Rz. 298
Gem. § 6 Abs. 3 S. 4 AStG gelten die Sätze 1 bis 3 – also die Vorschriften über das Entfallen der Wegzugssteuer bei Rückkehr – entsprechend, wenn der Ausschluss des Besteuerungsrechts i. S. d. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Stpfl. beruht. Ziel dieser Vorschrift ist die Eröffnung der Rückkehroption auch für Wegzugsfälle i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG, die nicht bereits von § 6 Abs. 3 S. 1 AStG erfasst werden.
Rz. 299
Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 S. 4 AStG ist deutlich verunglückt, wenn er Wegzugsfälle nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG kausal mit Fällen einer nur vorübergehenden Abwesenheit der Stpfl. verknüpft. Eine vorübergehende Abwesenheit führt nämlich – ausweislich des Wortlauts in § 6 Abs. 3 S. 1 AStG – zu einer Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht und somit zur Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG (s. Rz. 229), die gegenüber Nr. 3 vorrangig ist. Verstünde man die Voraussetzung der "vorübergehenden Abwesenheit" im Einklang mit der hiesigen Auffassung als Zeitraum, in dem keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, so bliebe für § 6 Abs. 3 S. 4 AStG kein Anwendungsbereich.
Rz. 300
Die Verwaltung will eine vorübergehende Abwesenheit dagegen auch in einem temporären Ansässigkeitswechsel des Stpfl. erkennen.
Rz. 301
Ein solches Verständnis ist zwar rechtsfolgenseitig nachvollziehbar und aus Sicht der Stpfl. auch begrüßenswert. Mit der Systematik des § 6 AStG verträgt es sich aber kaum, eine unbeschränkt steuerpflichtige Person als "abwesend" zu behandeln, nur weil die DBA-Ansässigkeit im Ausland liegt. Wollte man dies tun, wäre es naheliegend, eine durch die DBA-Ansässigkeit im Ausland bedingte "Abwesenheit" auch auf Tatbestandsebene der Wegzugsbesteuerung zu berücksichtigen, z. B. im Hinblick auf die (Nicht-)Erfüllung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 2 AStG.
Rz. 302
Legt man die Norm mit der Verwaltung i. S. eines normspezifischen Verständnisses der "Abwesenheit" aus, so bedeutet Abwesenheit die Nicht-Ansässigkeit i. S. v. DBA. Die vorübergehende Abwesenheit muss sich bei "dem Stpfl." verwirklichen. Der Grund für die Wiederbegründung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit ist unbeachtlich. Eine Änderung der DBA-Ansässigkeit kann sich auch aus einer DBA-Änderung ergeben. Kommt es gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG zu einer Wegzugsbesteuerung infolge einer unentgeltlichen Übertragung auf eine unbeschränkt steuerpflichtige, aber nicht ansässige natürliche Person, ist § 6 Abs. 3 S. 4 AStG nicht anwendbar.
Rz. 303
Wie sich dem missglückten Gesetzeswortlaut aber jedenfalls entnehmen lässt, sollen andere Fälle als der vorübergehende Ansässigkeitswechsel nicht von § 6 Abs. 3 S. 4 AStG erfasst sein. Dies bedeutet, jeder andere Umstand, der einen Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts nach sich zieht (z. B. Einlage in ein ausländisches Betriebsvermögen), soll nicht für ein späteres Entfallen der Steuer qualifizieren. Der Grund für eine solche Differenzierung bleibt unklar. Jedenfalls für EU/EWR-Dauerstundungen war es nach § 6 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 AStG a. F. für ein Entfallen der Wegzugssteuer ausreichend, wenn das deutsche Besteuerungsrecht "wieder begründet" wurde oder "nicht mehr beschränkt" war, ohne dass es auf das dafür kausale Ereignis ankam.
Rz. 304
Ausweislich des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts erfasst § 6 Abs. 3 S. 4 AStG nur Fälle, in denen die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG auf einem "Ausschluss" des deutschen Besteuerungsrechts beruhte.
Fälle von "Beschränkungen" sind explizit vom Anwendungsbereich der "Rückkehrregel" ausgeschlossen.
Auch insoweit bleiben die Gründe für den begrenzten Anwendungsbereich der Norm unklar. Da für Anteile an ausländischen Immobilienkapitalgesellschaften regelmäßig die Anrechnungsmethode vorgesehen ist und somit nur eine "Beschränkung" vorliegt, wird im Rahmen einer sog. passiven Entstrickung eine Inanspruchnahme der Rückkehrregel bei Entfallen der Beschränkung in aller Regel unmöglich sein.
Rz. 305
Rechtsfolge des § 6 Abs. 3 S. 4 AStG ist die entsprechende Anwendung der Sätze 1 bis 3 in § 6 Abs. 3 AStG. Für die Anwendung der Rückkehrregel wird folglich auf die allgemeinen Grundsätze abgestellt.
Folgende Voraussetzungen müssen folglich gegeben sein, damit die Wegzugssteuer nach § 6 Abs. 3 S. 4 AStG entfällt:
- Wegzugsbesteuerung wurde aufgrund eines auf dem Wechsel der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen beruhenden Ausschlusses ausgelöst (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG);
- Stpfl. wird innerhalb von 7 – oder alternativ 12 (S. 3) – Jahren wieder im Inland ansässig i. S. d. DBA; hilfsweise darf die DBA-Ansässigkeit in Fällen des Erwerbs von Todes wegen auch durch den / die Rechtsnachfolger verwirklicht werden (S. 2);
- kein Ausschlussgrund des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG ist gegeben (s. Rz. 256 ff.).
Rz. 306
einstweilen frei