. 5 S. 1 Halbs. 2 AStG nimmt Kapitaleinkünfte, "die dem gesonderten Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen" von der Ermittlung des Steuersatzes aus. Wenngleich der Wortlaut dafür sprechen könnte, nur im Inland besteuerte Kapitaleinkünfte vom Progressionsvorbehalt auszunehmen, sind in- und ausländische Einkünfte aus systematischen Gründen gleich zu behandeln. Dies erscheint einerseits aus unionsrechtlichen Gründen zwingend. Andererseits entspricht es dem Grundsatz, bei Auslandssachverhalten nur solche Einkünfte in den progressiven Tarif einzubeziehen, die auch bei Besteuerung im Inland nach dem allg. Tarif besteuert worden wären.
Rz. 335
Die Steuer berechnet sich, indem der ermittelte Steuersatz auf das zvE angewendet wird. Das zvE wird wegen § 50 Abs. 1 S. 3 EStG insoweit nicht um den Grundfreibetrag erhöht. Im zvE enthalten sind alle in die Veranlagung einzubeziehenden Einkünfte, also auch die Einkünfte i. S. v. § 50a EStG, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen dagegen nur, wenn der Steuerabzug keine Abgeltungswirkung hat. Unerheblich für die Anwendung des Progressionsvorbehalts ist es, ob tatsächlich Zusatzeinkünfte i. S. v. § 2 AStG erzielt wurden. Der besondere Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG bleibt unberührt. Einkünfte aus Kapitalvermögen werden somit nicht dem progressiven Tarif unterworfen. Auf die sich ergebende Einkommensteuer sind Steuerabzugsbeträge anzurechnen (§ 36 Abs. 2 EStG).
Rz. 336
Die Anwendung des progressiven Steuersatzes kann durch DBA-Vorschriften beschränkt werden (s. Rz. 32). In diesen Fällen darf auf die betroffenen Inlandseinkünfte nur der DBA-Steuersatz (einschließlich SolZ) erhoben werden.
Rz. 337
Nach im Schrifttum vertretener Auffassung kann der Progressionsvorbehalt auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirken, wenn negative Einkünfte vorliegen. Die Möglichkeit eines negativen Progressionsvorbehalts ist durch die Rechtsprechung anerkannt. Sofern man allerdings die hier vertretenen Bedenken ob der Berücksichtigung negativer Einkünfte durch § 2 AStG teilt (s. Rz. 165), ist auch hinsichtlich des negativen Progressionsvorbehalts ein restriktives Verständnis angezeigt.
Rz. 338
Die nach § 2 Abs. 5 AStG berechnete Steuer ist Bemessungsgrundlage für den SolZ. Dies gilt gem. § 2 Nr. 2 SolZG seit dem VZ 1995 auch dann, wenn der Stpfl. ausschließlich erweiterte Inlandseinkünfte i. S. v. § 2 Abs. 1 AStG erzielt.
Rz. 339
einstweilen frei