Rz. 380
Gem. § 8 Abs. 2 S. 5 AStG gelten die Sätze 1 bis 3 nicht, "wenn die Gesellschaft ihre wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend durch Dritte besorgen lässt". Die Substanzausnahme soll in diesen Fällen nicht zu Anwendung kommen, was im Ergebnis stets in einer Hinzurechnungsbesteuerung mündet. Die Finanzverwaltung wendet die Vorschrift nicht auf konzerninternes Outsourcing innerhalb eines Staates an (s. Rz. 385).
Rz. 381
Gegenstand des § 8 Abs. 2 S. 5 AStG ist die "wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit" der ausländischen Gesellschaft. Missverständlich ist diesbezüglich die Aussage, die Auslagerung unwesentlicher Tätigkeiten (wie Hilfs- und Nebentätigkeit, Backoffice-Tätigkeiten) lasse die Möglichkeit des Substanznachweises unberührt. Da § 8 Abs. 2 S. 5 AStG eine Ausnahme zu S. 1 darstellt, kann sich die Norm nur auf "wesentliche wirtschaftliche Tätigkeiten" beziehen. Solche Tätigkeiten umfassen auch dazugehörige Hilfs-, Neben- oder Backoffice-Tätigkeiten. Die Frage, ob solche Tätigkeiten unschädlich ausgelagert werden können, betrifft somit lediglich die Frage des "Überwiegens" (s. Rz. 384). Zu pauschal ist ferner die Aussage, die Auslagerung von administrativen Tätigkeiten oder Routinetätigkeiten sei unschädlich, denn auch solche Tätigkeiten können wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit i. S. v. § 8 Abs. 2 S. 1 AStG sein (s. Rz. 346).
Rz. 382
Die wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit muss auf einen Dritten (s. Rz. 383) ausgelagert werden, indem dieser die Tätigkeit besorgt. Die Vorschrift setzt somit einen Fall des "Outsourcing" voraus. Eine schädliche Auslagerung kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil Personen zugleich für mehrere Gesellschaften tätig sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann ein solches Outsourcing insbesondere in Fällen von Betriebsführungs- und Managementverträgen gegeben sein. Allerdings hat der BFH im Fall eines Betriebsführungsvertrags die Ausübung der Tätigkeit auf Rechnung der ausländischen Gesellschaft als deren eigene Tätigkeit angesehen. Unter solchen Umständen wird man daher nicht von einem schädlichen Outsourcing ausgehen können. Dieses Verständnis mag der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, es erscheint indes deshalb zwingend, weil es für die steuerliche Behandlung einer Tätigkeit keinen Unterschied machen kann, auf welcher zivilrechtlichen Grundlage die Tätigkeit erbracht wird. Schädliches Outsourcing setzt demnach den Einkauf schädlicher Leistungen, die in deren wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit einfließen, aber keine Tätigkeit "auf Rechnung" der ausländischen Gesellschaft darstellen, durch die ausländische Gesellschaft voraus.
Rz. 383
Die Auslagerung der Tätigkeit muss auf "Dritte" erfolgen. Das Gesetz stellt nicht – insoweit abweichend zu § 1 AStG – auf "fremde" oder "voneinander unabhängige" Dritte ab. Dritte i. S. v. § 8 Abs. 2 S. 5 AStG meint somit jedes von der ausländischen Gesellschaft zu unterscheidende Steuersubjekt. Auch nahestehende Personen sind somit "Dritte" i. S. d. Norm. Im Schrifttum wird dagegen vertreten, "Dritte" seien nur Personen außerhalb des Verhältnisses von Stpfl. i. S. v. § 7 AStG und der ausländischen Gesellschaft. Träfe dies zu, könnte die Auslagerung unschädlich auf den Stpfl. selbst (z. B. auf dessen ausländische Betriebsstätte) erfolgen, was mit dem Sinn und Zweck der Norm in Konflikt stehen dürfte.
Rz. 384
Damit die Auslagerung schädlich ist, muss die Tätigkeit "überwiegend" durch Dritte besorgt werden. Die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist unklar. Die Finanzverwaltung will danach differenzieren, ob Dritte der Tätigkeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht das Gepräge geben. Dem gegenüber wird vertreten, "Überwiegen" meine schlicht mehrheitlich, d. h. zu mehr als 50 %. Die Frage kann im Ergebnis dahinstehen, denn unionsrechtlich ist eine vollständige Versagung des Substanznachweises in Fällen einer teilweisen Auslagerung von Funktionen unverhältnismäßig, weil die ausländische Gesellschaft, soweit sie ihre Funktionen selbst ausübt, von den Grundfreiheiten geschützt wird. Es ist vor diesem Hintergrund jedenfalls unzulässig, nach dem "Fallbeil-Prinzip" den Substanztest an ein "Überwiegen" zu knüpfen.
Rz. 385
Die in § 8 Abs. 2 S. 5 AStG Gesetz gewordene Ausnahme ist nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Nach Rechtsprechung des EuGH sind im Rahmen eines Substanztests die Verhältnisse der Unternehmensgruppe zu berücksichtigen. Das BMF trägt dem Rechnung, indem Outsourcing auf nahestehende Personen im gleichen Staat als unschädlich angesehen wird. Das überwiegende Auslagern von Tätigkeiten auf fremde Dritte im gleichen Staat und auf nahestehende Personen in anderen Staaten bleibt damit schädlich. Diese Reduktion des Gesetzeswortlauts sollte im Kern mit dem Zweck der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein, wobei der Fallbeil-Effekt (s. Rz. 384) unverhältnismäßig bleibt. Es besteht in Anbetracht der segmentierenden...