1 Allgemeines
1.1 Aufbau
Rz. 1
§ 4 AStG umfasst 2 Abs., in denen die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht geregelt ist. Die – verglichen mit § 2 AStG bestehende – Kürze der Vorschrift erklärt sich durch die Regelungstechnik, die per Rechtsgrundverweis auf § 2 AStG den Tatbestand normiert.
Rz. 2
§ 4 Abs. 1 AStG enthält tatbestandsseitig die Rechtsgrundverweisung auf § 2 Abs. 1 AStG und normiert zugleich die Rechtsfolge – die Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht (hier im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer) um bestimmtes Vermögen.
Rz. 3
Abs. 2 der Norm enthält eine Ausnahme in Gestalt eines konkreten Belastungsvergleichs. Danach kommt die Rechtsfolge der Norm nicht zur Anwendung, wenn eine gewisse Mindeststeuerbelastung im Ausland nachgewiesen wird.
Rz. 4–5
einstweilen frei
1.2 Entstehungsgeschichte und Rechtsentwicklung
1.2.1 Einführung des § 4 AStG mit Einführung des AStG
Rz. 6
Die Vorschriften über die erweiterte beschränkte Steuerpflicht waren in der ursprünglichen Fassung des AStG bereits enthalten. Seit ihrer Einführung wurde § 4 AStG kaum und wenn dann weitestgehend redaktionell geändert, zuletzt im Jahr 2013.
1.2.2 Keine Anpassungen durch das ATAD-Umsetzungsgesetz
Rz. 7
§ 4 AStG wurde im Rahmen des ATAD-Umsetzungsgesetzes nicht angepasst. Der persönliche Anwendungsbereich der EU Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) beschränkte sich auf Körperschaftsteuersubjekte. Eine Anpassung der §§ 2, 4 und 5 AStG war daher nicht geboten. Anders als in § 5 AStG waren in § 4 AStG auch keine redaktionellen Anpassungen infolge der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung erforderlich.
Rz. 8–9
einstweilen frei
1.3 Normzweck
Rz. 10
Regelungszweck des § 4 AStG ist die Ausdehnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Fällen des Wegzugs in niedrigbesteuerte Gebiete. § 4 AStG ist dogmatisch eine Vorschrift des ErbStG. Als den bei beschränkter Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb erweiternde Vorschrift ist der Zweck der Vorschrift in der Vermeidung von durch den Gesetzgeber als ungerechtfertigt eingeordneter Steuervorteile zu sehen. § 4 AStG hat folglich ebenso wie § 2 AStG einen steuerlich motivierten Wegzug in ein ausländisches Niedrigsteuergebiet vor Augen (s. a. § 2 AStG Rz. 16ff.). Der Wegzug wurde im ErbStG bereits anderweitig als Gestaltungsmöglichkeit erkannt, weshalb bei deutscher Staatsangehörigkeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht oftmals nicht mit Aufgabe der eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht begründenden Merkmale in Gestalt von Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt, sondern erst nach Ablauf von 5 Jahren nach deren Aufgabe endet. Vor diesem Hintergrund entfaltet § 4 AStG oftmals erst nach Ablauf dieses 5-Jahreszeitraums Wirkung.
Rz. 11
§ 4 AStG wird im Hinblick auf den avisierten Wegzug ein Präventions- und Lenkungszweck zugesprochen. Da die Vorschrift nur in Ausnahmefällen eingreift, wird ihre Zweckerreichung indes bezweifelt.
Rz. 12
§ 4 AStG leidet insbesondere an fehlender Präzision. Dies beeinträchtigt die Zweckerreichung. So wird die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht am Vorliegen der Voraussetzungen der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht, insbesondere einer niedrigen Einkommensbesteuerung im Ausland festgemacht. Ausweislich der Gesetzesbegründung berücksichtige dies eine in Ländern mit geringer Ertragsteuerbelastung oftmals gegebene niedrige Erbschaftsteuerbelastung. Durch diese Regelungstechnik kann es einerseits zur Erfüllung des Tatbestands von § 4 AStG kommen, wenn im Ausland keine niedrige Erbschaftsteuerbelastung besteht. Solche – wahrscheinlich eher seltenen – Fälle können durch die in § 4 Abs. 2 AStG enthaltene Ausnahme (s. Rz. 122 ff.) korrigiert werden. Problematischer sind dagegen Fälle, in denen im Ausland zwar eine reguläre Einkommensbesteuerung greift, dafür aber keine oder nur eine geringe Erbschaftsteuer existiert. Solche Fälle erfasst § 4 AStG infolge der missglückten Regelungstechnik nicht. Es bleiben folglich erbschaftsteuerlich motivierte Wegzüge vielfach durch § 4 AStG unberührt.
Der Stpfl. verzieht aus Gründen der (Erbschaft-)Steuerplanung nach Österreich. Vor seinem Wegzug war der Stpfl. mehrere Jahrzehnte als Deutscher unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG. Österreich erhebt Einkommensteuern auf einem der deutschen Belastung entsprechenden Niveau. Erbschaft- oder Schenkungsteuern werden in Österreich nicht erhoben.
In Österreich kommt keine Niedrigbesteuerung i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG zur Anwendung. Daher liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 1 AStG beim Stpfl. nicht vor. Als Konsequenz dessen ist auch der Tatbestand des § 4 Abs. 1 AStG nicht erfüllt, wenngleich der Wegzug nach Österreich erbschaftsteuerlich motiviert ist.
Rz. 13–14
einstweilen frei