Hinweise zu wichtigen Änderungen und Entwicklungen
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) Christian Anemüller
Die Finanzverwaltung hat ein umfassendes BMF-Schreiben zur Anwendung der Abgeltungsteuer herausgegeben. Seit der letzten Veröffentlichung im Januar 2016 haben sich zahlreiche Änderungen aufgrund von gesetzlichen Änderungen, der Rspr. sowie einer zum Teil geänderten Auffassung der Verwaltung ergeben, welche in die Neufassung des BMF-Schreibens v. 19.5.2022 (BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009; BStBl. I 2022, 742) eingeflossen sind. Die erneute Veröffentlichung einer Neufassung des Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer ist Zeugnis der Schnelllebigkeit des Rechtsgebietes zur Besteuerung von Kapitaleinkünften, insb. der Rspr. des BFH. Der zweiteilige Beitrag gibt einen Überblick über das Anwendungsschreiben mit seinen mehr als 300 Randziffern und geht unter Angabe der jeweiligen Rz. des BMF-Schreibens auf wichtige Änderungen und weitere ausgewählte Aspekte ein.
Inhaltsübersicht
IX. Gesonderter Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d EStG
1. Tarifermäßigungen und Abgeltungsteuer (Rz. 132)
Die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG ist keine tarifliche Steuer i.S.d. § 32a Abs. 1 EStG. Steuerermäßigungen, die an die tarifliche Einkommensteuer anknüpfen, können infolgedessen die Einkommensteuer nach dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG nicht mindern.
Beraterhinweis Das FG Münster hat mit Urteil v. 17.2.2021 entschieden, dass die Festsetzung einer Steuer aus sachlichen Gründen unbillig ist, wenn sie zwar dem Gesetzeswortlaut entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (FG Münster v. 17.2.2021 – 7 K 3409/20 AO, ErbStB 2021, 138 [Weiss]). Es ist nicht unbillig, wenn Steuerschulden nicht als Nachlassverbindlichkeiten anzusehen sind, die erst durch die Veräußerung von geerbten Wertpapieren entstanden sind und wenn die tarifliche Einkommensteuer nicht nach § 35b EStG ermäßigt wird, weil diese Vorschrift für die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge nicht gilt. Eine Doppelbelastung durch Erbschaftsteuer und Einkommensteuer impliziert nicht zwingend eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung.
2. Kapitalüberlassung an nahestehende Personen oder von Anteilseignern (Rz. 134 ff.)
Der Ausschluss des Steuersatzes nach § 32d Abs. 1 EStG findet gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG bei Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG Anwendung, wenn der Darlehensnehmer eine natürliche Person ist, die
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
- Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder
- Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a, bb EStG (fremdfinanzierte Rentenversicherungen) und § 22 Nr. 3 EStG (z.B. Containerleasing) erzielt
und sie die Darlehenszinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend machen kann. Entsprechendes gilt, wenn der Darlehensnehmer eine Personengesellschaft ist, bei der hinsichtlich der Erträge aus der Darlehensgewährung § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG keine Anwendung findet und in Fällen, in denen eine Stiftung Darlehensnehmer ist.
Beteiligung des Darlehensgebers an dem Darlehensnehmer: Die Ausführungen in Rz. 135 wurden an die geänderte Rechtslage angepasst. Werden Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft gezahlt, ist die Anwendung des Steuersatzes i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. b EStG ausgeschlossen, wenn der Darlehensgeber zu mind. 10 % an dem Darlehensnehmer beteiligt ist.
Neu in die Ausführungen aufgenommen wurde der Abschnitt, dass für Kapitalerträge aus Darlehen, die nach dem 31.12.2020 begründet wurden, § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. b EStG nur dann Anwendung findet, wenn der Darlehensnehmer die den Kapitalerträgen entspr. Darlehenszinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften, die der inländischen Besteuerung unterliegen, abziehen kann. Beachten Sie: Der Abzug der Zinsen beim Darlehensnehmer darf nicht durch § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbs. 2 EStG eingeschränkt sein.
Beraterhinweis Gewinne und Verluste aus der Veräußerung oder dem Ausfall einer Darlehensforderung eines Gesellschafters oder Mitglieds, die nach dem 31.12.2020 begründet wurden, unterliegen dem gesonderten Steuertarif nach ...