Rz. 216
§ 6 Abs. 2 S. 4 AStG fingiert für den Fall eines Entfallens der Wegzugssteuer aufgrund einer Rückkehr nach § 6 Abs. 3 AStG für den Stpfl. sowie für dessen (unmittelbare oder mittelbare) Rechtsnachfolger die Erfüllung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 AStG. Ziel der Vorschrift ist die Vermeidung von Umgehungsgestaltungen, die eröffnet wären, wenn im Nachgang zu einer Rückkehr des Stpfl. ins Inland der Siebenjahreszeitraum neu zu prüfen wäre.
Im Ergebnis entfällt infolge des § 6 Abs. 2 S. 4 AStG die Notwendigkeit einer erneuten Prüfung des Beobachtungszeitraums. Die Fiktion fingiert somit nicht eine unbeschränkte Steuerpflicht für Zwecke der Prüfung des Siebenjahreszeitraums i. S. v. § 6 Abs. 2 S. 1 AStG, sondern erklärt qua Fiktion den persönlichen Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung sowohl für den Stpfl. als auch für dessen Rechtsnachfolger als erfüllt.
Rz. 217
§ 6 Abs. 2 S. 4 AStG betrifft sowohl eine Rückkehr nach § 6 Abs. 3 AStG des "neuen" Gesetzesregimes als auch eine Rückkehr nach § 6 Abs. 3 AStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung. Letzteres fand erst nachträglich Eingang ins Gesetz. Die Ergänzung schloss eine Gesetzeslücke, die bestanden hätte, wenn die Rückkehr unter Anwendung des alten Rechts erfolgt wäre, der anschließende erneute Wegzug aber nach neuem Recht.
Rz. 218
Wenngleich Gesetzeszweck des § 6 Abs. 2 S. 4 AStG die Vermeidung von Umgehungsgestaltungen durch Ausnutzen der Rückkehrregelung mit anschließendem Wegzug ist, enthält der Gesetzeswortlaut keine Beschränkung auf Anteile, die bei erstmaligem Wegzug der Wegzugssteuer unterworfen wurden. Stattdessen wird allgemein eine Erfüllung des persönlichen Anwendungsbereichs der Wegzugsbesteuerung für den Stpfl. und dessen Rechtsnachfolger normiert. Die Verwaltung möchte § 6 Abs. 2 S. 4 AStG auch entsprechend auslegen und die Erfüllung des persönlichen Anwendungsbereichs der Wegzugsbesteuerung für sämtliche Beteiligungen des Steuerpflichtigen oder dessen Rechtsfolger, unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs, anwenden.
Ein solches Verständnis der Norm wäre weit überschießend und könnte dazu führen, generationenübergreifend Rechtsnachfolger eines Stpfl., der von der Rückkehrregelung Gebrauch gemacht hat, der Wegzugsbesteuerung zu unterwerfen, selbst wenn diese nur kurz oder im Zweifel gar nicht mehr im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten wäre dies kaum haltbar. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 S. 4 AStG ist daher teleologisch zu reduzieren, indem der persönliche Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 AStG nur insoweit eröffnet ist, als eine Beteiligung, für die gem. § 6 Abs. 3 AStG eine Wegzugssteuer entfallen ist, gehalten wird.
Rz. 219
Da die vorstehende, für eine einschränkende Auslegung streitende Auffassung der Verwaltungsauffassung widerspricht, sind Steuerpflichtige gut beraten, vor einer Rückkehr ins Inland zu prüfen, ob eine gestaltungsinduzierte Verstrickung solcher Anteile, die zuvor nicht der Wegzugsbesteuerung unterlagen, sondern erstmals im Inland verstrickt werden, zum gemeinen Wert möglich ist. In Fällen einer Rückkehr nach § 6 Abs. 3 AStG a. F. (Wegzug bis zum 31.12.2021) wäre dies durch Einlage der Anteile in ein inländisches Betriebsvermögen möglich (§ 4 Abs. 1 S. 8 EStG). In Fällen einer Rückkehr nach § 6 Abs. 3 AStG n. F. (Wegzug nach dem 31.12.2021) steht eine Einlage in ein (in- oder ausländisches) Betriebsvermögen einem Entfallen der Wegzugssteuer entgegen (s. Rz. 276). Es bleibt dann nur die Möglichkeit einer Verstrickung nach § 17 Abs. 2 S. 4 EStG, soweit die Anteile zuvor nicht der Wegzugsbesteuerung unterworfen worden sind.
Rz. 220-224
einstweilen frei