Mit der Existenz des fiktiven SBV sind auch Forderungen des Mitunternehmers gegen die Gesellschaft weiterhin als SBV zu qualifizieren. Dies hat zur Folge, dass auch für optierende Gesellschaften weiterhin die Ansicht der Finanzverwaltung anwendbar ist, wonach Forderungen im SBV für Zwecke des 90%-Tests (§ 13b Abs. 2 ErbStG) – abweichend zu übrigen verbundinternen Forderungen – nicht außer Ansatz gelassen werden können (vgl. R E 13b.29 Abs. 5 Satz 6–8 ErbStR).
Es ist weiterhin nicht nachvollziehbar, warum die Finanzverwaltung diese Ansicht vertritt. Im Gesetz findet sich hierzu kein Anhaltspunkt. Die Begründung, die Forderungen im SBV seien nicht zu kürzen, "weil es sich nicht um eine Beteiligung handelt" (R E 13b.29 Abs. 5 Satz 6 ErbStR) überzeugt nicht. Vielmehr besteht in dieser Regelung eine deutliche Benachteiligung der Personenhandelsgesellschaft ggü. der Kapitalgesellschaft i.R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuer. Insbesondere macht es im Konzern (dem Unternehmensverbund) daher einen großen Unterschied, ob eine Tochtergesellschaft als Personenhandelsgesellschaft oder als Kapitalgesellschaft firmiert. Allein die Wahl der Rechtsform der Personenhandelsgesellschaft kann aufgrund der Ansicht der Verwaltung dazu führen, dass aufgrund hoher thesaurierter Gewinne, welche dem Privatkonto im Fremdkapital gutgeschrieben werden, anzusetzende Forderungen für Zwecke des 90%-Tests eine Begünstigung des übertragenen Vermögens ausschließen. Eine Missbrauchsverhinderungsabsicht ist nicht ersichtlich, zumal dieselbe wirtschaftliche Situation bei Kapitalgesellschaften keinen Nachteil hat.
Beispiel 3
A ist zu 100 % Gesellschafter der A-GmbH, welche zu 100 % an der B-GmbH beteiligt ist. Der Unternehmensverbund hat einen Unternehmenswert i.H.v. 1.000.000 EUR. Die A-GmbH hat eine Forderung ggü. der B-GmbH i.H.v. 1.500.000 EUR. Außer den nachfolgend dargestellten Finanzmitteln liegt kein Verwaltungsvermögen vor.
Die Bilanzen der Gesellschaften haben zu gemeinen Werten folgendes Bild:
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A-GmbH |
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EUR |
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EUR |
Aktiva |
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500.000 |
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Eigenkapital |
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1.000.000 |
Finanzmittel |
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500.000 |
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Fremdkapital |
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1.500.000 |
Forderung B-GmbH |
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1.500.000 |
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2.500.000 |
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2.500.000 |
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B-GmbH |
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EUR |
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EUR |
Aktiva |
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2.000.000 |
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Eigenkapital |
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500.000 |
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Verbindlichkeit A-GmbH |
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1.500.000 |
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2.000.000 |
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2.000.000 |
Die Forderung der A-GmbH und die Verbindlichkeit der B-GmbH bleiben gem. R E 13b.29 Abs. 5 Satz 1 ErbStR für Zwecke der Verbundvermögensaufstellung außer Ansatz.
Somit sind festzustellen:
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A-GmbH |
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B-GmbH |
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Summe |
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EUR |
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EUR |
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EUR |
Finanzmittel |
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500.000 |
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100.000 |
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600.000 |
Schulden |
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1.500.000 |
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0 |
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1.500.000 |
Bei der Berechnung des 90%-Brutto-Tests, beim dem keine Schuldverrechnung erfolgen darf, ergibt sich somit eine Quote i.H.v. 60 % (600.000 EUR/1.000.000 EUR). Eine Begünstigung ist somit möglich.
Beispiel 3 (Abwandlung)
Statt in der Rechtsform einer GmbH firmiert die Gesellschaft B in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (B-KG).
Die Forderung der A-GmbH stellt SBV bei der B-KG dar. Die Forderung und die Verbindlichkeit sind somit anzusetzen. Somit sind festzustellen:
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A-GmbH |
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B-KG |
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Summe |
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EUR |
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EUR |
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EUR |
Finanzmittel |
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2.000.000 |
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100.000 |
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2.100.000 |
Schulden |
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1.500.000 |
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1.500.000 |
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3.000.000 |
Bei der Berechnung des 90%-Brutto-Tests, ergibt sich somit eine Quote i.H.v. 210 % (2.100.000 EUR/1.000.000 EUR). Eine Begünstigung ist somit ausgeschlossen.
Dieses einfache Beispiel unterstreicht anschaulich die Kritik sowohl am 90 %-Test selbst (s. dazu bspw. FG Münster v. 3.6.2019 – 3 V 3697/18 Erb, ErbStB 2019, 317 [Uhl-Ludäscher], Bernhard, NWB 2019, 3474) als auch an der Behandlung von Forderungen im SBV bei Personenhandelsgesellschaften nach der Finanzverwaltungsauffassung. Die wirtschaftlich identische Situation in den Beispielen 3a und 3b führen zu völlig konträren Besteuerungskonsequenzen.
Die begrüßenswerte Einführung des Optionsmodells mit dem Ziel der Rechtsformneutralität der Besteuerung im Ertragsteuerrecht sollte die Finanzverwaltung zum Anlass nehmen, diese Gleichbehandlung der Rechtsformen auch i.R.d. Verbundvermögensaufstellung herzustellen. Insofern sollte die auf die optierende Personenhandelsgesellschaft benachteiligende Regelung – zumindest für Forderungen innerhalb des Unternehmensverbundes – verzichtet werden.
Bei Anwendung des Optionsmodells werden zu thesaurierende Gewinne bei der optierenden Gesellschaft wohl regelmäßig im Eigenkapital bilanziert und noch nicht von den Gesellschaftern entnommen und auf deren Verrechnungskonten gebucht. Ziel ist dabei die Vermeidung einer Besteuerung (in Form von Kapitalertragsteuer) im Entnahmezeitpunkt. Dies bringt den Vorteil, dass bei der Muttergesellschaft keine korrespondierende Forderung bilanziert werden kann, so dass diesbezüglich kein SBV vorliegt. Dieser Effekt mindert immerhin die deutlich negativen Auswirkungen der oben dargestellten Finanzverwaltungsansicht, da kein Automatismus mehr zwischen der in der Praxis oftmals anzutreffenden Gewi...