Leitsatz
1. Führen ausländische professionelle Musik- oder Theaterensembles im Inland Konzerte, Opern, Operetten oder Musicals auf, die auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet sind, kann die das Honorar schuldende Konzertdirektion im Rahmen des Steuerabzugs bei beschränkter Steuerpflicht nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht allein mit der Behauptung von Einbehalt und Abführung der Steuer absehen, den Ensembles fehle es an der Gewinnerzielungsansicht, weil sie ohne staatliche Zuschüsse (Subventionen) nicht tätig werden könnten (Abgrenzung zu dem Senatsurteil vom 07.11.2001 – I R 14/01, BFHE 197, 287, BStBl II 2002, 861 und dem Senatsbeschluss vom 02.02.2010 – I B 91/09, BFH/NV 2010, 878).
2. Das Steuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, dem beschränkt steuerpflichtige Künstler im Hinblick auf das Honorar für Auftritte im Inland unterworfen waren, sowie ein sich gegebenenfalls anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem Vergütungsschuldner sind in ihrer für die Jahre 1996 bis 1999 maßgeblichen Ausgestaltung sowohl mit der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit als auch mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.
Normenkette
§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, Abs. 5 Satz 5 EStG, Art. 59 EGV, Art. 49 EG, Art. 56 AEUV, Art. 3 GG, §§ 228, 231 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH österreichischen Rechts mit Sitz in der Republik Österreich, betrieb im Streitzeitraum (1996 bis 1999) eine Konzertdirektion. Im Rahmen dieser Tätigkeit stellte sie für in Deutschland durchgeführte kulturelle Veranstaltungen Künstler beziehungsweise Künstlergruppen zur Verfügung, die zum Teil weder Wohnsitz noch ständigen Aufenthalt im Inland hatten (ausländische Künstler). Die Klägerin schloss für jede Veranstaltung einen Werkvertrag mit den jeweiligen Veranstaltern, in dem diese sich zur Zahlung einer Vergütung an die Klägerin verpflichteten (sog. erste Stufe), sowie einen weiteren Werkvertrag mit den jeweiligen ausländischen Künstlern, in dem die Klägerin sich ihrerseits zur Vergütung der Auftritte verpflichtete (sog. zweite Stufe).
Das FA erhielt durch vom seinerzeitigen Bundesamt für Finanzen übermittelte Durchschriften von Freistellungsbescheiden nach § 50d Abs. 3 EStG davon Kenntnis, dass die Klägerin in der beschriebenen Weise Künstler vermittelt hatte. Da die Klägerin auch nach Festsetzung eines Zwangsgelds (für 1997) keine Steueranmeldungen nach § 50a Abs. 5 Satz 3 EStG für die an die ausländischen Künstler gezahlten Honorare abgegeben hatte, nahm das FA sie im Oktober/November 1999 mit insgesamt vier Haftungsbescheiden wegen nicht angemeldeter und abgeführter Steuerabzugsbeträge in Anspruch, wobei das FA die Höhe der in den einzelnen Quartalen an die Künstler gezahlten Vergütungen im Wege der Schätzung ansetzte. Die danach abzuführende ESt berechnete das FA unter Anwendung des Steuersatzes von 25 %; der Solidaritätszuschlag betrug 7,5 % (für 1996 und 1997) sowie 5,5 % (für 1998 und 1999). Auf dieser Basis ergaben sich Haftungsbeträge von … DM (1996), … DM (1997), … DM (1998) und … DM (I. Quartal 1999).
Während des anschließenden Einspruchsverfahrens setzte das FA mit Bescheiden vom 9.12.1999 bzw. 15.12.1999 antragsgemäß die Vollziehung der Haftungsbescheide bis zur Entscheidung über die Einsprüche aus. Die Klägerin reichte im Einspruchsverfahren eine Aufstellung der einzelnen Künstler beziehungsweise Künstlergruppen und die an diese gezahlten Vergütungen (einschließlich gezahlter "Diäten", Hotel- und Fahrtkosten) ein.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 28.5.2019 reduzierte das FA die Haftungsbeträge auf die Werte, die sich unter Berücksichtigung der Aufstellung der Klägerin ergaben. Hinsichtlich Vergütungsgläubigern mit Wohnsitz in Mitgliedstaaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zog das FA sich aus den Angaben der Klägerin ergebende Betriebsausgaben von der Bemessungsgrundlage ab, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Einnahmen standen. Danach sind folgende Haftungsbeträge verblieben: … EUR (1996), … EUR (1997), … EUR (1998) und … EUR (I. Quartal 1999).
Mit der dagegen beim Niedersächsischen FG erhobenen Klage hat die Klägerin u.a. geltend gemacht, die verpflichteten ausländischen Künstler und Künstlergruppen träten zum überwiegenden Teil ohne Gewinnerzielungsabsicht auf, weil sie entweder von ihren Heimatstaaten finanziert würden oder gemeinnützig seien.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.7.2021, 11 K 14125/19, Haufe-Index 15296461).
Entscheidung
Der BFH hat die dagegen eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Praxis-Hinweise geben darüber Aufschluss, wie es zu dieser Entscheidung kam.
Hinweis
1. Die Entscheidung ist für ausländische Künstler, die in Deutschland auftreten und mit ihren inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, sehr bedeutsam. Mit der Besprechungsentscheidung bestätigt der BFH im Wesentlichen seine bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit...