2.3.1 Hintergrund
Rz. 225
Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks der Wegzugsbesteuerung, die Besteuerung von im Inland steuerpflichtigen Vermögenszuwächsen bei Wegzug ins Ausland sicherzustellen (s. Rz. 25), erscheint eine Wegzugsbesteuerung unverhältnismäßig, wenn ein Stpfl. nur vorübergehend ins Ausland verzieht und die Anteile bei Rückkehr noch hält. § 6 Abs. 3 AStG ordnet daher für bestimmte Konstellationen ein Entfallen der Wegzugsbesteuerung an. Eine bereits gezahlte Steuer ist zu erstatten; in Rückkehrfällen ist zudem – auch nach neuem Recht – eine Stundung der Wegzugssteuer ohne Raten möglich.
Rz. 226
Die Rückkehrregel in § 6 Abs. 3 AStG ist in ähnlicher Form bereits seit mehr als 50 Jahren Teil des § 6 AStG. Die Auslegung der Norm war zunächst mit Unsicherheiten behaftet, was die Frage anging, ob der Stpfl. bereits im Wegzugszeitpunkt eine Rückkehrabsicht haben musste (subjektive Theorie) oder ob die rechtzeitige Rückkehr für die Tatbestandsverwirklichung ausreichte (objektive Theorie). Dem entsprechend war die Bedeutung der Rückkehrregelung in der Praxis eher überschaubar. Durch die Verschärfung der Wegzugsbesteuerung in Gestalt der Abschaffung einer Dauerstundung bei Wegzug in EU/EWR-Staaten steigt die Bedeutung der Rückkehrregel massiv.
Ausweislich der Gesetzesbegründung stellt die Rückkehrregel das Mittel dar, um eine in den Augen des Gesetzgebers ausreichende Flexibilität und Mobilität zu gewährleisten. Die Rückkehrregelung kann in der Praxis insbesondere dann besondere Bedeutung erlangen, wenn die Möglichkeit einer Stundung der Wegzugssteuer ohne Raten praktikabel gelebt wird.
Rz. 227
einstweilen frei
2.3.2 Vorübergehende Abwesenheit (§ 6 Abs. 3 S. 1 bis 3)
2.3.2.1 Tatbestand der vorübergehenden Abwesenheit
2.3.2.1.1 Vorübergehende Abwesenheit als temporärer Wegzug
Rz. 228
§ 6 Abs. 3 S. 1 AStG normiert auf Tatbestandsebene der Rückkehrregelung vermeintlich zwei – aufgrund des Wortes "und" kumulativ zu erfüllende – Voraussetzungen:
- Die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht muss auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Stpfl. beruhen und
- der Stpfl. muss innerhalb von 7 Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig werden.
Ausweislich der Rechtsprechung des BFH liegt eine "nur vorübergehende Abwesenheit" vor, wenn der Stpfl. innerhalb des maßgeblichen Zeitraums wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Diese zum nahezu identischen Wortlaut des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a. F. dürfte auf die aktuelle Gesetzesfassung übertragbar sein.
Im Ergebnis knüpft § 6 Abs. 3 AStG tatbestandlich somit nicht an 2 Voraussetzungen, sondern lediglich an die nur vorübergehende Abwesenheit, die durch eine rechtzeitige Rückkehr belegt wird.
Die natürliche Person X ist unbeschränkt Stpfl. i. S. v. § 6 Abs. 2 AStG. X hält Anteile i. S. v. § 17 EStG und verzieht ins Ausland. Bei seinem Wegzug hat X weder die Absicht, ins Inland zurückzukehren noch teilt er eine solche Absicht dem Finanzamt mit. 5 Jahre nach seinem Wegzug entscheidet sich X, ins Inland zurückzukehren und begründet eine unbeschränkte Steuerpflicht durch Wohnsitznahme im Inland.
Ungeachtet der zunächst fehlenden Rückkehrabsicht führt allein die tatsächliche Rückkehr innerhalb von 7 Jahren zur Erfüllung des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG. Die Ausschlussgründe für ein Entfallen der Wegzugssteuer sind zu beachten (s. Rz. 256 ff.).
Rz. 229
Weil die Verwirklichung des Tatbestands des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG gem. § 6 Abs. 3 S. 1 AStG auf der (vorübergehenden) Abwesenheit "beruhen" muss, die Abwesenheit also den Wegzugstatbestand auslöst, ist eine "Abwesenheit" nur dann gegeben, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG nicht besteht. Diese Abwesenheit muss zudem nur "vorübergehend" sein, was erfüllt ist, wenn der Stpfl. innerhalb des maßgeblichen Zeitraums von 7 Jahren (s. zur Möglichkeit der Verlängerung des Zeitraums Rz. 235 ff.) wieder im Inland unbeschränkt steuerpflichtig wird.
Rz. 230
Die vorstehenden Grundsätze gelten ungeachtet einer im Wegzugszeitpunkt gegebenen Rückkehrabsicht des Steuerpflichtigen (s. Rz. 240 ff.).
Rz. 231
Auf Tatbestandsebene ist § 6 Abs. 3 S. 1 AStG daher schlichtweg daraufhin zu überprüfen, ob der Stpfl. innerhalb des Siebenjahreszeitraums nach Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Maßgeblich ist eine unbeschränkte Steuerpflicht i. S. v. § 1 Abs. 1 EStG. Zusätzlich darf keiner der Ausschlussgründe (s. Rz. 256 ff.) erfüllt sein. Zwar ist eine Antragstellung durch den Stpfl. nicht geboten, allerdings obliegt ihm der Nachweis über die fristgerechte Rückkehr.
Rz. 232
Verstirbt der Stpfl. während seiner Abwesenheit und gehen die Anteile von Todes wegen auf eine andere natürliche Person über, so liegt eine Rückkehr i. S. d. § 6 Abs. 3 AStG vor, wenn der unmittelbare oder – im Falle mehrere aufeinander folgender Erwerbe von Todes wegen – mittelbare Rechtsnachfolger die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG erfüllt. Die Rückkehrregel kann danach eröffnet sein...