Gewinne von Kapitalgesellschaften gelangen insbesondere durch Gewinnausschüttungen an die Anteilseigner. Diese stellen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen dar (Ausschüttungsbesteuerung).
Personengesellschaften können ihre Gewinnanteile jedoch nicht ausschütten. Die Gewinne werden vielmehr auf handelsrechtlicher oder gesellschaftsvertraglicher Grundlage durch die Gesellschafter entnommen bzw. ausgezahlt.
Der Gesetzgeber stand daher vor der Aufgabe, wie der steuerrechtliche Zufluss der Gewinnanteile der optierenden Gesellschaft (Personengesellschaft) an die Gesellschafter gesetzlich geregelt wird.
Durch § 1a Abs. 3 S. 5 KStG wird dazu bestimmt, dass "Gewinnanteile [...] erst dann als ausgeschüttet [gelten], wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann". Beachten Sie: Es ist daher wichtig, wie eine Gewinnzurechnung an den Gesellschafter der optierenden Gesellschafter "verzögert" werden kann.
Die Rz. 74–78 des BMF-Schreibens haben für die Praxis eine zentrale Bedeutung, weil dort diese Zuflussfiktion von Gewinnanteilen der optierenden Gesellschaft an die Gesellschafter ausgelegt wird.
Grundsätzlich gelten nach der Verwaltungsauffassung die Gewinnanteile in dem Zeitpunkt den Gesellschaftern der optierenden Gesellschaft als zugeflossen, wenn sie deren Auszahlung mit Feststellung des Jahresabschlusses verlangen können (BMF Rz. 74). Den Gesellschaftern sind in diesem Zeitpunkt Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Unerheblich sei es dabei, ob dem Gesellschafter sein Gewinnanteil tatsächlich schon ausgezahlt wird.
Wenn auszahlbare Gewinnanteile auf einem Eigenkapitalkonto verbucht werden, gilt der Gewinnanteil unmittelbar nach der fiktiven Ausschüttung als eingelegt mit der Folge, dass sich
- die Anschaffungskosten der Beteiligung (Anteile) des Gesellschafters und
- das steuerliche Einlagekonto der Gesellschaft (§ 27 KStG)
erhöhen (BMF Rz. 78).
Beispiel 7
Die A-KG (optierende Gesellschaft i.S.d. § 1a KStG) hat ein sog. Zwei-Konten-Modell: Auf dem Kapitalkonto I wird die Hafteinlage und auf Kapitalkonto II werden alle Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen des Kommanditisten A verbucht. Am 11.9.2023 wird der Jahresabschluss zum 31.12.2022 der A-KG festgestellt. Auf A entfällt ein entnehmbarer Gewinnanteil i.H.v.100.000 EUR, der auf das Kapitalkonto II von A gebucht wird. A entnimmt im Jahr 2023 nichts.
Lösung (Verwaltungsauffassung): A sind zum 11.9.2023 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) i.H.v.100.000 EUR zuzurechnen. Auch ohne tatsächliche Entnahme ist A der gesamte Gewinnanteil zuzurechnen, da dieser nach § 1a Abs. 3 S. 5 KStG bereits dann als ausgeschüttet gilt, wenn dessen Auszahlung (Entnahme) verlangt werden kann. Die Ausschüttung unterliegt im Ausschüttungszeitpunkt der Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Die optierende Gesellschaft hat die Kapitalertragsteuer (25 %) anzumelden und abzuführen, da die für den Steuerabzug auf Gewinnausschüttungen maßgeblichen Regelungen der §§ 43 ff. EStG entsprechend gelten (BMF Rz. 76).
Ein Ausweg aus der sofortigen Zurechnung von Gewinnanteilen kann durch eine (vorherige) Änderung des Gesellschaftsvertrags der optierenden Gesellschaft erreicht werden. Nach BMF Rz. 74 liegt regelmäßig noch keine fiktive Ausschüttung vor, wenn für die Auszahlung oder Entnahme noch ein gesonderter Beschluss erforderlich ist.
Beraterhinweis Daher ist eine gesellschaftsvertragliche Entnahmesperre für das Kapitalkonto sinnvoll, auf das die Gewinnanteile gebucht werden. Dem Gesellschafter sind erst dann die Gewinnanteile als Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen, wenn durch einen Gesellschafterbeschluss diese Beträge entnommen werden dürfen.
Werden die als ausgeschüttet geltenden Gewinnanteile auf einem Fremdkapitalkonto gebucht, bleibt die spätere Auszahlung steuerneutral (BMF Rz. 78), da die Gewinnanteile bereits vorher als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet wurden.
Beispiel 8
Die C-KG (optierende Gesellschaft i.S.d. § 1a KStG) hat ein sog. Vier-Konten-Modell. Die Gewinnanteile werden dabei auf einem Fremdkapitalkonto der Kommanditistin C verbucht. Am 11.9.2023 wird der Jahresabschluss zum 31.12.2022 der C-KG festgestellt. Auf C entfällt ein entnehmbarer Gewinnanteil i.H.v. 400.000 EUR, der auf das Fremdkapitalkonto der Kommanditistin C verbucht wird. C lässt sich das Guthaben aus dem Fremdkapitalkonto am 11.2.2024 auszahlen.
Lösung (Verwaltungsauffassung): C sind zum 11.9.2023 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) i.H.v.400.000 EUR zuzurechnen (Kapitalertragsteuer-Abzug durch die C-KG). Die spätere Auszahlung im Jahr 2024 hat auf die Besteuerung keine Auswirkung mehr.
Beachten Sie: Gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorauszahlungen auf den Gewinn gelten ebenfalls schon als ausgeschüttet, wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann (BMF Rz. 75).