Rz. 355
§ 2 Abs. 6 AStG trägt dem Regelungszweck, Vorteile im Zusammenhang mit steuerlich motivierten Wegzügen zu versagen, Rechnung. Ziel der Vorschrift ist es gerade nicht, über die Versagung von Vorteilen hinaus dem StPfl. eine Art Strafsteuer aufzuerlegen. Dies stellt Abs. 6 sicher, indem zu erhebende Steuer auf den Betrag gekappt wird, der bei unbeschränkter Steuerpflicht ausschließlich im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entrichten gewesen wäre. Neben einer Obergrenze wird durch § 2 Abs. 6 AStG aber auch eine Untergrenze aufgestellt, wonach die sich bei Anwendung des § 2 AStG ergebende Steuer nicht die Steuer bei einfacher beschränkter Steuerpflicht unterschreiten darf (s. noch unten Rz. 361). Dadurch wird die Obergrenze insoweit aufgeweicht, als sie ihre Bedeutung verliert, soweit die Untergrenze unterschritten würde.
Rz. 356
Die Regelungstechnik des Abs. 6 sieht folgendes Schritte bei der Berechnung vor:
- Den Ausgangspunkt der Berechnung stellt die im Inland festzusetzende Einkommensteuer dar, die sich auf Grundlage der erweiterten Inlandseinkünfte, d. h. der inländischen Einkünfte (§ 49 EStG) zuzüglich der Zusatzeinkünfte i. S. v. § 2 Abs. 1 AStG, und unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 5 AStG ergibt. Dies ist die sich "insgesamt "ergebende inländische Steuer (nachfolgend: Betrag 1).
- Anschließend ist der Betrag der Einkommensteuer zu ermitteln, der sich bei einfacher beschränkter Steuerpflicht ohne Anwendung des § 2 AStG ergäbe (nachfolgend: Betrag 2, s. Rz. 357).
- Aus der Subtraktion der Steuer "ingesamt" (Minuend, Betrag 1) und der Steuer bei einfacher beschränkter Steuerpflicht (Subtrahend, Betrag 2) ergibt sich die Steuer, die "auf Grund der Absätze 1 und 5 zusätzlich" zu entrichten ist (nachfolgend: Betrag 3, s. dazu Rz. 358).
- Im Rahmen einer Schattenveranlagung ist sodann die Steuer zu berechnen, die sich bei unbeschränkter Steuerpflicht und Wohnsitz ausschließlich im Inland ergäbe (nachfolgend: Betrag 4., s. dazu Rz. 359).
- Übersteigt die sich infolge der Anwendung des § 2 AStG insgesamt ergebende Steuer (Betrag 1) die Steuer, die sich bei unbeschränkter Steuerpflicht ergeben hätte (Betrag 4), so greift dem Grunde nach die Deckelung des § 2 Abs. 6 AStG. Der den Betrag 4 übersteigende Teil des Steuer wird nicht erhoben, wenn der Steuerpflichtige einen entsprechenden Nachweis führt (s. Rz. 360).
- Die Nicht-Erhebung beschränkt sich allerdings wiederum auf den Teil der Steuer, der den Betrag überschreitet, der sich ohne Anwendung des § 2 AStG ergäbe. Mit anderen Worten darf die Steuer bei einfacher beschränkter Steuerpflicht (Betrag 2) nicht unterschritten werden (s. dazu Rz. 361).
Rz. 357
Damit die sich aufgrund des § 2 AStG "zusätzlich" ergebende Steuer bestimmt werden kann, muss zunächst die Steuer ermittelt werden, die sich bei einfacher beschränkter Steuerpflicht ergeben hätte. Sofern nicht nur solche Inlandseinkünfte erzielt werden, die dem abgeltenden Steuerabzug unterliegen, ist eine Schattenveranlagung durchzuführen. Die Steuer umfasst die ohne Anwendung des § 2 AStG zu veranlagende Steuer zzgl. der Steuerabzugsbeträge nach §§ 38, 43 und 50a EStG. Unterschiede zwischen der Steuer nach § 1 Abs. 4 EStG und der Steuer unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 1 AStG ergeben sich insb. aus der Erfassung der Zusatzeinkünfte nach § 2 Abs. 1 AStG, der Anwendung des Progressionsvorbehalts (§ 2 Abs. 5 S. 1 AStG) sowie der für Einkünfte i. S. v. § 50a EStG und ggf. auch für Kapitaleinkünfte durchbrochenen Abgeltungswirkung (§ 2 Abs. 5 S. 2f. AStG).
Rz. 358
Durch Subtraktion der Steuer, die sich bei einfacher beschränkter Steuerpflicht ergibt (Betrag 2, Rz. 357), von der sich bei Anwendung des § 2 AStG insgesamt ergebenden deutschen Einkommensteuer (Betrag 1) ergibt sich die "auf Grund der Abs. 1 und 5 zusätzlich zu entrichtende Steuer". Ausweislich des Tatbestands des § 2 Abs. 6 AStG muss diese zusätzliche Steuer zu einer höheren inländischen Steuer als bei unbeschränkter Steuerpflicht führen. Dies ist jedoch nicht i. S. einer Kausalität der zusätzlichen Steuer für das Überschreiten zu verstehen. Der Tatbestand des § 2 Abs. 6 AStG ist auch erfüllt, wenn die Steuer bei einfacher beschränkter Steuerpflicht bereits über der Steuer bei unterstellter unbeschränkter Steuerpflicht liegt, d. h. die Anwendung des § 2 AStG zu einer Mehrbelastung führt, ohne für ein Überschreiten der Steuer ohne Wegzug kausal zu sein. Verstünde man den Gesetzeswortlaut anders, ergäbe die formulierte Untergrenze (s. Rz. 361) keinen Sinn, weil die angeordnete Nicht-Erhebung der Steuer sich ohnehin nur auf den "übersteigenden Betrag" bezieht.
Rz. 359
Als Obergrenze und somit als Vergleichsgröße zur sich insgesamt bei Anwendung des § 2 AStG ergebenden Steuer normiert § 2 Abs. 6 AStG die inländische Steuer, die die Person bei unbeschränkter Steuerpflicht und Wohnsitz ausschließlich im Inland zu entrichten hätte. Dies weist deutliche Parallelen zum konkreten Belastungsvergleich i. S. v. § 2 Abs. 2 AStG auf. Auf die dortige Ko...