Rz. 15
Obschon der persönliche Anwendungsbereich der Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) der EU sich auf Körperschaftsteuersubjekte beschränkte (Art. 1 ATAD), wurde die Umsetzung nämlicher Richtlinie zum Anlass genommen, die Vorschriften über die Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen zu verschärfen. Hintergrund war eine Entscheidung des EuGH, der zufolge hinsichtlich der Rechtfertigung des durch eine Wegzugsbesteuerung erfolgten Eingriffs in die Grundfreiheiten keine Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen geboten sei. Darin wurde im Schrifttum zugleich eine Aufgabe der Rechtsprechung erkannt, die zur Anpassung der Wegzugsbesteuerung durch das SEStEG geführt hatte (Rz. 12). Auf diese Erwägungen wurde die Reform des § 6 AStG gestützt.
Rz. 16
Durch das ATADUmsG wurde § 6 AStG neu ausgerichtet, verschärft und um 2Absätze gekürzt. Weggefallen ist die Differenzierung hinsichtlich der Erhebung der Wegzugsteuer zwischen Drittstaaten- (§ 6 Abs. 4 AStG a. F.) und EU/EWR-Sachverhalten (§ 6 Abs. 5 AStG a. F.) sowie die in § 6 Abs. 6 AStG a. F. enthaltene Möglichkeit der Berücksichtigung nachträglicher Wertminderungen.
Rz. 17
Der in § 6 Abs. 1 AStG enthaltene Tatbestand der Wegzugsbesteuerung wurde um 2 Tatbestandsalternativen gekürzt und die Rechtsfolgen wurden konzeptionell modifiziert. Zudem wurden Veräußerungszeitpunkte aufgenommen, um die Rechtsanwendung zu erleichtern.
Rz. 18
Der persönliche Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung wurde durch § 6 Abs. 2 AStG neu ausgerichtet. Während es nach § 6 Abs. 1 AStG a. F. lediglich darauf ankam, ob der Stpfl. "ingesamt", d. h. irgendwann während seines Lebens, ggf. in mehreren Zeiträumen, für mindestens 10 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war, ist nunmehr entscheidend, ob innerhalb der 12 Jahre vor dem Wegzug für mindestens 7 Jahre eine unbeschränkte Steuerpflicht bestand.
Rz. 19
Die in § 6 Abs. 3 AStG enthaltene Rückkehrregel für Fälle einer nur vorübergehenden Abwesenheit wurde vergleichsweise wenig geändert. Die Frist für eine Rückkehr wurde von 5 auf 7 Jahre verlängert, wobei nach wie vor die Möglichkeit einer Verlängerung um weitere 5 Jahre besteht. Die nach § 6 Abs. 3 AStG a. F. gebotene und mit praktischen Herausforderungen verbundene Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht soll ausweislich der Gesetzesbegründung nach § 6 Abs. 3 AStG n. F. entfallen
, wodurch Erleichterungen für die Inanspruchnahme der Regelung geschaffen werden.
Andererseits wurde § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG um einen Katalog schädlicher Ereignisse angepasst, die ein Entfallen der Wegzugsbesteuerung auch im Falle einer späteren Rückkehr versagen (Rz. 256).
Rz. 20
Als wesentliche Änderung der Reform des § 6 AStG muss die Streichung der in § 6 Abs. 5 AStG a. F. enthaltenen Dauerstundung für EU/EWR-Sachverhalte angesehen werden. Durch diese kommt es für EU/EWR-Wegzüge nunmehr zu einer drastischen Verschärfung der Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung. § 6 Abs. 4 AStG sieht nunmehr eine einheitliche Ratenzahlungsmöglichkeit über 7 Jahre vor, die ungeachtet des Zuzugstaates beantragt werden kann. Ebenfalls verschärft wurde der Katalog der Tatbestände, die zum Widerruf einer (Raten-)Stundung führen. Infolge der siebenjährigen Tilgungsmöglichkeit kommt es für Wegzüge in Drittstaaten gegenüber der fünfjährigen Ratenzahlung nach § 6 Abs. 4 AStG a. F. zu Entlastungen. Hervorzuheben ist die in § 6 Abs. 4 Satz 7 AStG enthaltene Möglichkeit einer echten Stundung ohne Raten für Fälle nur vorübergehender Abwesenheit.
Rz. 21
Die in § 6 Abs. 5 AStG enthaltenen Verfahrensvorschriften entsprechen im Kern denen des § 6 Abs. 7 AStG a. F. Eine erhebliche Verschärfung ist jedoch für den Fall der Nichterfüllung der jährlichen Mitteilungspflicht nach § 6 Abs. 5 Satz 3 AStG zu sehen, weil für diesen Fall § 6 Abs. 4 Satz 5 Nr. 2 AStG eine Fälligkeit der noch ausstehenden Steuer vorschreibt, während nach § 6 Abs. 7 Satz 5 AStG a. F. der Stundungswiderruf einer Ermessensentscheidung des FA unterlag.