1. Allgemeines (Rz. 59)
§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt klar, dass als Veräußerung neben der entgeltlichen Übertragung des – zumindest wirtschaftlichen – Eigentums auch
- die Abtretung einer Forderung,
- die vorzeitige oder vertragsmäßige Rückzahlung einer Kapitalforderung,
- die Endeinlösung einer Forderung oder eines Wertpapiers,
- die verdeckte Einlage von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG in eine Kapitalgesellschaft und
- die Vereinnahmung eines Auseinandersetzungsguthabens aus einer stillen Gesellschaft
als Veräußerung anzusehen sind.
Beraterhinweis Die Sicherungsabtretung ist keine Veräußerung i.S.d. Vorschrift.
Unter Berücksichtigung der Rspr. des BFH vertritt die Finanzverwaltung zum Begriff der Veräußerung folgende Auffassung:
Keine Abhängigkeit von der Höhe der Gegenleistung oder der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten: Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig (BFH v. 12.6.2018 – VIII R 32/16, BStBl. II 2019, 221 = ErbStB 2018, 349 [Anemüller]).
Wertlose Wirtschaftsgüter: Bei der Veräußerung von wertlosen Wirtschaftsgutes i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG ist ab VZ 2020 die Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG zu berücksichtigen. Von einer Veräußerung eines wertlosen Wirtschaftsgutes ist regelmäßig auszugehen, wenn der Veräußerungserlös die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt. Wird die Höhe der in Rechnung gestellten Transaktionskosten nach Vereinbarung mit dem depotführenden Institut dergestalt begrenzt, dass sich die Transaktionskosten aus dem Veräußerungserlös unter Berücksichtigung eines Abzugsbetrages errechnen, ist gleichfalls regelmäßig von der Veräußerung eines wertlosen Wirtschaftsgutes auszugehen.
Eine entgeltliche Übertragung liegt auch vor, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden (BFH v. 17.11.2020 – VIII R 20/18, BStBl. II 2021, 378, und BFH v. 29.9.2020 – VIII R 9/17, BStBl. I 2021, 385 = ErbStB 2021, 141 [Günther]).
Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter: Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG auch anzunehmen, wenn die wertlosen Wirtschaftsgüter ohne Zahlung eines Entgelts aus dem Depot des Steuerpflichtigen (Stpfl.) ausgebucht werden. Eine Ausbuchung aus dem Depot kommt insb. in Betracht, wenn die Wirtschaftsgüter nicht mehr handelbar sind, der Anleger nicht über die kleinste handelbare Einheit verfügt oder die Nebenkosten höher als der Kurswert sind. In diesen Fällen greift ab VZ 2020 die Verlustverrechnungsbeschränkung gem. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG.
Beraterhinweis "Veräußerung" ist die entgeltliche Übertragung des – zumindest wirtschaftlichen – Eigentums auf einen Dritten, ggf. auch zwangsweise, etwa im Wege der Zwangsversteigerung (vgl. BFH v. 10.12.1969 – I R 43/67, BStBl. II 1970, 310, ergangen zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder auf der Grundlage eines ausländischen Insolvenzplans (BFH v. 12.5.2015 – IX R 57/13, BFH/NV 2015, 1364). Der BFH nimmt hierzu auch im Urteil v. 3.12.2019 ausführlich Stellung (BFH v. 3.12.2019 – VIII R 43/18, BFH/NV 2020, 687).
2. Ausfall nicht verbriefter Kapitalforderungen (Rz. 60)
Unter Hinweis auf das BFH-Urteil v. 24.10.2017 (BFH v. 24.10.2017 – VIII R 13/15, BStBl. II 2020, 831 = ErbStB 2018, 69 [Anemüller]) handelt es sich bei der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nunmehr um einen steuerlich anzuerkennenden Veräußerungsverlust gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, soweit keine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten bei den gewerblichen Einkünften in Betracht kommt (§ 17 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG).
Beraterhinweis Dies gilt grundsätzlich nur, wenn die Kapitalforderung nach dem 31.12.2008 begründet worden ist und die Kapitalerträge nach dem 31.12.2008 zugeflossen sind, vgl. § 52 Abs. 28 Satz 15 bis 17 EStG.
Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung: Die Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung liegt vor, wenn dem Gläubiger keine gesetzlich gebilligte Möglichkeit zur Durchsetzung des Anspruchs offensteht. Davon ist insb. dann auszugehen, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wurde. Nicht ausreichend ist die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Eine Ausnahme ergibt sich dann, wenn der Insolvenzverwalter ggü. dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat (vgl. BFH v. 1.7.2021 – VIII R 28/18, BStBl. II 2021, 911). Für die Verlustverrechnung gilt ab VZ 2020 § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG.
Beispiel
K schloss mit der B im Jahr 01 einen Vertrag ab, auf Grund dessen K 20.000 EUR an B gezahlt hat. Die B täuschte K die Anlage dessen Kapitals in Anleihen vor. K sollte hierfür eine jährlich nachschüssig zu zahlende Rendite zwischen 7 % bis 9 % des Anlagebetrages erhalten. Im Jahr 02 wurde K für das Jahr 01 eine fällige und zur Auszahlung bereitstehende Scheinrendite i.H.v. 800 EUR in den Büchern der B gutgeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war die B noch leistungsfähig und leistungs...