Rz. 383
Gem. § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 AStG wird die noch nicht entrichtete Steuer insgesamt fällig, wenn der Stpfl. Insolvenz anmeldet. Durch diesen Widerrufstatbestand der Ratenstundung im Insolvenzfall sollen die Fikalinteressen gewahrt werden.
Im Insolvenzverfahren nach deutschem Recht wäre dies wohl nicht erforderlich, weil gem. § 41 InsO Forderungen – inklusive Abgabenansprüchen – grundsätzlich als fällig gelten.
Bei Beantragung einer Insolvenz nach ausländischen Recht kann dies allerdings anders sein, weshalb ein Fälligstellen der gestundeten Steuerforderung nachvollziehbar ist.
Rz. 384
Der im Gesetz verwendete Begriff "Insolvenz" düfte neben Verfahren i. S. d. InsO auch vergleichbare Verfahren nach ausländischem Recht erfassen.
Fraglich ist, wie zur Bestimmung des Begriffs bei Anwendung eines ausländischen Verfahrens ein insolvenzrechtlicher Typenvergleich durchzuführen ist.
Aus Gründen der Rechtssicherheit erscheint es naheliegend, auf vorhandene Regelungen, insbesondere in Gestalt von Art. 2 Abs. 4 EUInsVO, zurückzugreifen.
Rz. 385
Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren liegt gem. Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 EUInsVO in Wegzugsfällen regelmäßig im Staat der Hauptniederlassung oder des gewöhnlichen Aufenthalts. Zuständig dürfte demnach in aller Regel der Wohnsitzstaat oder – bei Mehrfachwohnsitz – der Ansässigkeitsstaat nach DBA sein.
Die deutsche InsO findet auf den Stpfl. demnach wohl vorrangig in Fällen des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AStG Anwendung, weil in diesen Fällen oftmals – mit Ausnahme des Ansässigkeitswechsels i. S.V. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG – Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben sind.
Rz. 386
Ausweislich des Gesetzeswortlauts wird nur der Fall erfasst, in dem der "Stpfl." Insolvenz anmeldet. Abgestellt wird offenbar nur auf eine Insolvenz des Stpfl., d. h. der Person, bei der die Wegzugsbesteuerung verwirklicht wird. In Wegzugsfällen i. S.V. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG weichen der Stpfl. als Insolvenzschuldner und der Anteilsinhaber voneinander ab.
Bei Anteilsübergängen i. S.V. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG von Todes wegen kann der Steuerpflichtige mangels Ablebens keine Insolvenz mehr erleiden. Fraglich ist in diesem Fall, ob bei Insolvenz des Erben ebenfalls der Tatbestand des § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 AStG erfüllt ist. Die Wegzugssteuerschuld wird zwar mit vererbt (§ 45 Abs. 1 AO), wobei nicht eindeutig ist, ob der Erbe oder die Erben dadurch als Stpfl. i. S. d. § 6 AStG angesehen werden können. Sinn und Zweck des Widerrufstatbestands sprächen wohl dafür.
Rz. 387
Im Falle der vorangegangenen grenzüberschreitenden Schenkung i. S.V. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG kann im Insolvenzverfahren die unentgeltliche Anteilsübertragung innerhalb von 4 Jahren angefochten werden (§ 134 Abs. 1 InsO), was eine Rückgewährung der Anteile zur Insolvenzmasse zur Folge haben kann (§ 143 InsO). Kommt es zu einer Rückgewährung der Anteile, so dürfte diese als rückwirkendes Ereignis i. S.V. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ein Entfallen der Wegzugssteuer außerhalb des Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 3 AStG bewirken. Die Frage eines Widerrufs der gestundeten Steuer erübrigt sich in diesem Fall.
Rz. 388
Die Insolvenz muss zudem vom Stpfl. "angemeldet" werden. Das deutsche Insolvenzrecht benutzt den Begriff der "Anmeldung" nur im Zusammenhang mit Forderungen der Gläubiger. Eine Insolvenz wird dagegen "beantragt". "Beantragung" und "Anmeldung" der Insolvenz dürften aber identisch zu verstehen sein. Allerdings vernachlässigt der Wortlaut des § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 AStG die Möglichkeit eines Insolvenzantrags nicht nur durch den Schuldner (hier: der Steuerpflichtige), sondern auch durch einen Gläubiger (§ 13 Abs. 1 S. 2 InsO, § 14 InsO). Wenngleich die Erfassung von Insolvenzanträgen durch den Gläubiger dem Zweck des § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 2 AStG entspricht, soll der Wortlaut der Norm dies nicht hergeben.
In Anbetracht des untechnisch formulierten Gesetzeswortlauts sollte ein zulässiger Insolvenzantrag durch den Gläubiger (§ 14 Abs. 1 S. 1 InsO) ebenfalls den Tatbestand des § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 AStG erfüllen.
Rz. 389
einstweilen frei