Die FG folgten in ihren Entscheidungen der engen Auslegung der Finanzverwaltung, so dass ein zwingender Grund nur vorliege, wenn objektive Gründe wie Pflegebedürftigkeit oder Tod (vgl. R E 13.4 Abs. 6 Satz 9 ErbStR 2019; BT-Drucks. 16/11107, 9) das selbstständige Führen eines Haushalts unmöglich machen. Die Kläger hätten somit keinen Anspruch auf die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG bzw. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
a) Depressionserkrankung kein "zwingender Grund"
Fraglich war, ob eine Depressionserkrankung einen "zwingenden Grund" für die Abstandnahme der Versagung der Steuerbefreiung darstelle. Nach Auffassung des FG Münster liege ein "zwingender Grund" i.S.d. Vorschrift nur vor, wenn eine Depressionserkrankung ein so hohes Ausmaß erreicht hätte, wie es für einen "zwingenden Grund" notwendig sei. Da diese Erkrankung nicht dazu geführt habe, dass die Klägerin im Streitfall an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert gewesen wäre, wurde die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit versagt (vgl. FG Münster v. 10.12.2020 – 3 K 420/20 Erb, EFG 2021, 385 Rz. 17 = ErbStB 2021, 71 [Heinrichshofen]). Die enge Auslegung wurde dabei auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Vorschrift des Familienheims gestützt, um eine Überprivilegierung zu vermeiden (vgl. FG Münster v. 10.12.2020 – 3 K 420/20 Erb, EFG 2021, 385 Rz. 18 = ErbStB 2021, 71 [Heinrichshofen] i.V.m. BFH v. 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051, und BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, BStBl. II 2016, 225 = ErbStB 2015, 287 [Halaczinsky]). Die Entscheidung zielt darauf ab, dass als "zwingende Gründe" nur solche in der Person des Erwerbers liegende Gründe in Betracht kommen, die das Führen eines Haushalts schlechthin – nicht nur im Familienheim – unmöglich machen (vgl. FG Münster v. 10.12.2020 – 3 K 420/20 Erb, EFG 2021, 385 Rz. 20 = ErbStB 2021, 71 [Heinrichshofen]; so auch FG Münster v. 31.1.2013 – 3 K 1321/11 Erb, ZEV 2013, 635 = ErbStB 2013, 140 [Kirschstein]).
b) Gebäudemängel und Unwirtschaftlichkeit kein "zwingender Grund"
Mängel am Gebäude sowie der daraus resultierende Abriss seien nach Auffassung der Finanzverwaltung, des FG Düsseldorf und des FG München kein "zwingender Grund" i.S.d. Vorschrift. Es handele sich allenfalls um nachvollziehbare Gründe, die zu einer Aufgabe der Selbstnutzung geführt hätten. Unerheblich sei, dass es sich wirtschaftlich nicht mehr gelohnt hätte, Sanierungen durchzuführen (vgl. FG Düsseldorf v. 8.1.2020 – 4 K 3120/18 Erb, EFG 2021, 288 Rz. 19 = ErbStB 2021, 41 [Heinrichshofen]; FG München v. 22.10.2014 – 4 K 847/13, EFG 2015, 236 = ErbStB 2015, 60 [Grootens]). Das FG Düsseldorf stellt ferner fest, dass auch die Unfähigkeit Treppen zu steigen keinen objektiven Grund gegen das selbstständige Führen eines Haushalts darstelle (vgl. FG Düsseldorf v. 8.1.2020 – 4 K 3120/18 Erb, EFG 2021, 288 Rz. 20 = ErbStB 2021, 41 [Heinrichshofen]). Es wurde seitens des FG Düsseldorf der Auffassung der Finanzverwaltung gefolgt, dass die gesundheitlichen Probleme eine eigene Haushaltsführung nicht ausgeschlossen hätten. Es wurde sich somit den Entscheidungen des FG Münster v. 31.1.2013 (FG Münster v. 31.1.2013 – 3 K 1321/11 Erb, EFG 2013, 715 = ErbStB 2013, 140 [Kirschstein]) und v. 10.12.2020 (FG Münster v. 10.12.2020 – 3 K 420/20 Erb, EFG 2021, 385 = ErbStB 2021, 71 [Heinrichshofen]) angeschlossen, dass nicht nur das Führen des Haushaltes im entsprechenden Familienheim nicht möglich sei, sondern sich die Unmöglichkeit auf das Führen eines eigenen Haushalts schlechthin beziehe und daher in der Person des Erwerbers begründet liegen müsse.
c) Wegfall der Steuerbefreiung bei Nießbrauchsvorbehalt
Das FG Münster hat mit Urteil v. 28.9.2016 (FG Münster v. 28.9.2016 – 3 K 3757/15 Erb, EFG 2016, 2077 = ErbStB 2017, 3 [Kirschstein]) entschieden und sich somit der vorherigen Entscheidung des Hessischen FG (Hess. FG v. 15.2.2016 – 1 K 2275/15, EFG 2016, 734 = ErbStB 2016, 168 [Kirschstein]) angeschlossen, dass nach Sinn und Zweck der Norm und unter Berücksichtigung systematischer Gesichtspunkte die Steuerbefreiung nicht nur dann wegfalle, wenn der Erwerber das Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken selbst nutze, sondern auch dann, wenn er das Eigentum daran auf Dritte – auch eigene Kinder – übertrage, unabhängig davon, ob er das Familienheim durch Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechts weiter selbst zu Wohnzwecken nutze (vgl. FG Münster v. 28.9.2016 – 3 K 3757/15 Erb, EFG 2016, 2077 = ErbStB 2017, 3 [Kirschstein]; so auch BFH v. 29.11.2017 – II R 14/16, BStBl. II 2018, 362 = ErbStB 2018, 133 [Marfels]).