Rz. 208
§ 6 Abs. 2 S. 2 und 3 AStG regeln den persönlichen Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung in Fällen, in denen der Stpfl. die Anteile unentgeltlich erworben hat. Dies betrifft Erwerbe auf Grundlage eines Testaments, Vermächtnisses, Erbvertrags oder einer Schenkung. Im Fall eines teilentgeltlichen Erwerbs von Anteilen ist der Erwerb in einen entgeltlichen und ein unentgeltliche Vorgang aufzuteilen. Soweit der Vorgang als unentgeltlicher Erwerb einzuordnen ist, finden S. 2 und 3 Anwendung. Im Übrigen gilt S. 1. Für die Anwendung des § 6 Abs. 2 S. 2 AStG kommt es nicht darauf an, ob die Anteile beim Rechtsvorgänger Privat- oder Betriebsvermögen waren.
Gleiches muss für das Vorliegen einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG beim Rechtsvorgänger gelten.
Rz. 209
Der Siebenjahreszeitraum nach § 6 Abs. 2 S. 1 AStG ist grundsätzlich von dem den Wegzugstatbestand verwirklichenden Steuerpflichtigen zu erfüllen. Gem. § 6 Abs. 2 S. 2 AStG ist bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile für die Berechnung der siebenjährigen Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht auch die Steuerpflicht des Rechtsvorgängers einzubeziehen. Erfüllt der Stpfl. bei Wegzug isoliert nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 S. 1 AStG, kann er dennoch unter die Wegzugsbesteuerung fallen, wenn er die Anteile unentgeltlich erworben hat und bei Einbeziehung der persönlichen Steuerpflicht des Rechtsvorgängers (zusätzlich zum Stpfl.) der Siebenjahreszeitraum erfüllt wird. Hintergrund der Norm ist die Vermeidung von Umgehungsgestaltungen in Form der unentgeltlichen Übertragung der Anteile auf eine Person, die nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 S. 1 AStG erfüllt. Im Extremfall kann der relevante Zwölf- oder Siebenjahreszeitraum beginnen, bevor der Steuerpflichtige geboren war.
Rz. 210
Für den Fall mehrerer aufeinander folgender unentgeltlicher Erwerbe ordnet § 6 Abs. 2 S. 2 AStG die Einbeziehung der unbeschränkten Steuerpflicht des jeweiligen Rechtsvorgängers an. Dies gilt für den Fall von Kettenschenkungen, aber auch für mehrere aufeinander folgende Erbfälle. Es ist innerhalb des Zwölfjahres-Beobachtungszeitraums folglich auf die unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen sowie jedes Rechtsvorgängers abzustellen.
Rz. 211
Anders als im Kontext der Grundregel des § 6 Abs. 2 S. 1 AStG (s. Rz. 206) entspricht es dem Zweck der Vorschrift in § 6 Abs. 2 S. 2 AStG nur Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht eines Rechtsvorgängers einzubeziehen, während der dieser auch die Anteilsinhaberschaft innehatte. Dies entspricht dem Regelungszweck, Umgehungsgestaltungen auszuschließen. Anderenfalls könnte die Vorschrift überschießende Tendenzen nach sich ziehen.
Die natürliche Person GV begründete am 1.7.2015 eine unbeschränkte Steuerpflicht i. S. v. § 1 Abs. 1 EStG im Inland und hielt zu diesem Zeitpunkt Anteile i. S. v. § 17 EStG. Die unbeschränkte Steuerpflicht des GV besteht seither unverändert fort. Am 1.7.2019 schenkte GV die Anteile seinem Sohn V, der noch im Ausland lebte. V verstirbt am 1.12.2022 und die Anteile gehen auf dessen Alleinerben S über. S lebt seit dem 1.7.2020 im Inland, gibt seine unbeschränkte Steuerpflicht aber nach Beendigung seines Studiums mit Wirkung zum 31.12.2023 auf und verzieht ins Ausland.
Ausgehen vom Wegzugszeitpunkt 31.12.2023 sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AStG zu prüfen. Der Beobachtungszeitraum beginnt am 31.12.2011. Der Steuerpflichtige S war im Beobachtungszeitraum nur 2,5 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig. Allerdings sind aufgrund des unentgeltlichen Erwerbs die Zeiträume der unbeschränkten Steuerpflicht der Rechtsvorgänger mit zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 2 S. 2 AStG). V war nie unbeschränkt steuerpflichtig, weshalb eine Berücksichtigung ausscheidet. GV war im Wegzugszeitpunkt seit 8,5 Jahren unbeschränkt steuerpflichtig, weshalb auch bei Anrechnung der Überschneidungen mit S (§ 6 Abs. 2 S. 3 AStG) die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AStG erfüllt wären. Allerdings war GV während seiner unbeschränkten Steuerpflicht nur für 4 Jahre Anteilsinhaber und nur dieser Zeitraum ist für Zwecke des § 6 Abs. 2 S. 2 AStG zu berücksichtigen. Im Ergebnis bestand damit eine unbeschränkte Steuerpflicht von GV und S insgesamt nur für 6,5 Jahre, weshalb die persönlichen Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung nicht erfüllt sind.
Rz. 212
Gem. § 6 Abs. 2 S. 3 AStG werden Zeiträume, in denen der Stpfl. sowie gleichzeitig der oder die Rechtsvorgänger unbeschränkt steuerpflichtig waren, nur einmal angesetzt. Die Norm soll ein Überschreiten des Siebenjahreszeitraums vermeiden, wenn sowohl der Stpfl. als auch dessen Rechtsvorgänger gleichzeitig für einen Zeitraum von mindestens dreieinhalb Jahren, aber weniger als sieben Jahren unbeschränkt steuerpflichtig waren. Rechnete man in diesem Fall die Zeiten zusammen, würde der Siebenjahreszeitraum überschritten, ohne dass dies dem Regelungszweck des § 6 Abs. 2 S. 2 AStG entspräche.
Rz. 213
Die Existenz des § 6 Abs. 2 S. 3 AStG widerspricht nicht de...